Japan Vintage

Test: Fender JV Modified 60s Stratocaster & 60s Custom Telecaster

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(Bild: Dieter Stork)

Mit seiner neuen JV-Modified-Modellreihe scheint Fender das Land der aufgehenden Sonne erneut für sich entdeckt zu haben. Klar, denn nicht nur unter Sammlern, sondern zunehmend auch unter tourenden Musikern erfreuen sich japanische Fender- und Squier-Gitarren der Baujahre 1982-1996 großer Beliebtheit.

Hinter den Kürzeln „JV“ (Japanese Vintage Reissue) und „MIJ“ (Made in Japan) verbergen sich die bis 1992 ausnahmslos vom renommierten Hersteller Fujigengakki gefertigten Instrumente, die anfänglich mit unterschiedlichen Kopfplatten-Labels wie „Fender – Made in Japan“, „Fender – Squier Series“ und „Squier by Fender“ versehen wurden. Von 1992 bis 1996 übernahm Tokai einen Teil und danach die komplette Produktion.

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Angesichts der beängstigend hohen Qualität und der vergleichsweise niedrigen Preise entwickelte sich die frühe Fujigen-Produktion für Fender CBS förmlich zum Eigentor. Als Folge daraus entstanden das Squier-(Made In Japan)-Label für Export-Modelle und ab 1984 der Made-In-Japan-Aufdruck am Halsfuß. Dennoch blieben zahlreiche Modellvarianten (z.B. Domestic und Order Made) exklusiv dem japanischen Markt vorbehalten, durften also nicht exportiert werden.

Aktuell umfasst die Fender-JV-Modified-Serie vier Modelle, nämlich 50s Strat mit Steg-Humbucker, 50s Tele, 60s Custom Tele und 60s Strat mit großer Kopfplatte.

ERSTE EINDRÜCKE

Als bekennender Fan der JV/MIJ-Fenders bzw. -Squiers sind mir deren Qualitäten und Detailtreue hinsichtlich Historical Correctness durchaus vertraut. Das „Modified“ im Seriennamen lässt erkennen, dass Fender zugunsten von Klangvielfalt, Bespielbarkeit und Handhabung diverse Modifikationen vorgenommen hat.

Dabei mussten natürlich Abstriche in puncto historischer Detailtreue gemacht werden, die ich jedoch angesichts der Vorteile gerne in Kauf nehme. Gleich vorweg überzeugen beide Protagonistinnen mit vorbildlicher (japanischer) Verarbeitung. Hervorzuheben sind die extrem passgenau gefrästen Halstaschen, die Bearbeitung und Politur der Medium-Bünde, die Abrichtung der Knochensättel, die spiegelglatt polierten Body Finishes, die seidenmatten Halsoberflächen, die nicht zu dünnen, leicht V-förmigen Halsprofile, die kopfplattenseitig offenen Trussrod-Zugänge und die gleichermaßen präzise wie geschmeidig arbeitenden Vintage Kluson-Style Locking Tuner. Uff.

Vintage Kluson-Style Locking Tuner (Bild: Dieter Stork)

Ach ja, zu nennen wären außerdem die zylinderförmigen Messingreiter der 60s Tele-Bridge, die feiner gerändelten Reglerknöpfe und die Griffbrettradien, die ja mit ursprünglichen 7,25″ eine erheblich stärkere Wölbung besaßen. Historisch korrekt sind indes lediglich Buchsenblech bzw. -topf, Strat-Vibrato, Gurtknöpfe und die vierfachen Halsverschraubungen.

MADE-IN-JAPAN-Halsstempel und gelaserte JV-Seriennummer auf den Halsplatten (Bild: Dieter Stork)

Während Fender die Pickups als Vintage Style Strat bzw. Tele Singlecoils bezeichnet, worauf auch deren jeweiligen DC-Widerstandswerte hindeuten, hat man die Schaltungen mittels Pull/Push-Funktionen in den Tone-Potis erweitert. In den E-Fächern finden hochwertige solide Blade-Schalter und Alpha-Potis Verwendung. Der 5-Weg-Switch der Strat gestattet in Kooperation mit dem Pull/ Push-Schalter im unteren Tone-Poti, dass laut Fender der Hals-Pickup in den Stellungen 1, 2 und 3 den Steg- und Mittel-Pickups zugeschaltet werden kann und somit drei zusätzliche Klangvarianten bieten soll. De facto sind es jedoch nur zwei. Dazu später mehr. Mit dem 4-Wege-Switch der Tele lassen sich deren Pickups einzeln oder zusammen und das Pärchen seriell (Position 2) oder parallel (Position 3) schalten. Hier kehrt die Pull/Push-Funktion des Tone-Potis die Phase in den Schalterpositionen 2 und 4 um.

Solide Bauteile – hier im E-Fach der 60s Custom Tele (Bild: Dieter Stork)

SONNENAUFGANG

Was soll ich sagen? Eine traditionelle Strat kennt jede:r, ebenso eine Tele, auch wenn die Double Bindings der Custom Telecaster für schärfere Body-Kanten sorgen. Ist man in den obersten Griffbrettgefilden unterwegs, drücken die klobigen Halsübergänge nach wie vor in die Handfläche. Alles gut, klassisches Vintage-Design halt.

Beide JV-Modified-Gitarren spielen sich wie Butter, geben sich schwingfreudig, resonant, vollmundig, brillant, obertonreich und zeigen straffe Bässe, wobei die Tele von allem einen Hauch mehr bereithält. Direkte artikulierte Ansprache, schnelle lebendige Tonentfaltung und gleichmäßig abklingendes, stabiles Sustain summieren sich zu sehr guter Dynamik, die ausdruckstarkes, nuanciertes Spiel unterstützt.

Tele Bridge mit Messing-Reitern (Bild: Dieter Stork)

Die neuen japanischen Fender-Vintage-Style-Singlecoils unterscheiden sich klanglich nur marginal von den früheren japanischen AlNiCo-5-VintagePickups. Sie tönen genauso ausgewogen, transparent und knackig, übertragen feinfühlig jede Nuance des Spiels, geben sich auch output-mäßig und in puncto Nebengeräuschen als typische Vintage-Einspuler zu erkennen. Da der Mittel-Pickup der Strat entgegengesetzt gewickelt und gepolt wurde (RW/RP), werden in den lebendig und klar klingenden Schalterzwischenpositionen 2 und 4 Störgeräusche bei Zerrsounds effizient eliminiert.

Insgesamt halten die Pickups, was ihr Name verspricht – der direkte Vergleich mit einer 89er MIJ Order Made 57 Reissue Strat bestätigt das. Inklusive der In-Between-Settings klingen sie nahe beim Original, nämlich wunderbar bluesig und warm in der Halsposition, glockig in der Mitte, glashart und twangy am Steg und Clapton/Knopfler-nasal dazwischen. Praktikable Klangvarianten liefern auch die Mixturen aus Steg plus Mitte plus Hals bzw. Steg plus Hals. Gerade bei Letzterer wird dem Steg-Pickup etwas von seiner Schärfe entzogen und mit einem gesunden Fundament unterlegt.

Dass man in Schaltermittelstellung den Hals-Pickup per Pull-Funktion des unteren Tone-Reglers zuschalten kann, macht eigentlich wenig Sinn, da die Paarung dieser Pickups in Position 4 ohnehin vorliegt und auch keinerlei Klangunterschiede festzustellen sind. Somit stehen von den drei propagierten Klangvarianten de facto nur zwei zur Verfügung. Hinsichtlich seiner Handhabung erweist sich die Pull/Push Funktion als wenig komfortabel, denn der konische Reglerknopf lässt sich nur dann hochziehen, wenn man mit Daumen- bzw. Fingernägeln unter den Rand greift. Hier wäre ein Poti mit Push/Push-Schalter wesentlich praktischer.

Auch die Vintage-Style-Singlecoils der 60s Custom Tele sind klanglich von denen einer 1985er MIJ 62 Reissue Custom Tele kaum zu unterscheiden, wenngleich der Hals-Pickup Ersterer fast den doppelten Gleichstromwiderstand rausgibt und damit deutlich mehr Output liefert. Während der Hals-Pickup vollmundig und ausgewogen mit klaren, samtigen Höhen und straffen, definierten Bässen daherkommt, gibt sich der Stegeinspuler glasig, bissig, drahtig und liefert Twang vom Feinsten. Die serielle Paarung klingt glockig, offen und perlig, die parallele etwas bedeckter und wärmer.

In den Schalterstellungen 2 und 4 schluckt bei gezogenem Tone-Regler die Phasenumkehr reichlich Bässe und Mitten, was sowohl die Pickup-Kombi als auch den Hals-Pickup dünn und nasal tönen lässt – eine beliebte Klangvariante in den 80ern. Etwas aus der Mode gekommen, aber durchaus praktikabel fürs Rhythmusspiel. Immerhin eliminieren sie hier Nebengeräusche im Zerrbetrieb. Die Potis beider JV-Modified-Modelle rotieren leichtgängig und gestatten präzise und gleichmäßige Kontrolle über den gesamten Regelbereich. Trotz der Locking Tuner arbeitet das Strat-Vibrato nicht sonderlich stimmstabil. Auf Dive Bombs o.ä. sollte also verzichtet werden, während das schwebend justierte System dezentes Surfen problemlos verkraftet.

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