Die eigene Sprache finden

Songwriting: Wie wichtig ist die Technik?

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Viele Musiker verstecken sich hinter Musiktheorie, dem Studium, grandiosen Soli oder technisch perfektem Gesang. Aber was berührt die Menschen, die deine Musik hören, wirklich? Mit guter Technik kann man sicherlich seinem Publikum imponieren, aber kann man damit auch die Herzen berühren?

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Das Herzstück der Musik ist meiner Meinung nach der Song. Ganz roh, egal ob mit Gitarre, Klavier oder einem anderen Instrument. Eine Akkordfolge, eine Melodie und ein Text. Wenn das nicht von Herzen kommt, fehlt in allem, was danach kommt, ebenfalls das Gefühl.

Als ich angefangen habe Songs zu schreiben, konnte ich weder Gitarre spielen, noch hatte ich jemals eine Gesangsstunde. Ich glaube also auf keinen Fall, dass ein spezielles Können auf einem bestimmten Instrument zwingend notwendig ist. Oft ist es gerade die eigene Begrenzung, die einen Musiker von anderen abhebt und ihm seine besondere Herangehensweise vorgibt. Was man allerdings braucht, ist ein Gespür für Musik, für Melodien und Akkorde.

Es gibt viele verschiedene Wege, einen Song zu schreiben, deswegen kann man Songwriting nicht unterrichten wie ein Instrument. Letztendlich geht es darum, dass man seine eigene Sprache findet. Niemand kann dir sagen, was du tun musst, um einen guten Song zu schreiben – du musst es selbst herausfinden!

Natürlich kann es hilfreich sein, wenn man ein Instrument gut spielen kann oder man sich mit seiner Stimme so sicher fühlt, dass man sich frei durch die Tonlagen bewegen kann. Es ist ebenfalls sinnvoll, dass man sich mit Akkorden und Musiktheorie gut auskennt, weil man dann viel mehr Möglichkeiten und auch andere Ideen hat.

Trotzdem macht das allein für mich noch keinen guten Song aus, denn ein wirklich guter Song braucht eine Seele, die man mit bloßer Technik nicht nachbauen kann. Es ist wie die Farbpalette eines Künstlers: Je mehr Wissen man hat, desto mehr Farben kann man verwenden. Und trotzdem kann man letztendlich jede Farbe aus den drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb mischen. Ich habe ein paar Jahre Kunst studiert und erinnere mich gut an einen Professor, der sagte: „Du musst alles kennen, die ganze Kunstgeschichte, jeden Künstler, jedes Werk. Und dann musst du alles vergessen und deine eigene Kunst entdecken.“ Diesen Satz habe ich nie vergessen.

Was macht einen guten Song aus?

Ob ein Song gut oder schlecht ist, kann man pauschal nicht sagen, denn es geht immer um den Blickwinkel, aus dem man ihn betrachtet: Für wen soll der Song gut sein? Für das Publikum? Für mich selbst? Für einen Kritiker oder eine Jury?

Manchmal ist ein Song gut, wenn man dazu tanzen oder ihn laut mitsingen kann. Oder wenn er ein Thema hat, mit dem sich viele identifizieren können. Oder wenn man viel Geld mit ihm verdienen kann. Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ich persönlich mag die Songs am liebsten, die mich und mein Publikum berühren und Gefühle wecken.

Warum Songs Zeit brauchen, um zu wachsen

In einer Welt, in der einem alle sagen, wie man zu sein hat, verliert man zwischen all den Erwartungen schnell die eigene Meinung. Deswegen muss man bei seinen Songs sehr vorsichtig sein, auf wessen Urteil man baut. Viele Bands sind sehr berühmt geworden, nachdem alle ihnen gesagt hatten, dass ihre Musik nichts taugt. Sie haben trotzdem weitergemacht und für ihre Musik gekämpft.

Es ist sicherlich hilfreich, andere nach ihrer Meinung zu fragen oder sich einen guten Rat zu holen. Letztendlich kommt es aber darauf an, wie sehr du deinen eigenen Song liebst und bereit bist, für ihn einzustehen. Wenn er dir selbst sehr gut gefällt und du das Gefühl hast, dass du dich in ihm wiedererkennst, dann kann er nicht schlecht sein.

Alle Songs haben es verdient geliebt zu werden, egal was aus ihnen wird. Ob man sie in der Schublade liegen lässt oder sie mit auf die große Bühne nimmt. Wenn sie entstehen, sind sie erst einmal da und wollen nicht direkt verurteilt werden.

Außerdem muss man auf seine Songs Acht geben und sie beschützen. Es gibt so viele Hürden, die eine gute Idee überleben muss. Deswegen sollte man gut überlegen, wem und zu welchem Zeitpunkt man seine Erfindungen zeigt. Es ist immer gut, die Dinge ein wenig ruhen zu lassen, bevor man ein Urteil fällt.

Was macht meine Songs besonders?

Jeder Mensch hat seine ganz eigene Sicht auf die Welt, eigene Erfahrungen und eine individuelle Geschichte. Das ist unser Potenzial, wenn es um künstlerische Tätigkeiten geht. Wenn du lernst, für diese Einzigartigkeit eine Sprache zu finden, wirst du, egal was passiert, immer einzigartig sein in deinem Tun. Es kann sein, dass du damit nicht berühmt wirst, aber wenn du mit deiner Musik du selbst bist, wird dein Publikum es merken und fasziniert sein.

Egal, ob man fröhliche oder traurige Songs schreibt, ob es um einen selbst oder ein anderes Thema geht. Jeder hat seine ganz eigene Art, die Dinge, die er erlebt, zu beschreiben.

Die Lieder, die du mit deinem Publikum teilst, geben ihnen einen kleinen Einblick in deine Sichtweise und das ist unglaublich spannend. Viele Musiker bemühen sich, die ganze Zeit etwas Besonderes oder irgendwie anders zu sein – und wirken dabei sehr aufgesetzt. Sie vergessen, dass sie an sich schon etwas Besonderes sind, solange sie sich nicht verbiegen lassen und auf sich selbst vertrauen. Diese Einzigartigkeit kann meiner Meinung nach jeder in Kreativität umwandeln. Man muss nur üben, es zuzulassen. Zu staunen und sich leiten zu lassen von der eigenen Intuition …

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Unser Schlagzeuger sagte zu mir: Ich bekomm jedesmal eine Gänsehaut wenn wir diesen Song spielen. Den Song den ich für die Band geschrieben hatte heißt: Am Ende haben wir uns nur allein.
    Es braucht oft ein gewisses Alter um Songs zu verstehen. Wäre mal interessant zu erfahren welche Songs die Leser/innen berühren und warum?
    Ist es die Musik, eine bestimmte Melodie oder besondere Texte.
    Ich hatte solche Gänsehaut Momente bei Texten von Udo Lindenberg (Da war soviel los) oder aber auch bei Reinhard Mey (Drei Jahre und ein Tag). Obwohl ich mich eigentlich musikalisch bei den Rockern und Bluesern sehe.

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  2. Toller Beitrag. Ich schreibe schon lange eigene Songs (bin 61) und empfinde das ganz genau so wie beschrieben. Echt gut und wahr…..

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  3. Ich schreibe seit meinem 14. Lebensjahr und habe immer festgestellt, dass ein Song erst dann wirklich gut ist, wenn er Dir nicht mehr aus dem Kopf geht. Alle anderen Ideen habe ich dann verworfen…

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  4. Das ist so eine Sache mit eigenen Songs. Ich habe mit Ca. 17 Jahre meinen ersten Song geschrieben. Keyboard und Gitarre beherrschte ich zu dieser Zeit schon ganz gut. Meine Eltern hatten mich recht früh zum Unterricht geschickt. Diesen ersten Song hatte ich für meine damalige Freundin geschrieben. Da habe ich auf alle Fälle gepunktet. Der Text war im Schulenglisch, mehr eine Katastrophe. Musikalisch allerdings, aus heutiger Sicht (inzwischen bin ich 69 Jahre alt), wirklich nicht schlecht. Von der Freundin war ich 3 Jahre später wieder getrennt, das Lied begleitet mich bis heute durch meine Life Konzerte. Allerdings inzwischen im vernünftigem Englisch. Und der Song bekommt von meinen eigenen Songs immer die meiste Zustimmung. Ich finde andere Songs von mir viel besser, das Publikum favorisiert aber immer diesen Song. Also der uralte Song hat irgendetwas was passt. Ich habe nicht raus gefunden was. Vielleicht mein Gefühlszustand beim Schreiben?

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