Fanned Frets, Headless, digital!

Mooer GTRS W 800 WH im Test: Eine für alles?

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GTRS HM-2N/HM-2B AlNiCo-V-Humbucker (Bild: Dieter Stork)

Die (echten) Werkstonabnehmer gefallen mir zunächst nicht so gut. Hier wird mir allerdings auch schnell klar warum: Für mein persönliches Empfinden fühlen sie sich anders eingestellt deutlich wohler. Und so schraubte ich den Hals-Humbucker deutlich nach unten, während ich den Steg-Humbucker wiederum stark nach oben korrigierte. So passen sie vom Output harmonischer zusammen und klingen auch für sich genommen stimmiger.

Während der Hals zuvor zu matschig und der Steg etwas dünn war, sind diese Charakterzüge nun ausgeglichen und die Pickups unterstützen den natürlichen Charakter der Gitarre. Dabei habe ich das Gefühl, dass sie sich eher neutral verhalten und keinen eigenen Sound mitbringen. Das kann man mögen, oder für etwas charakterlos halten.

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(Bild: Dieter Stork)

VIRTUELLE GITARREN, AMPS, ETC.

Die GTRS gefällt mir schon ohne jeglichen Modeling-Ansatz ziemlich gut. Aber seien wir ehrlich: Das Besondere sind nun mal die digitalen Möglichkeiten.

Zunächst teste ich die virtuellen Tonabnehmer, denn mit einem Knopfdruck vom (echten) Humbucker-Sound auf Custom Shop Single Coils umschalten zu können, ist natürlich sehr verlockend. Und tatsächlich: Man kommt sehr schnell zu Ergebnissen, die überzeugen können. Und wenn man erst mal angefangen hat, das per EQ feinzutunen, so fehlt einem diese Option bei allen anderen Gitarren schon fast. Ein normaler EQ ersetzt diese Funktion auch nicht, da hier ja mit jedem virtuellen Pickup gespeichert wird, welche Einstellungen er haben soll. Und so klingen die Singlecoils aus virtueller Strat, Tele und Jaguar im Mix recht überzeugend, direkt mit echten Exemplaren verglichen, aber natürlich doch wieder anders. Die echten Pickups klingen eben doch noch ein Stück weit dreidimensionaler und – so muss man es irgendwie sagen – echter. Aber wenn man keinen vollständigen Ersatz erwartet, sondern eine flexible Alternative für Demo-Recordings, Spaß zwischendurch, oder eben um eine Gitarre weniger mit zum Gig zu nehmen, sucht, so ist die GTRS perfekt.

Fand ich es bei den echten Tonabnehmern schon schade, dass man der Gitarre keinen Fünfweg-Schalter für Splitsounds verpasst hat, so kommt dies mit Modeling fast noch mehr zum Tragen: Ich hätte mich sehr gefreut fünf statt drei Sounds direkt Griffbereit zu haben, ohne das Smartphone bemühen zu müssen.

Auch das Amp-Modeling ist ziemlich gut. Nicht auf Höhe der Platzhirsche wie Line 6, aber eben schon eine Liga mit den Bodentretern von Mooer, Nux oder Zoom. Und das wiederum direkt in der Gitarre. Es finden sich beispielsweise Amp-Simulationen von Fender, Marshall, Mesa, Engl oder Diezel und auch die Effektsektion ist gut aufgestellt. Da macht es besonders viel Spaß, ohne weiteres Zubehör einen Backingtrack laufen zu lassen und mit ziemlich passendem Sound zu jammen. „Ziemlich“ nur, weil es eben nicht die über 200 Amps eines Fractal Audio gibt, um den gewünschten Sound möglichst konkret abzubilden. Aber nochmal: Alles, was nicht Studioaufnahme oder anspruchsvoller Gig ist, lässt sich hiermit wunderbar und vor allem äußert komfortabel abbilden. Und dann einfach spontan auf einen überzeugenden Akustik-Sound umschalten. Super praktisch!

Auch die anderen Funktionen wie der Tuner, Drumcomputer oder Looper verrichten ihren Dienst sehr gut. Die Drums sind dabei eher als besseres Metronom zu nutzen, aber zumindest mir macht es eben auch deutlich mehr Spaß zu Drums, als nur zum Klick, zu spielen.

RESÜMEE

Kein Witz: Als ich die Strat-Modelle von GTRS getestet habe, dachte ich mir noch: Headless wäre das die ultimative Reisegitarre. Und dann machen sie das nicht nur, nein, sie bringen sogar ein leichtes Fanning ins Spiel und runden den Look durch modern wirkende Elemente wie das Alu-Schlagbrett gekonnt ab. Auch spielerisch und von der Verarbeitung gibt sich die W800 keine Blöße. Hier bekommt man einfach eine wirklich gute Gitarre mit super Features zum Üben, Jammen, Aufnehmen oder einfach Spaßhaben. Dadurch, dass man den Kopfhörer direkt in die Gitarre stöpseln kann, ist man maximal unabhängig von weiterem Equipment.

Klinkenbuchse fürs Gitarrenkabel oder einen Kopfhörer (Bild: Dieter Stork)

Und klingen tut die Gitarre auch noch. Zwar waren die echten Tonabnehmer nicht perfekt eingestellt und den virtuellen fehlt noch das letzte Quäntchen Plastizität im Sound, aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Denn insbesondere im Hinblick auf den Preis und die hier dargebrachte Leistung inklusive der Software muss man sagen: Hier wird richtig abgeliefert.

PLUS

  • Vielseitigkeit
  • All-in-One-Paket
  • Werkseinstellung

MINUS

  • Five-Way-Switch wäre schön


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2023)

Produkt: Fender Stratocaster
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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Dass der chinesische Hersteller hier wieder schamlos eine originale Form von Ibanez kopiert, wird leider verschwiegen. Schöpferisches Eigentum sollte gerade in der Kreativbranche respektiert sein. Für mich ist das ein klarer Fall für den “Plagiarius”.

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    1. wir wollen nicht vergessen, das auch Ibanez früher fast den kompletten Gibson Katalog “kopiert” hat und es da einige Prozesse gab. Daher ist gerade der Vergleich, doch etwas fehl am Platze. einfach mal “Ibanez pre law-suit Models” googeln. 👍😉

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  2. Hallo,
    wie verhält es sich denn mit Latenzen in Bezug auf Spielgefühl? ist der Looper bspw. in der App oder in der Hardware der Gitarre? Wie ist das Spielgefühl mit den virtuellen Amps? Wie hängt der Volumeregler an einem angezerrten Amp? Das Konzept klingt auf dem Papier nach dem perfekten Übungsinstrument, aber zum Thema Latenzen und Spielgefühl kein Wort, das ist wirklich sehr schade und alle sander als praxisgerecht.

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