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Magic of a Legend: 1957 Gibson Les Paul Goldtop – Teil 2

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(Bild: Udo Pipper)

In dieser Folge möchte ich noch einmal genauer beschreiben, wie ich die alte Goldtop-Les-Paul von 1957 für mein Guitar-Summit-Workshop-Video aufgenommen habe, dass ihr unter www.gitarrebass.de/57goldtop sehen und hören könnt. Nachdem ich mich für einfachere, klassische Klangbeispiele entschieden hatte, suchte ich nach den entsprechenden Amp-Partnern. Kaum verwunderlich, dass ich da genau auf solche Verstärker zurückgreifen musste, wie meine Vorbilder vor einigen Jahrzehnten.

Was wäre aus Claptons Beano-Ton geworden, hätte er nicht einen Marshall-Bluesbreaker-Combo verwendet? Marshall, Fender, Vox oder Orange waren die Amp-Marken, mit denen solche Gitarren in der Vergangenheit kombiniert wurden. Jim Marshall schwärmte mir gegenüber einst bei einem Interview vor, dass die Les Paul wie keine andere Gitarre zu seinen frühen Marshalls passte: „Das rastet einfach ein. Claptons Sound auf dem Bluesbreaker-Album oder Jimmy Page auf Led Zeppelin II… Das ist einfach mein Ton!“

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1956 Fender Tremolux
Vintage Tweed Deluxe Replika

Warum also groß experimentieren? Ich wählte genau diese Amps für die Aufnahmen: nämlich einen 1956er Tweed Tremolux, einen Tweed Deluxe, den ich komplett aus alten Bauteilbeständen zusammengebaut habe, einen 1973er Marshall JMP 20 und einen alten Fender Princeton. Keiner dieser Amps hatte mehr als 18 Watt. Ich musste das auch so angehen, denn alle Aufnahmen entstanden in meinem ca. 18 qm großen Musikzimmer.

1965 Fender Princeton
1973 Marshall JMP 20

Ich habe hier zuhause keinen separaten Aufnahmeraum. Will man die Amps weit aufdrehen, darf es am Ende in der Summe nicht zu laut werden, denn sonst wackelt das Kamera-Bild wie bei den frühen Aufzeichnungen vom WDR-Rockpalast. Ich habe auch einen 100-Watt-Plexi mit 4×12-Box probiert, aber das ging zusammen mit Kamera im selben Raum überhaupt nicht. Die Objektive zittern und die Kamera-Elektronik hat unschöne Aussetzer. Dennoch klang die Gitarre auch mit den kleinen Amps auf Anhieb richtig gut. Und das lag nicht nur an den enormen Qualitäten der alten Goldtop, sondern auch an der Verstärker-Abstimmung, dem akustisch präparierten Raum und nicht zuletzt an meiner Stromversorgung.

RAUMAKUSTIK

Seit ein paar Jahren habe ich in meinem Hörraum spezielle Akustik-Elemente aus dem Tonstudio-Bereich installiert, die stehende Wellen minimieren, vor allem aber Flatterechos verhindern und den Raumklang überraschend stark bedämpfen. Letzteres aber nur soweit, dass der Raum nicht „tot“ klingt. Mit nur zwei Elementen, Teppichboden und einem großen Polstersofa gelang mir eine absolut brauchbare Balance im Raum. Textilien helfen immer bei der Bedämpfung.

STROMVERSORGUNG

Für die Stromversorgung, die bei mir auf dem Land sowieso nicht so stark belastet ist wie in Ballungsräumen, arbeitete ich mit dem Kikusui PCR500 – einem Labornetzteil, das Netzspannung und Netzfrequenz regelbar macht sowie sämtliche hochfrequente Verzerrungen eliminiert. Die Amps klingen mit diesem Gerät auf Anhieb dynamischer, etwas wärmer und sauberer. Hier war es so, dass ich die Netzspannung von 237 auf exakt 230 Volt heruntergeregelt habe, weil es so einfach etwas besser klang. Die oft ungewollte Harshness auf den Diskantsaiten schien so zu verschwinden. Mich hat mal wieder erstaunt, wie viel Unterschied 7 Volt ausmachen können. Auf den 60-Hertz-Betrieb habe ich verzichtet, weil auch die USA-Amps damit nicht besser klangen.

Kikusui-PCR500-Netzteil (Bild: Udo Pipper)

Mich hat das verwundert, denn auf meinem Guitar-Summit-Workshop vor zwei Jahren in Mannheim bevorzugten die meisten Hörer meinen Tweed Deluxe mit der 60-Hertz-Einstellung. Hier war es umgekehrt. Auch die alten Fenders klangen jetzt mit 50 Hertz besser. Für mich ein Beleg, dass die Stromversorgung für mich für alle Zeit ein Rätsel bleibt. Die perfekte Balance findet man anscheinend nur über Probieren, und man muss sich eingestehen, dass die Netzbedingungen eben in jeder Umgebung anders sind.

LAUTSPRECHER

Soweit möglich habe ich die kleinen Combos mit alten Jensen-Alnico-Lautsprechern bestückt. Solche Schätze sind heute nur noch schwer zu finden. Meist sind sie kaputt, kratzen oder sind schon völlig ausgelutscht, also leise und schlapp. Für die Aufnahmen habe ich zwei Jensen P12Q aus den Fünfzigern gekauft und beide bei Stefan Bischoff von PPA Audio überarbeiten lassen.

Vintage Jensen P12Q (Bild: Udo Pipper)

Dabei werden sie gereinigt und neu zentriert, was manchmal solche Lautsprecher noch retten kann. Diese Speaker klingen überragend warm und ausgeglichen. Leider haben sie mit 12 bis 15 Watt eine sehr geringe Belastbarkeit. Dreht man den Amp voll auf, halten sie nicht lange. Ein Umstand, der sie für Live-Auftritte völlig untauglich macht. Daher spielen auch Profis in solchen Amps meist modernere, stärkere Lautsprecher. Nur im Marshall habe ich einen neuen Heritage G12M Greenback von Celestion verwendet.

MIKROFONE

Bei der Mikrofon-Auswahl wird es tricky, denn man möchte den Amp-Sound schließlich so unverfälscht wie möglich aufnehmen. Da aber alle Mikrofone den Sound mehr oder weniger verfärben, entsteht hier ein schwer zu beherrschendes Nadelöhr, das über Sieg oder Niederlage entscheiden kann. Früher haben wir im Tonstudio vor jeden Gitarren-Amp einfach ein Shure SM57 gestellt und fertig. Das war der Standard. Die Mikrofon-Kapsel wurde dabei so nah wie möglich an der Speaker-Pappe positioniert. Und das war der Grund, warum ich mit meinen frühen Aufnahmen einfach nie zufrieden war, denn die Ergebnisse klangen stets ganz anders als das, was ich im Aufnahmeraum vor dem Speaker hörte. Also hat man hinterher am Mischpult solange herumgeschraubt bis der Sound einigermaßen den Vorstellungen entsprach. Oder man verbog den Sound am Amp solange bis man beim Anhören der jeweiligen Aufnahme in etwa das zu hören bekam, was man suchte.

In den 90er-Jahren lernte ich den Produzenten Chris Thomas kennen. Das ist der Mann, der weite Teile des White Albums der Beatles, die Sex Pistols produziert oder Pink Floyds ‚Dark Side Of The Moon‘ abgemischt hatte. Allesamt hervorragende Referenzen. Wir unterhielten uns darüber, wie in den Sechzigern oder Siebzigern E-Gitarren aufgenommen wurden. Er erzählte mir, dass etwa Keith Richards oder David Gilmour ihre Gitarren mit Großmembran-Kondensator-Mikrofonen abgenommen hätten, weil es davon eben in jedem Studio genug gab.

Eine absolute Referenz dafür sei das Neumann U67 Röhrenmikrofon gewesen, das Gilmour etwa 60 cm vor die Box gestellt habe, um seinen Sound so natürlich wie möglich einzufangen. AC/DC haben in den frühen Tagen übrigens ihre Boxen genauso abgenommen. Also habe auch ich unter Hilfe von Martin Meinschäfer im Megaphon-Studio im Sauerland damit experimentiert. Und tatsächlich konnte ich so den Amp-Sound genau nach meinem Geschmack einfangen. Meinschäfer gab sich extrem viel Mühe bei der genauen Positionierung des Mikrofons, denn auch hier können ein, zwei Zentimeter Unterschied schon darüber entscheiden, ob es gut oder grausig klingt.

Da ich kein Neumann U67 besitze, suchte ich nach einer brauchbaren Entsprechung für dieses Mikrofon. Und fand sie bei einem Freund, der ein Brauner VM1 Röhrenmikrofon besitzt, das ähnliche Qualitäten bietet. Bei einem Test konnte ich feststellen, dass das Brauner nicht nur so dick und saftig klang, wie ich es wollte, man hörte ihm auch die Entfernung zur Box nicht an. Man hatte vielmehr den Eindruck, dass das Mikrofon direkt am Speaker abnahm.

Brauner VM1 Mikrofon (Bild: Udo Pipper)

Ich hasse es nämlich, wenn man beim Mixen noch am Gitarren-Sound schrauben muss. Das geht meiner Meinung nach nur mit Weltklasse-EQs, die jedoch noch seltener zu finden sind als alte Neumann-Mikrofone. Das Brauner erwies sich als ideale Lösung. Ich stellte das Mikrofon etwas höher als die Lautsprecherachse und entschied mich für Abstände zwischen 40 und 50 cm. So klang die Aufnahme oft genau wie im Raum.

INTERFACE UND DAW

Zugegeben, am liebsten hätte ich diese Aufnahmen über ein gutes Mischpult in eine Studer A800 gespeist. So haben wir vor 25 Jahren im Studio aufgenommen. Heute besitze ich „nur noch“ ein kleines Focusrite Scarlett Interface und nehme mit Cubase 10 auf. Das hat enorme finanzielle Vorteile, ist aber auch seitens der Auflösung und Natürlichkeit der Aufnahmen ein Kompromiss. Aber was soll’s? Natürlich kann ich für eine Gitarren-Demo kein komplettes Tonstudio bauen. Und selbst meine kleine Grundausstattung liegt meistens brach und wird kaum genutzt. Aber man kann unter bestimmten Voraussetzungen sehr gut damit arbeiten.

Trotz der guten Gitarre, den wunderbaren Amps und der akribischen Mikrofonpositionierung klingen Gitarrenaufnahmen mit dieser Ausrüstung beim Abhören stets etwas harsch, brüchig und damit wieder einen Hauch zu unnatürlich. Das kann nur jemand nachvollziehen, der ebenfalls mit preiswerten Interfaces und einer DAW arbeitet. Das ist schon alles ganz toll, aber es fehlt immer dieser kleine Schuss Natürlichkeit. Irgendetwas stört und gerät zu kühl oder kantig. Daher habe ich mich mit den Cubase-Plug-ins beschäftigt und stellte fest, dass ich für meinen Vintage-E-Gitarren-Sound damit nicht die passenden Ergebnisse erzielen kann.

Mein Anliegen war es stets, die Klänge so glatt und flüssig wie bei einer Analog-Aufnahme zu gestalten. Das wollte mir zunächst nicht gelingen. Also habe ich mit Toningenieuren telefoniert und mir Ratschläge geholt. Dabei wurde immer wieder das von Waves angebotene Abbey-Road-Paket erwähnt, das man in unterschiedlichen Versionen kaufen kann. Ich entschied mich schließlich für die günstigste Version, die immerhin eine Band-Simulation (J37), Abbey-Road-Chambers und vor allem die Preamp-Tools dieses berühmten Studios zu Beatles-Zeiten nachstellt.

Waves „Abbey Road“ Master-Tools

Mit dem REDD17 und dem REDD37 stehen hervorragende Kanalzüge zur Verfügung, ganz einfach gestaltet, aber mit wahnsinnig schöner analoger Einfärbung und schließlich das AR TG Mastering-Tool, das mit Preamp, vierfach parametrischem EQ und Limiter aufwartet. Sicher entspricht das alles nicht der tatsächlichen Ausrüstung des Abbey Road Studios, aber zur Glättung unschöner digitaler Artefakte erwies sich dieses Plug-in-Paket als ideal. Oft genügte es einfach, die Plug-ins einzuschleifen, um den subtilen klangveredelnden Effekt zu erreichen. Und damit habe ich bei allen Aufnahmen gearbeitet. Hier und da gab ich ein klein bisschen Hochton dazu, ergänzte ein wenig Kompression oder Bandsättigungseffekt. Das war letztlich die entscheidende Investition, um den Aufnahmen den letzten Schliff zu geben.

Im Moment nehme ich wieder mit meinem Rode NTE 2000 auf. Das klingt nicht ganz so schlüssig in den Mitten und warm wie das Brauner, aber dank der nachträglichen Bearbeitung mit dem Abbey-Road-Paket gelingen auch damit sehr gute Aufnahmen. Insgesamt habe ich bei dieser kleinen Session sehr viel gelernt, vor allem mal wieder, dass die Güte einer Aufnahme vor allem vor dem Mikrofon entsteht …

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2021)

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