Im Interview

Dion: Große Namen für den Blues

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(Bild: David Godlis)

‚The Wanderer‘ machte ihn 1961 weltberühmt. Knapp sechs Dekaden später ist der gebürtige New Yorker noch immer aktiv. Für sein aktuelles Album ‚Blues With Friends‘ konnte er Top-Gitarristen wie Jeff Beck, Brian Setzer oder Billy Gibbons gewinnen. Wie es dazu kam und was Joe Bonamassa mit der ganzen Sache zu tun hat, erzählte uns der 81-Jährige mit viel Elan und Euphorie.

INTERVIEW

Dion, auch wenn ich dieses Interview für ein Gitarrenmagazin führe: Kompliment für deinen Gesang. Er klingt immer noch so gut wie zu Beginn deiner Karriere. Wie hältst du deine Stimme fit?

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Ich lebe gesund und passe auf mich auf. Rauchen, Trinken und Drogen sind seit 52 Jahren passé. Ich denke, das hat damit etwas zu tun.

Außerdem musst du ein glücklicher Mensch sein. Für ‚Blues With Friends‘ hast du jede Menge herausragende Gitarristen gewinnen können. Dazu kommen Weltstars wie Paul Simon, Van Morrison, John Hammond und Bruce Springsteen mit Patti Scialfa sowie Stevie Van Zandt. Eine beeindruckende Liste.

Stimmt, das Leben ist gut zu mir. Ich habe tolle und sehr talentierte Freunde – und eine Frau, die mich liebt, an meiner Seite. Wir sind seit 57 Jahren verheiratet. Für all das bin ich sehr dankbar.

Paul Simon & Dion (Bild: KTBA)

Du hast schon früher Blues-Alben aufgenommen, etwa ‚Bronx in Blue‘ aus dem Jahr 2006. Was war der Auslöser für ‚Blues With Friends‘?

Das hätte ich nicht planen können, selbst wenn ich gewollt hätte. Ich hatte diese 14 Songs geschrieben und zwei freie Monate in meinem Terminplan. Ich dachte mir: „Nimm sie auf, mal schauen, was daraus werden kann.“ Direkt die Straße runter fand ich einen Produzenten namens Wayne Hood. Ich hatte zuvor noch nie mit ihm gearbeitet. Wir gingen in das kleine Studio in seinem Haus, nach drei Tagen hatte ich alle 14 Nummern auf Band. In der gleichen Woche ergab es sich, dass Joe Bonamassa mich besuchte.

Dion mit dem Produzenten des neuen Albums Wayne Hood (Bild: KTBA)

Er sagte: „Ich würde gerne auf ‚Blues Comin‘ On‘ spielen.“ Das habe ich gerne angenommen. Allerdings hatte ich niemals daran gedacht, dass er Slide spielen würde. Was er tat, beeindruckte mich sehr – und zeigte mir, wie limitiert ich bin, was meine Überlegungen für die finalen Versionen der Songs betrifft. Man kann durchaus sagen, dass er die Vision entfacht und damit die Idee für das Album aufgebracht hat.

Dion und Joe Bonamassa (Bild: KTBA)

Sobald er seinen Part eingespielt hatte, dachte ich mir: „Ich frage Billy Gibbons, ob er auf ‚Bam Bang Boom‘ spielen will.“ Es fühlte sich so an, als ob er auf diesen Song gehört, denn die Nummer geht in Richtung John Lee Hooker. Gibbons ist wie John Lee Hooker auf Steroiden. Ich schickte es also an Billy, und er mochte es.

Das muss dir Auftrieb gegeben haben …

Oh ja. Ich hatte diese Ballade namens ‚Can’t Start Over Again‘ und fragte mich: „Wer könnte darauf spielen?“ Die Antwort lag auf der Hand: Jeff Beck. Er ist der einzige Gitarrist, der mich zum Weinen bringen kann. Ich hörte ihn, wie er Puccinis Arie ‚Nessun Dorma‘ (aus der Oper ‚Turandot‘) gespielt hat. Der Mann hat Magie in seinen Händen. Jeff Beck ist so etwas wie der Gold-Standard. Als er ja sagte, dachte ich mir: „Ich bin auf dem richtigen Weg.“ Also habe ich einfach weitergemacht. Es war, als würde ich eine Welle reiten. Fast jeder Angefragte hat zugesagt. Und jeder Einzelne hat mich beeindruckt. Sie alle haben etwas beigetragen, das faszinierend war, und dazu sehr markant und charakteristisch.

Hast du irgendwelche Vorgaben gemacht?

Nein, auf keinen Fall. Ich habe keinem der Gitarristen auch nur das Geringste vorgegeben. Das hätte ich auch gar nicht gekonnt. Wer etwa sollte Brian Setzer sagen, was er zu spielen hat? Der einzige, der das kann, ist er selbst. Wir schickten ihnen also die Backingtracks, die Wayne und ich aufgenommen hatten, ihre Parts haben sie daraufhin komplett eigenständig erdacht und draufgespielt.

Gab es auch Absagen?

Ein paar. Ich habe Eric Clapton und auch Kenny Wayne Shepherd gefragt, ob sie auf ‚What If I Told You‘ spielen könnten, doch sie waren anderweitig beschäftigt. Auch Bonnie Raitt musste absagen. Ich hätte sie gerne für ‚I Got The Cure‘ gehabt. Sie schrieb mir einen Brief, an dem sie zwei Tage gesessen haben muss, so lang war der – alles nur, um sich zu entschuldigen. Aber dann kam mir Sonny Landreth in den Sinn. Ich dachte mir: „Er ist perfekt für diese Nummer.“ Wir haben gerade ein Video davon veröffentlicht, wie er auf ‚I Got The Cure‘ spielt. Das ist faszinierend anzuschauen.

Doch nicht nur populäre Gitarristen sind auf ‚Blues With Friends‘ vertreten. Du hast auch berühmte Gesangspartner, etwa Van Morrison.

Van ist ein guter Freund. Eigentlich war mein Gedanke, dass er ein Saxofon-Solo beisteuert, denn er spielt heute besser als je zuvor. Aber er wollte lieber mit mir singen. Ich hatte dieses Lied ‚I Got Nothin’‘. Die schöne Sache an dieser Geschichte ist: Meine Frau ist ein absolutes Van-Morrison-Groupie. Sie steht total auf Van, er ist ihr Lieblingssänger. Wenn du in ihren Wagen einsteigst, liegen dort zwölf Van-Morrison-CDs rum. Nach dem Duett mit ihm bin ich für meine Frau der Größte. Das sollte für weitere 30 Jahre Einklang in unserer Ehe reichen.

Auch mit Paul Simon bist du wiedervereint. Wie kam es dazu?

Paul und ich kennen uns schon seit vielen Jahrzehnten. Wir kommen beide aus New York, sind beide Doo-Wop-Fans. Wenn wir zusammen essen, fällt immer wieder der Name Sam Cooke. Ich sagte ihm: „Paul, ich habe vor langer Zeit diesen Song geschrieben, ihn aber nie aufgenommen.“ Letztes Jahr sah ich den Film ‚Green Book‘ (handelt von einem farbigen Pianisten und seinem weißen Fahrer in den Zeiten der Rassentrennung und ist voller R&B- und Jazzmusik), da dachte ich mir: „Ich staube die Nummer besser ab.“

Du hast Sam Cooke persönlich gekannt.

Ich bin sechs Wochen mit ihm unterwegs gewesen, wir haben 1962 zwei Touren zusammen gemacht. Sam war der Sohn eines Priesters und ein sehr intelligenter, kultivierter Kerl. Ich sah ihn in vielen Situationen im Süden, die sehr hässlich waren. Ich fragte ihn: „Sam, warum haust du dem Typen nicht eine runter?“ Aber so war er nicht. Er reagierte immer so anders, als ich das erwartet hatte. Irgendwann wurde mir klar, warum er nie verärgert war. Er war der gescheiteste und freundlichste Typ im ganzen Raum. Er hatte keine Angst über Gott, die Liebe oder Brüderlichkeit zu reden. Sam hat mich viel gelehrt und mir gezeigt, wie man ein besserer Mensch wird.

Das alles habe ich Paul erzählt und ihm gesagt, dass mein Song nicht nur eine simple Nummer über Rassismus ist. Es geht mehr um Freundschaft und Verständnis. Sein Gesang verleiht der Nummer etwas Erhabenes.

Das gilt auch für viele der Gitarrenparts. Ich habe den Eindruck, dass die einzelnen Musiker zwar ihre Persönlichkeiten eingebracht haben, sich aber dennoch niemand in den Vordergrund spielen wollte.

Ich sehe das ähnlich. Das sind meisterhafte Gitarristen. Sie spielen nicht einfach nur Skalen und versuchen dich zu beeindrucken. Es ist vielmehr so, dass sie meinen Songs ihre Visionen eingeflößt haben, ihre Vorstellung von dem, was sie darin hören. Dabei kommen sie dem Song und dem Gesang nicht in die Quere, sie antworten eher auf das, was ich singe. Es ist unglaublich, mit diesen Leuten zu spielen.

Wie würdest du den Gitarristen Dion beschreiben?

Ich weiß, wie ich mich begleite. Leute wie Sonny Landreth, Jeff Beck oder Joe Bonamassa sind Ensemble-Player. Jedes kleine Signal, jedes Wort, jede Betonung – jemand wie Joe Bonamassa unterstützt es entweder oder er antwortet darauf. Er hat ein unglaubliches Ohr. Diese Art Spieler bin ich nicht. Ich kann einen Song schreiben und mich dabei begleiten. Ich bin schon ein guter Gitarrist, aber keinesfalls in dieser Kategorie.

Du hast oft erwähnt, dass du schon früh zum Blues gekommen bist. Wie kam es dazu? Geboren und aufgewachsen bist du in der New Yorker Bronx.

Durch das Radio. In meiner italienisch-stämmigen Nachbarschaft wurden vor allem Sänger wie Jerry Vale oder Al Martino gehört. Eines Nachts fand ich diesen Sender in meinem kleinen Radio. Dort wurde Jimmy Reeds ‚Baby What You Want Me To Do‘ (1959) gespielt. Das hat mein Leben verändert. Dieses Feeling, dieser Groove … Es war hypnotisierend. Ein anderes Mal hörte ich Hank Williams mit ‚Honky Tonk Blues‘. Ich wollte mich ausdrücken wie Hank Williams, und ich wollte grooven wie Jimmy Reed. Das hat sich nicht geändert. Noch immer liebe ich die Kommunikation über einen guten Text, zu dem ich grooven kann.

Am Ende des Albums steht neben der Hommage an Sam Cooke eine weitere Nummer, die etwas aus dem Rahmen fällt.

Stimmt. ‚Hymn To Him‘ ist eher ein Gospelsong. Ich dachte selbst nicht daran, dass er auf das Album soll – bis ich ihn ein paar Leuten vorspielte. Sie sagten: „Die Nummer kannst du gut bei einem Blues-Festival an einem Sonntagmorgen spielen.“ Ich war mir auch da noch nicht sicher, habe ihn aber trotzdem an Patti Scialfa geschickt, denn ich dachte mir: „Vielleicht kann sie einen Harmoniegesang hinzufügen.“ Sie ist ein New Jersey Soul Girl. Das könnte sich darauf gut anhören. Sie tat etwas, dass ich nicht erwartet hätte: Sie begann, Gesangsspuren übereinander zu legen. Auch ihr Ehemann Bruce Springsteen mochte die Nummer. Also spielte er ein Solo darauf. Ich finde, sie haben etwas sehr Spezielles erfasst. Daher dachte ich mir: „Das packe ich auf das Album.“ Den Leuten scheint die Nummer sehr zu gefallen.

Du sagst, du begleitest dich gerne. Was ist deine Lieblingsgitarre dafür?

Ich habe eine Gitarre, die Martin für mich gemacht hat. Es ist eine 000. Die habe ich auf jedem einzelnen Song gespielt.

(Bild: KTBA)

Und was ist das für eine Strat auf dem Cover?

Das ist eine ganz besondere. Leo Fender hat einst ein spezielles Modell für Homer Haynes gemacht. Homer Haynes kam aus der Country-Szene und hatte einen Partner namens Jethro, die beiden waren ein Country-Comedy-Duo. Die Strat stammt aus dem Jahr 1957, sie ist komplett goldfarben, mit goldener Hardware und einem goldenen Pickguard – vor allem aber klingt sie ziemlich gut. Ich habe ich ein paar Soli auf ‚My Baby Loves To Boogie‘ mit ihr gespielt.

Du hast auf ‚Blues With Friends‘ also nicht nur legendäre Musiker versammelt, sondern auch außergewöhnliche Instrumente.

Oh ja. Joe Menza (spielt auf dem Song ‚Kickin‘ Child‘, Anm. d. Verf.) kam mit einer grünen Strat aus dem Jahr 1961 und einem 1960erFender-Tweed-Deluxe-Amp ins Studio. Dann Brian Setzer mit seiner Hot-Rod-Gretsch, Billy Gibbons mit seiner Lieblingsgitarre oder Jeff Beck mit seiner Strat. Die Sounds sind phänomenal. Ich bin ein glücklicher Mann. Es ist, als ob Gott mir ein großes Geschenk gemacht hätte. Alles was ich dazu sagen kann, ist danke.

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)

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