Fünf-Gänge-Menü auf Sterne-Niveau

Interview: Generation Axe

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(Bild: Daniel Gray)

Steve Vai, Nuno Bettencourt, Zakk Wylde, Yngwie Malmsteen und Tosin Abasi. Fünf Weltklasse-Gitarristen in einem Lineup? Tatsächlich! Generation Axe hat Mastermind Steve Vai sein „guitar-as-guitar-can“-Spektakel getauft, dessen gefeierte Touren zeigen, dass die Stromgitarre noch lange nicht fertig hat.

Zugegeben, ziemlich martialischer Titel: ‚The Guitars That Destroyed The World: Live In China‘ – der erste Longplayer des prominenten Gitarrenquintetts, dessen Protagonisten kaum unterschiedlicher sein könnten: Steve Vai, der elegante Alien-Rocker, Nuno Bettencourt, der lockere Funk-Rock-Master, Zakk Wylde, das kompromisslose Riff-Monster, Yngwie Malmsteen der virtuose Neo-Klassiker und Tosin Abasi, der progressive Experimental- Metaller. Die Liebe zum Instrument eint sie alle. Dennoch haben alle einen unverkennbaren Stil entwickelt und ihr Spiel auf höchstem Niveau etabliert, alle werden von einer weltweiten Fan-Gemeinde begleitet. Das brachte Steve Vai 2016 auf eine Idee…

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Heute, drei Jahre später geben die Herren Vai, Bettencourt und Abasi bereitwillig Auskunft, nur Zakk Wylde und Yngwie Malmsteen müssen beim Gipfeltreffen leider passen, da sie schon wieder auf Tour sind.

Steve, wie entstanden Idee und Konzept zu Generation Axe?

Steve Vai: Die Idee entstand durch G3, dieses fantastische Projekt mit Joe Satriani plus jeweils einem wechselnden Gitarristen. Ich hab eine Menge G3-Touren mitgespielt und es war immer eine großartige Erfahrung und eine Menge Spaß. Im Grunde sind das drei Gitarristen mit ihren Bands und drei eigenen Shows, plus gemeinsamer Jam-Session. Irgendwann dachte ich, ob es nicht interessant sein könnte, ein Konzept für fünf Gitarristen mit nur einer Band auszuarbeiten. Fünf Gitarristen, die einzeln, aber auch gemeinsam Spielen, eigene Tracks, aber auch Rock-Klassiker, die Solo-Spots haben und gemeinsam jammen?

Als wir das erste Mal zusammenkamen, haben wir uns gefragt, ob das funktionieren kann. Kann es musikalisch klappen? Werden wir zusammen auf Tour gehen? Wir fünf gemeinsam in einem Tourbus? Fünf sehr eigenwillige Charaktere? Am Anfang stand ein großes Fragezeichen. Aber die Idee, die über allem Stand, hat letztlich alle Zweifel weggewischt. Jeder hatte eine klare Vision, was wir erreichen könnten, wenn wir das gemeinsam als Band angehen. Einige nennen uns eine „Supergroup“, ein Begriff, mit dem ich Schwierigkeiten habe. Aber die Art, wie wir uns entwickelt haben, könnte mich kaum glücklicher machen.

Könnt ihr den Ablauf einer Show mal erklären? Die dauert ja mitunter schon mal dreieinhalb Stunden!

Nuno Bettencourt: Genau. Und Steve spielt davon drei Stunden allein!

Steve Vai: Und dann kriegt jeder der anderen einen fünfminütigen Spot! (beide lachen)

Nuno Bettencourt: Aber ernsthaft, es ist großartig eine Show komplett instrumental zu bestreiten, ganz ohne Gesang. Bei uns übernehmen die Gitarren die Kommunikation. Und es gibt eine Menge zu entdecken! Es geht eine Menge verrückter Scheiß ab, über den du staunen oder nachdenken kannst, falls du selbst Gitarre spielst. Ich hab bislang immer in Vocal- Bands gespielt und fand es eher schwierig ein längeres Solo in einem Song hinzulegen, geschweige denn, jetzt eine ganze Show damit zu tragen! Ich hab deswegen das G3-Konzept immer bewundert und mich aber auch gefragt, ob ich als Gitarrist so viel zu geben, so viel zu sagen hätte! Als mich Steve aus dem Nichts anrief und mir sein Konzept erklärte, dass wir als Band ein gemeinsames Set bestreiten, uns gegenseitig unterstützen und obendrein auch jeder einen eigenen Part haben sollte, war ich begeistert! Jeder von uns ist seit vielen Jahren als Profi unterwegs. Wir wissen, was wir können. Wir wissen auch, was die anderen können. Aber hier geht es darum, uns gegenseitig zu unterstützen und dann zu sehen, was passiert wenn wir zusammen spielen, mit unseren unterschiedlichen Sounds, Stilen und Charakteren. Ich ziehe meinen Hut vor Steve, der das Konzept ausgearbeitet hat.

Alles im Blick: Projektleiter Steve Vai (Bild: Daniel Gray)

Steve Vai: Ich liebe es nun mal, Gitarren zu arrangieren. Sie klingen zusammen einfach wundervoll. Ich hatte es noch nie erlebt, dass sich fünf Gitarristen harmonisch ergänzen mit clever auskomponierten Parts. Der Sound, wie wir fünf zusammen klingen, ist eine Erfahrung, die ich so noch nie erlebt habe und nie vergessen werde. Wundervoll! Einzigartig! Es ist eine sehr vitale, virtuose ‚Guitar Extravangaza‘! Es ist wie ein Traum. Als ob du dir als Jugendlicher vorstellst, mit all deinen Lieblingsgitarristen in einer Band zu spielen! (lacht)

Das Konzept soll den Fans zeigen, dass ihr nicht nur verkopfte Virtuosen seid, sondern auch richtig Spaß haben könnt. Ein Aspekt der dir, Steve, sehr wichtig war.

Steve Vai: Absolut! Das ist ein Aspekt, der bei aller Professionalität gern übersehen wird. Das hat viel mit Psychologie zu tun. Wir spielen eigene Songs, es gibt durchkomponierte Parts, und völlig freie Jams. Ich mag alle Formate. Doch die freie Form reizt mich am meisten. Nimm zum Beispiel ‚Highway Star‘: ich schaue, was die anderen spielen, irgendwann bin ich dran. Ich lege mir nichts zurecht, sondern spiele einfach drauflos. Ich will einfach sehen was passiert. Das ist das tolle daran, mit Giganten zu spielen: Wenn du mithalten und selber daran wachsen willst, gibst du das Beste was du drauf hast. Jede Show ist anders.

Tosin Abasi: Die ganze Band ist in der Improvisation unschlagbar gut. Ich kann oft kaum glauben, wie weit wir uns vom Song wegbewegen und dann doch wieder zurückfinden. Ich finde es extrem mutig, sich so weit vorzuwagen. Ich mache mir oft Gedanken, was ich spielen könnte, aber die wirkliche Freiheit ist, loszulassen und sich und den anderen zu vertrauen. Ich habe viel durch diese Musiker gelernt.

Ihr seid sehr unterschiedliche Musiker und Charaktere. Geht es auch darum, die Vielseitigkeit der Sounds und Stile der Rock-Gitarre zu zeigen?

Steve Vai: Jeder trägt durch seine Persönlichkeit zum Gesamtergebnis bei, ganz klar. Jeder von uns hat seine individuelle Stimme, die er einbringt durch seine Gitarre, Amps, Effekte und nicht zuletzt durch seine Songs. Jeder besitzt seine Integrität und bringt sie ein, mit seinem Ton, den er über die Jahre kultiviert hat. Sicher, im Grunde machen wir alle das Gleiche. Wir schlagen Saiten an, greifen, ziehen, artikulieren Töne. Aber unsere Herangehensweisen unterscheiden sich. Selbst wenn wir alle die gleiche Note spielen ist das Vibrato anders, die Klangfarbe, ihr Charakter. Jeder hat seine Vorlieben, aber jeder besitzt so viel Klasse, dass du bei uns ein Fünf-Gänge-Menü auf Sterne-Niveau bekommst! Und auf dieser Ebene untereinander konkurrieren zu wollen, hieße, zu sagen, mein Apfel schmeckt besser als deine Orange! Es macht keinen Sinn! (lacht) Und darum geht es auch nicht.

Zakk mit seinem Wylde Audio SG/Flying-V-Hybrid (Bild: Daniel Gray)

Nuno Bettencourt: Als wir uns das erste Mal trafen, dachten wir, wir wüssten, was jeder macht. Ah, das ist Yngwie! Ich kenn seine Platten. Und das ist Zakk. Aber wenn du im Proberaum neben seiner Box stehst und seinen Ton spürst, denkst du – wart mal ne Sekunde – ist das wirklich Zakk Wylde? Jetzt hab ich ihn zum ersten Mal verstanden! Und das da drüben ist Yngwie, von dem ich immer glaubte zu wissen, wie er tickt! Und das ist Yngwie wie er wirklich ist! Sein Genie! Seine Kraft! Sein Können! So staunten wir uns alle mit großen Augen an und dachten: Das was der macht, könnte ich niemals spielen! What the fuck is he doing? (lacht) Da war auf einmal jedem klar: Ich muss einfach nur ich selbst sein! Ich muss das machen, was ich am besten kann und was mich als Musiker ausmacht. Eine wirklich essenzielle Erkenntnis!

Neo-Klassiker und High-Speed-Shredder Yngwie Malmsteen (Bild: Neil Limsang)

Steve Vai: Immer, wenn ich neben einem der anderen stand und ihm beim Spielen zusah, war das wie ein Bildungsprogramm. Ich war total inspiriert. Wenn ich zum Beispiel Tosin zuschaute, staunte ich, weil ich gar nichts davon spielen könnte!

Nuno Bettencourt: Keiner von uns könnte das! (lacht)

Steve Vai: Das spannende ist, das in Einklang mit meinen Fähigkeiten zu bringen. Jeder von uns besitzt ganz besondere Fähigkeiten, wenn er sein Potential ausschöpft. Ich könnte Nuno die ganze Nacht ‚Midnight Express‘ spielen sehen. Er ist konzentriert, musikalisch, menschlich, einfach wundervoll. Und ich könnte das niemals spielen!

Gab es Überlegungen auch Gitarristen mit einer Affinität zu Jazz, Country oder Blues einzubinden?

Steve Vai: Ich will jetzt nicht arrogant klingen und das ist auch nur meine unmaßgebliche Meinung: Du wärest überrascht, wie wenig Musiker in diese Band passen würden! Ich denke, dies ist das perfekte Line-Up. Um hier rein zu passen, musst du die richtige Zutat für unser Süppchen sein! Ich hab mir das Hirn zermartert, um die richtige Konstellation zu finden, musikalisch, kreativ, menschlich. Als ich das Konzept entwickelte, überlegte ich tatsächlich, ob es verschiedene Genres umfassen könne – Rock, Blues, Jazz, Fusion. Ich schrieb eine Liste mit meinen Lieblingsgitarristen auf, ungeachtet ihrer Genres. Ich endete mit 40 Namen. Aber ich bin nun mal Rock-Gitarrist und entschied, in diesem Genre zu bleiben. Und die ersten vier Namen, von denen ich glaubte, dass sie eine interessantes Line-Up ergeben würden, hört ihr hier. Sie sind Meister am Instrument, handwerklich über jeden Zweifel erhaben und haben in ihrer Karriere einen großen Teil zur weltweiten Gitarren- Community beigetragen. Sie haben eine eigene Handschrift mit ihrem Instrument entwickelt.

Gab es auch Überlegungen Damen einzubeziehen wie Oritanhi, Jennifer Batten, Nita Strauss oder Lita Ford?

Nuno Bettencourt: Bevor wir jetzt einen neuen Hashtag schaffen und von aller Welt gehasst werden: egal mit wem ich mich unterhalten habe, es ging nie um die Geschlechterfrage! Es ging nur um die Musik. Ich habe nichts gegen Frauen. Niemand von uns! Es gab auch keine Überlegung Tosin mitzunehmen, weil er Afroamerikaner ist. Tosin ist bei uns, weil er ein toller Musiker ist und etwas anzubieten hat, auf seinem Instrument.

Tosin Abasi konzentriert beim Two Hand Tapping (Bild: Daniel Gray)

Steve Vai: Sehe ich genauso. Es liegt uns total fern Frauen zu diskriminieren. Alle Musikerinnen, die du genannt hast, sind Vollprofis, haben unzählige Touren gespielt und waren mit Männern in einem Tourbus unterwegs und haben sich sogar Garderoben geteilt. Hier ging es einfach nur um die Musiker, die am besten passen würden.

Wie lange hat es gedauert das Material festzulegen und wie lange haben die Proben gedauert?

Nuno Bettencourt: Ich lass das gleich mal Steve beantworten. Nur kurz: wir sind alle lange im Geschäft. Wir sind erfahrene Profis. Da sagt man gerne: OK Steve, dann schick mal einen Song rüber. Ich spiel was dazu und wenn wir uns treffen, nagel ich meinen Part schon, keine Sorge! (lacht) Steve war unser Professor, Arrangeur und Supervisor.

Steve Vai: Jeder von uns spielt lange genug in Bands und ist es gewohnt, sich auf Studio- und Tour-Jobs vorzubereiten. Und jeder hat gern eine bestimmte Komfortzone, ein gewisses Level an Sicherheit, bevor es an die Proben geht. Ich mag das jedenfalls so. Wenn ich zu einer Probe bestellt werde, will ich die Songs kennen und vorher in meinen Händen gehabt haben, wie ich es nenne. Damit also jeder von uns mit einem guten Gefühl zu den Proben kam, habe ich Setlisten erstellt und Arrangements verschickt. Das war eine ganze Menge Arbeit! Das stellte ich dann zur Diskussion. Als wir entschieden hatten, wie die Struktur einer Show aussehen soll, hatte natürlich jeder seine eigenen Songs drauf, musste jedoch die der anderen lernen. Am Anfang war das ein bisschen holperig, aber jeder ist Profi genug, um daran zu arbeiten bis die Tour losging. Nimm allein ‚Bohemian Rhapsody‘. Was für ein Monster-Song!

Nuno Bettencourt: Steve hat mich übrigens verarscht. Am Anfang versprach er, der Song käme nicht auf die Setlist! (lacht)

Steve Vai: Als wir uns im Mates Rehearsal Space in North Hollywood trafen, war jeder vorbereitet, denn die Zeit war extrem knapp bemessen. Jeder hatte sein Zeug drauf, es kam darauf an, die Klassiker wie ‚Frankenstein‘ zu proben, beziehungsweise Duette auszuarbeiten, etwa zwischen Nuno und Tosin oder Yngwie und mir. Als wir auf Tour gingen, waren alle gut vorbereitet. Auch wenn wir auf der ersten Tour ‚Bohemian Rhapsody‘ nicht gespielt haben! (lacht) Während der Tour haben wir die Setlist nochmal kräftig umgestellt. Zum Glück sind alle sehr kreativ. Wir haben auch viel diskutiert und alles als Band beschlossen. Und das war gut so. In der Vergangenheit war ich bei vielen Projekten derjenige, der kreativ sein und Ideen liefern musste, bis ich das Gefühl hatte, die Ideen der anderen wären sowieso nicht gut genug oder würden nicht funktionieren. I am the one! (lacht)

Du bist halt – wie ihr alle – ein Alpha- Männchen!

Steve Vai: Stimmt. Die Karte spiele ich nur nicht permanent aus. Ich bin auch ein guter Sideman. Aber in der Arbeit mit den anderen stellte ich fest, dass sie großartige Ideen einbringen. Ich brauchte nur zuhören. Und wenn ich mal nicht weiter wusste, dachte ich: frag einfach Nuno!

Nuno Bettencourt: (lacht) Ich muss jetzt mal was loswerden: Steve hat sich eine Menge Gedanken gemacht, um uns das Arbeiten sehr komfortabel zu machen. Er hat Monate damit verbracht, Arrangements zu erstellen, hat alle Gitarren-Parts eingespielt, aufgenommen und uns zugeschickt, als volles Ensembles, aber auch von individuellen Parts, damit jeder von uns Anhaltspunkte hatte und einfach arbeiten konnte. Er hat uns wie ein Lehrer an die Hand genommen. Wir haben unfassbar viele EMails von Steve bekommen, von allen Songs. Diesen Teil lässt er, bescheiden wie er ist, immer weg. Das muss man an der Stelle aber mal hervorheben!

Ihr spielt neben eigenen Songs Klassiker wie Bostons ‚Foreplay‘, Edgar Winters ‚Frankenstein‘, Deep Purples ‚Burn‘, Jimi Hendrix‘ ‚Little Wing‘, und Black Sabbath‘ ‚War Pigs‘.

Nuno Bettencourt: Richtig. Da hörst du, wie wir als Band klingen. Es geht ja nicht darum, die anderen auszustechen, sondern ein gemeinsames Gespräch auf musikalischer Ebene zu führen. Diese Klassiker zeigen den Spaß den wir haben und warum wir das zusammen machen. Fünf Musiker, die wieder zu Kindern werden, weil sie das machen, was sie am liebsten tun: Jammen! Wie früher im Proberaum. Die Egos sind total ausgeblendet. Es macht nichts, wenn sich jemand verspielt. Es macht nichts, wenn jemand herumalbert. Das Publikum reagiert darauf fantastisch. Wenn wir uns nach den Shows mit den Fans unterhalten, sagen viele: Eigentlich bin ich nur wegen Steve gekommen, die Musik der anderen kannte ich gar nicht. Aber jetzt muss ich mir die unbedingt mal anhören!

Steve Vai: a Tribute to Hendrix (Bild: Daniel Gray)

Ihr habt eine gemeinsame Backing- Band. Nach welchen Kriterien habt ihr die Musiker ausgewählt?

Steve Vai: Gute Frage! Und eine sehr heikle dazu. Da wir Gitarristen im Vordergrund stehen, könnten diese Musiker denken, sie seien nur Staffage. Aber das ist nicht die Absicht. Allein die Unisono-Parts von Keyboard und Bass sind eine Herausforderung! Aber vor allem der Schlagzeuger besitzt eine zentrale Rolle. Das war die schwierigste Besetzung, denn er musste in der Lage sein, sehr divers zu agieren. Tosins Musik ist derart komplex, da braucht er seine gesamte Gehirnkapazität! Glaub mir, es gibt nicht viele die Tosins Musik verstehen.

Tosin Abasi: Nicht mal ich! (alle lachen)

Steve Vai: Und dann gibt es Schlagzeuger, die ungemein gut ausgebildet sind, sehr virtuos spielen können, aber keine Ahnung haben, wie man die Toms knallen lassen kann! Die sind dann meist keine Rock-Drummer! Aber das Schlagzeug ist nun mal das Rückgrat einer Rock-Band. Am Ende haben wir uns für Matt Garstka (Animals As Leaders) entschieden. Ich muss dazu sagen, die Jungs der Backing- Band hatten einen extrem harten Job. Brutal lange Proben, anstrengende Soundchecks und abends eine zweieinhalbstündige Show. Die Jungs müssen die ganze Zeit tight spielen und das körperlich durchhalten, während wir Gitarristen uns immer mal wieder zurücknehmen konnten. Finde mal einen Drummer, der das durchhält! Unglücklicherweise wurde das irgendwann zu viel für Matt. Er bekam Probleme mit seinen Handgelenken.

Nuno Bettencourt: Oh, ich erinnere mich noch an jenen Tag. Wie bitte? Wir spielen morgen eine Show und haben keinen Schlagzeuger? Find mal einen neuen Drummer während einer Tour! Und der auch noch Tosins hochkomplexe Songs draufhaben muss, genauso wie Yngwies Double-Bass-Drumming, meine Funk- Grooves, Zakks tonnensdchwere Monster- Riffs und Steves smarte Alien-Music. Eine echte Aufgabe!

Zakk Wylde in typischer Pose (Bild: Daniel Gray)

Steve Vai: Wir hatten verdammtes Glück. Matt empfahl uns einen jungen Schlagzeuger namens JP Bouvet. Und der hat’s wirklich drauf! Was für ein seltenes Talent! Er versteht sowohl komplexe Musik, als auch Rock-Drumming. Dazu kamen Keyboarder Nick Marinovich (Yngwie Malmsteen Band) auf der ersten Tour und danach Derek Sherinian (Dream Theater, Alice Cooper) auf der Asien-Tour. Bassist Pete Griffin (Steve Vai, Chick Corea, Frank Gambale) muss ich auch erwähnen, den ich für mich einen „Zappa-Musiker“ nenne, weil er ziemlich flexibel ist und alles spielen kann. Die meisten Bassisten bauen sich vor dir auf und sagen: Also das ist mein Bass, das ist mein Amp und das ist mein Sound. Bei uns muss er aber für fünf Gitarristen Sounds und Stile liefern!

Eure Instrumente, also Fender, Gibson, Ibanez, Washburn und Tosins eigene Gitarre zeigen gut eure Soundvielfalt.

Tosin Abasi: Ich denke, das ist eine schöne Auswahl an Instrumenten, die unsere Sounds repräsentieren. Yngwie hat ein Setup, das wirklich speziell ist. Zakk ist eher traditionell, Nunos Set hat spezielle Features. Steve hat ein Setup mit einer sehr eigenen Ästhetik und auch ich habe ein Rig, das genau auf meine Bedürfnisse zugeschnitten ist. Ich bin halt der Typ mit den vielen Saiten! (lacht) Jeder von uns spielte sein Set schon lange, aber hier ergänzt sich alles auf sehr erfreuliche Weise.

Steve Vai: Ich hab vor den Soundchecks jedes Instrument ausprobiert. Ich fühlte mich völlig verloren! Ich war komplett außerhalb meiner Komfortzone, also meiner Saitenlage, meiner Saitenstärke, meiner Halsform, meiner Whammy-Bar-Einstellung! Als ich Nunos Equipment ausprobierte, war das wie eine andere Welt. Und ich klang überhaupt nicht nach ihm! (lacht)

Tosin: Nuno, du hast doch auch mal so ein Erlebnis mit Van Halen gehabt, oder?

Nuno Bettencourt: Ja. Ich durfte mal bei deren Proben zuschauen und träumte davon, wie es wäre, wenn Edward mich fragen würde, ob ich mal sein Zeug ausprobieren wolle. Und er tat es tatsächlich! Seine originale Frankenstrat und sein Marshall-Amp! Und ich dachte: OK, Nuno, jetzt gibt’s keine Ausrede, nicht so zu klingen wie van Halen! Ich stöpselte mich ein und war völlig entsetzt: Ich klang einfach nur nach mir selbst! (lacht)

Steve Vai: Ich hab diese Erfahrung mal mit Brian May gemacht. 1980 wurde ich durch Zufall zu einem Queen-Soundcheck ins Rainbow eingeladen. Ich kannte alle Queen-Songs, Brians Spielweise, überhaupt alles. Und da stand ich dann, nachdem mir Brian seine „Red Special“ in die Hand gedrückt hatte. Ich konnte die Gitarre kaum spielen. Und klang vor allem überhaupt nicht nach Brian May! (lacht)

Wie sehen eure Rigs denn im Detail aus?

Steve Vai: Ich habe als wichtigste Gitarre „Flo“ dabei, dazu drei, vier weitere Ibanez-Gitarren weil wir verschiedene Tunings benutzen. Mein Signal geht ins Pedalboard mit einem Wah-Wah, einem Whammy-Pedal und einem Jemini Distortion als wichtigste Komponenten. Das Signal geht weiter in einen Carvin Legacy VLD1 Preamp, dessen Output geht in ein Fractal AXE FX, wird stereo gesplittet in eine Power-Endstufe und zwei 4×12- Boxen, sowie zwei-2×12 Boxen, die ich als Monitore nutze.

Steve Vai mit seiner Nr.1-Gitarre „Flo“ (Bild: Daniel Gray)

Tosin Abasi: Ich spiele meine Abasi-8- String über das komplette Set. Ich nutze ja keine alternativen Tunings. Mein Signal geht in einen SW50R Morgan Head, der hat wirklich einen Monster- Sound! Für meine Rhythmus- und Lead-Sounds benutze ich mein Abasi Pathos Distortion, das ich mit Brian Wampler entwickelt habe, der gibt mir einen wirklich fetten Sound. Für Delays setze ich ein Strymon Time Line und für Reverb ein Strymon Big Sky ein. Dazu ein Horizon Devices Precision Drive für extrafette Leads und ein Carl Martin Octa-Switch MK3 mit dem ich meine Presets programmiere.

Nuno Bettencourt: Ich spiele meine Washburn N4, die ich nun schon fast 30 Jahre habe direkt in meinen Marshall JCM 2000 DSL 100 Watt mit einer 4×12“-Box aus der 900er-Serie. An Effekten spiele ich ein RAT-Distortion das konstant durchläuft. Das macht gar nicht viel, außer, dass ich mich gut fühle, einfach weil es da ist! (lacht) Aber ernsthaft, es macht die Bässe schön straff, was meiner perkussiven Spielweise entgegenkommt. Effekte benutze ich generell sparsam über mein Boss-GT-8-Multieffektgerät. Da hab ich ein Preset mit Chorus, eins mit Flanger, eins mit Delay und einen Sound für Leads, damit ich mich besser höre … und endlich mal lauter bin, als Steve und Yngwie! (lacht)

Nuno mit seinem ca. 30 Jahre alten Washburn-Signature-Modell (Bild: Daniel Gray)

Da ihr alle Distortion-Sounds habt: wie wichtig war es im Vorfeld, Amps oder Effekte abzustimmen?

Steve Vai: Wie schon gesagt, hat jeder von uns einen ganz eigenen Ton. Da ist zunächst mal nicht so wichtig, wie viel Distortion im Ton ist, solange es gut klingt. Natürlich haben wir uns ein wenig abgestimmt, mehr jedoch beim Thema Feedback. Das bedurfte ein bisschen Feinjustierung. ‚Bohemian Rhapsody‘ kannst du nicht volles Rohr rausblasen, das wäre einfach zu viel. Für den Song war es wichtig, eine gute Balance zu finden. Aber sonst gilt bei uns: ‚balls to the wall‘!

Welchen Stellenwert haben Jams und Improvisation?

Tosin Abasi: Als Steve das Konzept entwarf, plante er natürlich Zeit für spontane Interaktion ein. Heute ist das ein wesentlicher Bestandteil der Show. Als Kontrast baute Steve diese Rock-Klassiker ein. Doch die Magie passiert bei den ungeplanten Parts und davon gibt es eine Menge. Ich finde das sehr cool, obwohl ich mich nicht als Player sehe, dessen Stärke in der Improvisation liegt. Aber es macht unheimlichen Spaß! Inzwischen haben wir eine Menge Shows gespielt und ich erkenne da ganz klar eine Entwicklung. Und es ist richtig cool, zuzuschauen was passiert, wenn zum Beispiel Steve mit Yngwie jammt.

Abgesehen von Musik, Spaß und Freundschaft, was hat jeder von euch am Ende für sich rausgezogen?

Nuno Bettencourt: Man lernt viel, wenn man mit anderen Menschen zusammen arbeitet. Jeder Musiker ist ein Philosoph in eigener Sache. Ich habe gelernt zu akzeptieren, wer wir sind. Einer hat vielleicht eine sehr direkte, offensive Art zu kommunizieren. Ein anderer ist vielleicht zurückhaltender. Das öffnet einem die Augen und hilft dir, jeden so zu nehmen wie er ist, als Mensch und Musiker. Ich bin schon eine Weile unterwegs, habe viel erlebt, einige Platten eingespielt und Touren absolviert. Und ich kann ehrlich sagen, dass durch Generation Axe mein Enthusiasmus und meine Lust auf Musik wieder gewachsen sind! Mit den Jahren wirst du abgeklärter, erwachsener, machst vieles kalkulierter. Aber durch diese Band bin ich wieder zum Teenager geworden! Ihr werdet es auf dem kommenden Extreme- Album hören! Hey – hat Nuno etwa Gitarren- Viagra geschluckt? (alle lachen)

Nuno Bettencourt schwingt bei einigen Songs auch die Akustik-Gitarre. (Bild: Daniel Gray)

Tosin Abasi: Ich hatte am meisten zu lernen, denn die anderen sind ja schon seit Jahrzehnten unterwegs und haben viel mehr Erfahrung. Abgesehen davon, dass ich nie gedacht hätte, mal mit ihnen die Bühne zu teilen! Steve, als Vaterfigur, auch hinter den Kulissen, hat nie seine Vision aus den Augen verloren. Außerdem hab ich die unterschiedlichen Herangehensweisen von allen lernen können. Das war ungemein aufschlussreich.

Steve Vai: In einer Karriere durchlebst du viele Gefühlswelten und stellst dir haufenweise Fragen. Wie klinge ich? Wer hört sich meine Musik an? Was sagen die Fans über mich? Ich habe im Laufe der Jahre verstanden, dass all diese Gedanken legitim sind. Aber was wirklich zählt, sind die Menschen, die du auf dem Weg kennenlernst und die Verbindung die du mit ihnen eingehst. Das ist das, was bleibt. Das ist Lebensqualität! Auf dieser Tour durfte ich vier ganz unterschiedliche Menschen kennenlernen. Als ich die Idee damals mit Freunden besprach, hielten mich alle für verrückt. Sie meinten, ich würde diese Stars niemals für eine Tour zusammenkriegen und schon gar nicht mit ihnen gemeinsam in einem Tour-Bus durch die Gegend zuckeln! Ich aber hatte keine Zweifel! Klar, jeder von uns hat eine andere Persönlichkeit, einen anderen Charakter. Jeder drückt sich anders aus. Aber wie Nuno schon sagte: Wenn du jemand so nehmen kannst wie er ist, erlaubst du ihm so zu sein, wie er wirklich ist! Was wir alle gemeinsam haben, ist ein ausgeprägter Sinn für Humor. Das war etwas auf das ich gehofft hatte. Unsere erste Tour war noch verhalten, da waren alle noch sehr vorsichtig, nichts falsches zu sagen und niemandem zu nahe zu treten. Aber schon auf der zweiten Tour war die Stimmung großartig! Humor und Kreativität sind zwei unschlagbare Werte. Ich war in vielen Bands, habe mit netten Menschen gearbeitet und mit totalen Ego-Maniacs. Aber in dieser Band habe ich das Gefühl zu Hause zu sein.

2016 wart ihr in den USA unterwegs, 2017 in Asien, 2018 noch einmal in Nordamerika. Wann ist Europa dran?

Nuno Bettencourt: Wir wollen überall spielen, in Europa, Südamerika, einfach überall. Aber ich schaff es kaum, mit fünf Freunden in L.A. ins Kino zu gehen. Doch diese Tour werden wir hinkriegen!

Steve Vai: Jeder von uns hat viele andere Verpflichtungen, aber wir versuchen, unsere Terminpläne abzugleichen, um die nächste Tour klarzumachen. Wir werden nach Europa kommen. Versprochen!

Die Gitarre wird ja immer wieder totgeschrieben. Da ist Generation Axe eigentlich das perfekte Gegenbeispiel, oder?

Steve Vai: Also ich kann das nicht feststellen. Im Gegenteil: Die Verkaufszahlen für Gitarren des Guitar Centers haben in den USA sogar angezogen.

Nuno Bettencourt: Die Kids, die zu unseren Konzerten kommen, stellen fest, dass es nicht nur um die Gitarre geht, sondern um die ganze Kultur die damit verbunden ist. Klar, wenn ich ins Publikum frage, wer Gitarre spielt, sind fast alle Hände oben! (lacht) Und ich sage den Fans, dass das coole das Spielen selbst ist. Egal, ob du für deine Freundin auf dem Sofa spielst, in einer Cover-Band in kleinen Clubs oder mit Kumpels in deiner Garage. Es geht nicht darum, wie viele Alben du verkaufst. Es geht um den Spaß! Nichts anderes bringt mir persönlich solche Zufriedenheit. Nicht das Geld und nicht der Ruhm. Das alles macht nicht glücklich, die Probleme bleiben trotzdem. Die beste Zeit hast du, wenn du mit Freunden Musik machst. Das ist es, was zählt! Spiel Gitarre aus Liebe zur Musik!

Vielen Dank fürs Gespräch!


Discografie

  • The Guitars That Destroyed The World: Live In China (2018)

www.generationaxe.com

 

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2019)

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