Der Blues-Professor

Interview: Pristine & Espen Elverum Jakobsen

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(Bild: Daniel Lilleeng)

Wir kennen ihn als Gitarrist der norwegischen Blues-Rocker Pristine. Doch Espen Elverum Jakobsen ist auch noch Manager eines Tonstudios, leidenschaftlicher Gearhead, versierter Bastler und studierter Musikus. Die Veröffentlichung des neuen Pristine-Albums ,Road Back To Ruin‘, mit dem die Nordlichter im Mai auf Deutschland-Tour gingen, war willkommener Anlass, um dem Mann aus Tromsö mal richtig auf den Zahn zu fühlen.

Es ist Mittwoch-Vormittag im wichtigsten kulturellen Zentrum nördlich des Polarkreises. Jakobsen, der seit Mitte der 90er einer von 71.500 Einwohnern der achtgrößten Metropole Norwegens ist, hat seinen Dienst im Kysten Studio angetreten. Ein State-Of-The-Art-Klangtempel, dem der 37-Jährige als Manager vorsteht – ein Zweitjob zur Aufstockung seiner Bezüge, denn das Leben in Skandinavien ist nicht billig, er hat eine Familie und seine Band, der er seit 2004 angehört, ist nicht ganzjährig aktiv. Oder besser: Noch nicht.

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Denn ,Road Back To Ruin‘, das inzwischen fünfte OEuvre des Quartetts, hat das Potential, ein ähnlicher Erfolg zu werden, wie der Output der befreundeten Label-Kollegen von Blues Pills. Schließlich stimmt hier alles: Die zwölf Songs erweisen sich als überzeugende Mischung aus bluesigem 70s-Rock mit einem Hauch von Country, Prog und Filmscores. Dazu gesellen sich ambitionierte sozio-politische Texte, der kraftvollle Gesang von Frontfrau Heidi Solheim, eine groovige Rhythmussektion sowie jede Menge Killer-Riffs von Espen.

Eine Saiten-Koryphäe, die sich als ebenso eloquenter wie redseliger Gesprächspartner erweist.

Interview

Espen, ,Road Back To Ruin‘ ist das bislang abwechslungsreichste Album eurer Karriere – wie kommt‘s?

Das würde ich so unterschreiben. Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir auf diesem Album viel freier waren – wir haben nicht so sehr darüber nachgedacht, eine bestimmte Art von Musik abzuliefern, sondern haben einfach das gemacht, was in uns steckt und was wir mögen.

Vieles hat sich so ergeben. Heidi hat eine Menge Texte geschrieben und die Band hatte etliche Ideen. Dadurch haben wir fast 20 Songs aufgenommen, die unterschiedliche Genres abdecken. Aber obwohl es so vielseitig ist, klingt es in meinen Ohren immer nach Pristine. Es ist der Sound, der auf unserem Zusammenspiel basiert.

Das neue Album wurde im Paradiso Studio in Oslo aufgenommen. (Bild: Espen Elverum Jacobsen)

Warum ist es euch so wichtig, Vintage-Equipment zu verwenden? Kann man das wirklich hören – im Gegensatz zu neuem Kram, der auf alt getrimmt ist?

Eine gute Frage. Ich denke, heute gibt es so viele gute PlugIns, dass man ein Album per Laptop aufnehmen und es trotzdem analog klingen lassen kann. Das ist durchaus möglich. Aber das Tolle am Paradiso-Studio, in dem wir aufgenommen haben, ist, dass da eine Menge Mojo herrscht – in all diesen alten Verstärkern und dem monströsen Outboard. Das transportiert ein Gefühl in deine Musik. Zumindest was mich betrifft. Mich inspiriert das.

Mit Heidi als Sängerin, Texterin und Haupt-Songwriterin: Wie funktioniert die Band eigentlich? Seid ihr Jungs nur ausführendes Organ? Und habt ihr keine Probleme damit?

Heidi kümmert sich um alle geschäftlichen Angelegenheiten der Band – sie ist also der Boss. Und sie schreibt sämtliche Texte. Diesmal ist sie extra nach London gereist, um dort zu arbeiten. Sie hat uns dann Demos mit improvisierten Lyrics geschickt. Die habe ich mir angehört, ein paar Ideen entwickelt und sie ihr zurückgeschickt. Dann haben wir uns getroffen und alles ausgearbeitet.

Hattest du nie das Verlangen, eigene Stücke beizusteuern – oder wäre das das Ende der Band?

Auf keinen Fall! Auf den letzten Alben hatte ich durchaus eigene Ideen. Aber ich bin nicht der Typ, der gute Texte schreibt. Insofern hatte ich ein paar Gitarren-Momente, die ich einbringen wollte – ein paar Riffs und Licks –, aber dann haben wir halt gejammt und Songs daraus gemacht. Anschließend hat Heidi ihre Texte dazu verfasst. Und natürlich schreibe ich auch eigene Songs, die ich zur Seite lege. Meistens sind es eher Riffs und Ideen. Davon habe ich ein paar Hundert auf Halde. Aber ich habe nicht vor, ein Solo-Projekt zu starten. Ich bin wirklich zufrieden mit der Band und wie es bei uns läuft.

Kannst du von der Musik leben? Seid ihr als Band allein aus ökonomischen Gründen so produktiv?

Ich lebe seit den frühen 2000ern von der Musik. Bevor Pristine international veröffentlicht haben und getourt sind, war ich in einer Band namens Adjágas. Eine ganz andere Art von Musik: Nämlich Folk-Pop. 2014 haben wir uns getrennt – bis dahin hatte ich beide Bands gleichzeitig. Was bedeutet: Ich bin es gewohnt, viel zu reisen. (lacht) Und die letzten sechs oder sieben Jahre arbeite ich zudem als Manager in einem Studio in Tromsö, wo wir zum Beispiel das Sinfonieorchester für das neue Album aufgenommen haben. Es heißt Kysten Studio, das Küsten-Studio.

Was spielst du auf dem Album an Gitarren, Amps und Effekten, und inwiefern hat sich das im Vergleich zu früheren Produktionen verändert?

Seit dem ersten Album hat es sich gewaltig verändert. Damals habe ich nur eine Fender Strat verwendet. Und mittlerweile bin ich von Fender zu Gibson gewechselt. Einfach, weil ich weg wollte von diesem jingely Sound – hin zu etwas Direktem, Frontalem, das dir direkt ins Gesicht springt. Und die Hauptgitarre auf dem neuen Album ist dieselbe, die ich auch auf Tour verwende, nämlich eine Gibson Firebird 7. Es ist die erste Auflage des Custom Shops, also eine 99er Custom Shop. Das ist meine Hauptgitarre. Aber ich habe auch noch eine Gibson-Doubleneck für die zwölfsaitigen Sachen.

Espens Firebird VII Custom Shop von 1999
Espen mit seiner Doppelhals Gibson EDS-1275

Ein Hauch von Jimmy Page?

(lacht) Irgendwie schon. Außerdem greife ich noch auf eine akustische J-45 zurück. „Landslide“, der Song, der ein bisschen nach den Rolling Stones klingt, ist dagegen mit einer Telecaster gespielt.

Espens Tour Amp-Besteck: Ein 65-Amps-Producer-Top mit einer gerockten Marshall 4×12“ (Bild: Espen Elverum Jacobsen)

Was ist mit Verstärkern?

Auf diesem Album sind es mehrere. Wobei auf allen Stücken ein kleiner Fender am Start ist – ein Vibro-Champ mit fünf Watt. Ich baue auch meine eigenen Amps oder modifiziere sie zumindest. Bei dem 1967er-Vibro-Champ habe ich zum Beispiel den Lautsprecher und den Powertransformer gewechselt.

Der Transformer ist so etwas wie das Herz eines Gitarrenverstärkers. Und wenn er nicht genug Spannung in den Amp einfließen lässt, klingt er nicht so gut, wie er sollte. Von daher habe ich einiges investiert und Transformer von Mercury Magnetics in den Staaten gekauft. Die haben einen wirklich tollen Effekt: Die Amps klingen offener, man kann sie noch mehr belasten, das Letzte aus ihnen herausholen und der Sound ist einfach detaillierter.

Ich bin froh, dass ich auf die kleinen Verstärker zurückgegriffen habe. Mein Vibrolux hat 22 Watt und der Vibro-Champ fünf. Sie einfach aufzudrehen und mit den richtigen Mikrofonen und der richtigen Technik abzunehmen hat halt den Effekt, dass der Sound dann wahnsinnig groß ist.

Du setzt also auf einen natürlichen Klang?

Es sind auch eine Menge Effekte am Start. Für gewöhnlich stelle ich meine Verstärker so ein, dass sie genau an dem Punkt sind, an dem sie anfangen zu verzerren. Dann pushe ich sie mit diversen Pedals. Auf diesem Album sind es sieben oder acht Fuzz-Pedals. Einfach, weil ich einen Fetisch dafür habe. (lacht)

Das Tour-Pedalboard (Bild: Espen Elverum Jacobsen)

Hast du sie auch auf Tour dabei?

Ja, auf der letzten Tour hatte ich nahezu alles dabei, was ich besitze. Und für dieses Album habe ich mir einen originalen Tonebender aus den 60ern zugelegt. Ein Pedal, das sehr häufig zum Einsatz kam. Und ich habe etliche Pedals von einer englischen Firma namens Hudson Electronics gekauft. Von einem Typen namens Michael Hudson, der Fuzz-Pedale in seiner Garage baut. Sie sind wirklich nett – und ein wichtiger Teil meines Sounds. Genau wie das Solid State Tape Echo vom Fulltone. Ein Replika des alten Echoplex.

Wie nerdy bist du als Sammler?

Ziemlich. (lacht) Das erste, was ich mache, wenn ich die Tourdaten in die Finger kriege, ist, nach lokalen Musikläden in den einzelnen Städten zu googeln. Was bedeutet, dass ich der Albtraum eines jeden Busfahrers bin, weil ich ständig frage, ob noch irgendwo Platz ist – für Pedals, Amps, was auch immer. Ich sammle schon so lange Equipment, wie ich Gitarre spiele. Und als ich vor ein paar Monaten mal durchgezählt habe, waren da 69 Pedale. Ich weiß nicht genau warum, aber ich interessiere mich einfach für Röhrenverstärker und Pedals.

Was ist mit Gitarren – oder kaufst du mehr Pedals als Instrumente?

Nein, es dreht sich alles um Gitarren. Es ist nur so, dass ich seit einiger Zeit glücklich mit dem bin, was ich habe. Es gibt momentan keine Gitarren, die ich unbedingt besitzen müsste. Aber von Pedals bekomme ich nie genug und es tauchen ständig neue auf, die ich gerne ausprobiere. Ich kann sie nicht ignorieren.

Eine ganze Batterie Tour-Gitarren (Bild: Espen Elverum Jacobsen)

Diskographie:

  • Make Way (Eigenvertrieb, 2008)
  • Detoxing (Blues News Records, 2011)
  • No Regret (Eigenvertrieb, 2013)
  • Reboot (Pristine Music/Cargo, 2016)
  • Ninja (Nuclear Blast/Warner, 2017)
  • Road Back To Ruin (Nuclear Blast/Warner, 2019)

Gitarren:

  • Fender Stratocaster Custom, modified by The Memphis Guitar Spa
  • Gibson 1956 Les Paul Goldtop Reissue CS
  • Gibson 1958 Les Paul Custom Shop R8
  • Gibson Firebird VII Custom Shop 99
  • Gibson EDS-1275 Custom Shop

Amps:

  • Fender Vibrolux
  • Fender Vibro-Champ
  • Valco Supro Supreme (1948)
  • 65 Amps Producer EL

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)

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