Built For Speed

Vintage Guitar Stories: 1965 Gretsch Corvette

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(Bild: Franz Holtmann)

Viele der grundlegenden elektrischen Gitarren-Designs wurden in den 50er-Jahren erfunden – keine Frage. Durch die sich rapide ändernde musikalische Landschaft, mit der eine Aufwertung der Electric zum dominanten Instrument verbunden war, kam es dann aber auch in den 60ern noch zu interessanten Entwicklungen und Variationen.

Waren die 50er-Jahre noch geprägt vom frühen Rock’n’Roll mit relativ simplen Song-Strukturen und großteils clean gespielten Gitarren, so können die 60s als das Jahrzehnt der geradezu explosionsartigen musikalischen Erweiterung gelten, was sich dann natürlich zunehmend auch im Design und in den konstruktiven Details der Instrumente niederschlug.

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Gitarren waren populär wie nie zuvor, ihr Sound erfuhr aber auch nicht geahnte Öffnungen durch die zunehmende Lautstärke im Band-Kontext. Verzerrung, von einem Amp-Designer wie Leo Fender noch als Feind all seiner Bemühungen betrachtet, wurde nach und nach zum Stilmittel. Leo, Mundharmonikaspieler und Freund singender Cowboys, muss es gegruselt haben ob der teuflischen Sounds, die ein Jimi Hendrix wie Feuer aus seiner Stratocaster zu schlagen vermochte.

Gretsch hatte in den 50er-Jahren ein eher konservatives Geschäftsmodell verfolgt, geprägt noch von der Jazz-Leidenschaft des Fred Gretsch sr., was sich in der vornehmlichen Produktion von Archtops widerspiegelte. Mit dem Eintreten von Fred Gretsch jr. 1948 in die Firma setzte aber ein Umdenken ein, das den rasanten Entwicklungen der Musikszene Rechnung tragen wollte. In den frühen 60er-Jahren entschied man sich bei Gretsch, selbst auch in den Markt der preisgünstigen Solidbodies einzusteigen. Man wollte eine Antwort auf die erfolgreichen Gibson-Designs Junior und Special geben und sich damit natürlich auch einen Teil vom großen Kuchen sichern.

Das erste Corvette-Double-Cutaway-Modell kam 1961 mit unkonturiertem Korpus heraus und ähnelte in Konstruktion, formaler Gestaltung und Holzwahl noch stark der Les Paul Junior. Dieses Slab-Bodied-Modell startete mit einem Katalogpreis von $ 139,50 und wurde nur ein Jahr lang produziert. Denn ebenfalls 1961 brachte Gibson bereits das SG-Design auf den Markt – ein in mehrfacher Hinsicht radikaler Schwenk, den Gretsch mit einer starken Überarbeitung seines Corvette-Modells nachvollzog.

Die zweite Version der Double-Cutaway-Corvette mit nun spitzen Hörnern und konturierten Korpusrändern – also offensichtlichen Anlehnungen an das SG-Design – blieb nahezu unverändert bis zur Einstellung der Produktion Ende 1968/Anfang 1969 im Gretsch-Programm. Ausnahme ist nur noch der Wechsel von der bekannten symmetrischen 3/3-Kopfplatte zum markanten „Reverse“ Headstock mit 2/4-Mechaniken im Jahre 1965.

Es gab die Corvette mit einzelnem Hi-Lo-Tron-Pickup am Steg oder mit zwei dieser speziellen Singlecoil-Pickups; verfügbar war sie mit Bar Bridge plus kleinem Trapez-Saitenhalter oder mit Burns Vibrato, später auch mit „Horseshoe“-Bigsby-Vibrato-Tailpiece. Sehr schön im Übrigen auch die Idee der Gretsch-Entwickler, ein alternatives Princess Model speziell designed für die moderne Gitarristin herauszubringen – „now for the first time, a guitar that ist unmistakably ‚hers‘.“

Die Princess – prinzipiell identisch mit der Corvette, aber heute eine der seltenst zu findenden Gretsch-Gitarren – gab es in hübschen Pastellfarben, dazu einen farblich passenden Verstärker und einen Koffer in weiß. Die Princess allein wurde zu $ 169 angeboten; das komplette Set war im Katalog von 1963 mit $ 260 gelistet.

1964 gesellte sich dann noch das Modell Astro-Jet an die Seite der Corvette. Das etwas klobig geratene Design mutete aber eher wie eine missglückte Mutation der elegant gestalteten Corvette an und schaffte es auch nur einmal (1965) in den Katalog.

 

„BUILT FOR SPEED“

Protagonist: Rory Gallagher spielte eine Zeit lang eine Corvette aus dem Baujahr 1963, allerdings hatte er den Pickup gegen einen P90 ausgetauscht und auch noch eine alternative Bridge mit einzeln verstellbaren Saitenreitern eingebaut.

Und wie klingt nun diese kleine schnittige Corvette? Wie erwartet sehr speziell, aber auf jeden Fall sehr interessant. Ihr akustischer Grund-Sound ist natürlich von der Mahagonikonstruktion geprägt, altes Tonholz, bestens eingeschwungen. In dieser Qualität ist das bei neuen Gitarren einfach nie zu hören. Wir erleben eine wohlgerundete, sehr direkte und stringente, dabei offene Darstellung. Der einzelne Hi-Lo Tron Single Coil überträgt die absolut schwingfreudigen Klänge mit einer kehligen Attitüde, die Akkorden Stringenz und Linien Biss gibt.

Erstaunlich aber, wie kompakt und schlüssig diese Sounds rüberkommen, anrührend originäre Sounds die klangfarblich aus dem vorherrschenden Mainstream moderner Gitarrenproduktion deutlich herausstechen. Die Anwendung der Corvette mag beschränkt sein, aber Mensch: was für ein starker Charakter!

Das Gretsch Slab Body Model Corvette hielt sich gut sechs Jahre am Markt, etwa um den Jahreswechsel 1968/1969 herum wurde die Produktion eingestellt. Die Fertigungszahlen, besonders die des technisch identischen Schwestermodells Princess, blieben sehr überschaubar. Die handliche kleine Gretsch Corvette kann man fraglos als klassischen Schläfer bezeichnen, als charmant klingendes, aber offenkundig stark unterschätztes Instrument.

Die Preise am Vintage-Markt liegen manchmal noch bei gut € 1000 im geläufigen Cherry-Finish, erreichen in Custom-Lackierungen wie Cadillac Green, Platinum Grey oder Peppermint Twist aber locker auch mehr als das Doppelte. Noch teurer sind die so hübschen wie ultraseltenen Princess-Ausführungen mit goldener Hardware in den Farben White, Pale Blue oder Pink.

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2020)

Produkt: Gitarre & Bass 5/2022 Digital
Gitarre & Bass 5/2022 Digital
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