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Magic Of A Legend: 1957 Gibson Les Paul Goldtop

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(Bild: Udo Pipper)

Am Wochenende vom 28. bis 29.11.2020 fand zum vierten Mal der Guitar Summit statt. Diesmal nicht im Mannheimer Rosengarten, sondern virtuell als Web Camp. Geschuldet war dieser immense Aufwand der Corona-Krise. Alle Aussteller und Workshop-Anbieter mussten sich digital mit Videos an der Messe beteiligen. Das galt natürlich auch für meinen Workshop, den ihr unter www.gitarrebass.de/57goldtop findet.

Das war eine gute Gelegenheit, die Möglichkeiten eines Videodrehs gegenüber der Live-Perfomance in vollen Zügen auszuschöpfen. Zugegeben, mein Thema klang zunächst nicht besonders geistreich: „Sound of a Legend – 1957 Gibson Les Paul“. Das gab’s doch schon tausend Mal! Stimmt! Aber das geschah in den meisten Fällen in Schriftform und nicht mit ordentlichen Klangbeispielen.

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Vintage-Instrumente sind immer noch in aller Munde, erst recht die legendären Vintage-Les-Pauls aus den Baujahren 1957 bis 1960, die vermutlich wirklich das Zeug haben, zu den „Stradivaris“ der E-Gitarren-Kultur zu werden. Die Sammlerpreise sprechen da eine ganz eindeutige Sprache. Die meisten dieser Instrumente liegen gut verpackt in Tresoren oder stehen wie bei Guitar Point in Maintal hinter einer dicken Panzerglasscheibe. Das muss auch so sein. Nicht auszudenken, wenn den Schmuckstücken etwas zustößt. Jede Ungereimtheit führt zu Wertverlusten in meist schon fünfstelliger Höhe.

Das war jedoch nicht immer so. Als die Gitarrenhelden von damals der Les Paul Standard zu ihrem Siegeszug verhalfen, kosteten die Instrumente nur ein paar hundert Dollar. Viele Protagonisten wie Jeff Beck, Joe Walsh oder Eric Clapton haben da auch schon mal eine weniger geliebte Les Paul an einen Kumpel verschenkt. Man sah sie stets im Tourgepäck dieser Musiker. Sie wurden jeden Abend in Schweiß getränkt, verloren Lack, bekamen bessere Mechaniken oder Tonabnehmer, und zerbrochene Kopfplatten wurden wieder angeleimt. Fertig! Nicht selten wurden sie nach einem Gig irgendwo einfach vergessen oder geklaut. Backstage-Pässe und Securities gab es damals noch nicht.

Heute sind sie meist hoch versichert und werden trotz ihrer angeblich verzückenden Klangeigenschaften kaum noch gespielt. Und dennoch treibt es viele Gitarristen, sich mit dem Sound dieser Instrumente auseinanderzusetzen. Gibson bietet heute ziemlich gut gemachte Repliken dieser Instrumente an, und egal ob Profi oder Hobbyist, spielen die meisten Les-Paul-Liebhaber diese Instrumente. Findet man hier ein gutes Exemplar, ist man schon ziemlich lässig im „ballpark“ dieser Soundvorstellungen.

Jeff Beck, Joe Bonamassa, Eric Clapton, Billy Gibbons und viele andere Profis besitzen solche Instrumente, und mit Ausnahme von Joe Bonamassa werden sie auch von gut betuchten und bewachten Stars nicht mehr mit auf Tour genommen. Und genauso wie wir Hobbyisten spielen sie auf teils vom Gitarrenbauer oder Techniker präparierten, neuen Gitarren. Die alten Schätze werden zwar immer noch verehrt und geliebt, aber sie dienen heute nur noch als Klangreferenz. Und genau das war mein Motiv, ein solches Video zu drehen.

Aufgrund der astronomisch hohen Preise stellt sich für die meisten von uns gar nicht die Frage, ob man lieber „neu“ oder „vintage“ spielt. Wir spielen neue Gitarren, sehnen uns dabei aber danach, den Klangreferenzen ein bisschen näher zu kommen. Wozu braucht man also eine 1957er-Goldtop? Auch, wenn ich zugeben muss, dass es auch mich irgendwie inspiriert, auf einem so alten Instrument zu spielen, habe ich in den meisten Fällen – wie auch in diesem Video – ganz andere Sorgen. Was soll ich überhaupt damit spielen, um die typischen Klangeigenschaften wirklich nachvollziehbar herauszukitzeln?

Damit habe ich experimentiert und bin immer wieder bei recht puristisch angelegten Blues/Rock-Beispielen gelandet. Logisch, denn wie ich im Video erwähne, benötigt man für Shredder-Metal oder Effekt-beladene World-Music-Verträumtheiten keine alte Les Paul. Und selbst, wenn ich in den knapp bemessenen Genres verbleibe, gelangen diese Aufnahmen nur dann gut, wenn ich gut gespielt habe.

1957 Goldtop Body-Kontur (Bild: Udo Pipper)

SOUND DER PLAYER

Ein Beispiel: Als ich mal bei Jeff Beck zu Besuch war, führte er mich in sein Musikzimmer, wo einige seiner Instrumente an Wandhaken hingen. Ich bestaunte sofort eine alte, weiße Pre-CBS-Stratocaster mit deutlichem Bühnen-Mojo und reichlich Staub auf dem Griffbrett. Auf meine Frage, wie diese Gitarre klingen würde, beugte sich Beck mit dem Ohr an die Gitarre, lächelte und sagte: „Keine Ahnung! Ich höre nichts!“

Und das führt uns schon mal zu der entscheidenden Erkenntnis. DER SOUND mag vielleicht als Potential in diesen Gitarren ruhen, herauskitzeln muss ihn jedoch der Musiker selbst. Oder anders gesagt: Eine Vintage-Les-Paul auf dem Schoß macht noch keinen Eric Clapton-Bluesbreaker-Beano-Ton. Man braucht dazu eben auch noch einen Eric Clapton!

Und tatsächlich kenne ich nur wenige Musiker in Deutschland, die mit solchen Instrumenten wirklich kunstvoll umgehen können. In den frühen Achtzigern hörte ich Ali Neander von den Rodgau Monotones in der Frankfurter Batschkapp. Damals noch mit vorwiegend ZZ-Top-Covern oder auch ‚Crossroads‘ in der Live-Version von Cream. Er spielte eine alte mit PAF-Pickups bestückte Les Paul Goldtop in einen Reußenzehn Marshall. Da war dieser Ton, den man nicht mehr vergisst. Bluesrock vom Feinsten.

Dann sah ich mal vor langer Zeit Peter Weihe live mit seiner 58er- „Burst“-Les-Paul. Das war auch wahnsinnig inspirierend, denn auch er hatte all die klassichen Sounds dieser Instrumente parat und spielte hervorragend. Dann Henrik Freischlader, der eine getunte Reissue verwendet, aber mit jedem seiner Töne die alten Instrumente vergessen lässt. Oder Michael Wagner, ein Müncher Gitarrist, der die Demo-Videos für den Gitarren-Shop Ten-Guitars einspielt. Auch der kann mit diesen Sounds hervorragend umgehen.

Und zum Schluss kennen viele von uns das Blues-Spiel von Gregor Hilden, der stets von Peter Green inspiriert das Genre dieser Klänge pflegt. Das sind nur ein paar Namen. Und mir fiel es recht schwer, mich in diese Eindrücke einzureihen. Ich hoffe, das ist mir ein wenig gelungen. Somit sprechen die Klangbeispiele im Video für sich. Und natürlich bin auch ich seit jeher vom Sound dieser Instrumente beinahe fieberhaft infiziert.

Aber ehrlich: Ich spiele auf einer alten Gitarre in Wahrheit keinen Deut besser als auf einer brauchbaren neuen Gitarre. Wenn also das Genre gar nicht mal so umfangreich für diese Klänge zu sein scheint, dann müssen sich die Klangbeispiele auch in diese Richtung bewegen. Peter Green, Mike Bloomfield, Eric Clapton, Jeff Beck, Billy Gibbons, Jimmy Page, Paul Kossoff, Clem Clempson, Dickey Betts, Duane Allman und Gary Moore lauten vielleicht die wichtigsten Vertreter dieser Gattung. Und alle spielten in ihren goldenen Jahren diese Gitarren einfach in weit aufgdrehte Röhren-Amps.

Heute sind auch die „vintage“. Mit ein paar Fußtretern im Signalweg – und das war auch beim Dreh meine Erfahrung – verschwindet der Glanz dieser Sounds fast gänzlich. Es scheint also absurd, ein Vintage-Instrument für einen sechsstelligen Sammlerpreis erstmal in einen 100-Euro-Verzerrer zu stöpseln und damit all die geliebten Eigenschaften wieder zu verbiegen. Auch das „System“ ist ein Teil der Botschaft. Duane Allman und Dickey Betts haben das auch nicht getan. Und Kossoff schon gar nicht.

Eine alte Les Paul klingt also nur richtig authentisch, wenn man sie pur über einen alten Amp spielt. Und am besten sollten sich die Zuhörer im selben Raum befinden, denn diesen tatsächlich mitreißenden Sound hinterher auch aufzunehmen, war eine weitere Hürde, die erstmal genommen werden musste. Aber dazu mehr in der nächsten Ausgabe.

Das „Gold“ wurde im Laufe der Jahre zu „Grün“. (Bild: Udo Pipper)

SPEZIFIKATIONEN

Die Les Paul Goldtop im Video stammt laut Seriennummer aus dem Spätherbst 1957. Der Gibson-Schriftzug auf der Kopfplatte ist hier auch schon höher angelegt als bei den späteren Modellen von 1958, 59 oder 60. Die Pickups haben aber noch keinen PAF-Aufkleber. Der kam wohl erst ab dem Jahreswechsel zu 1958. Der Halswinkel ist in diesem Baujahr vermutlich noch ein wenig flacher als ab 1958.

57er PAF-Front-Pickup (Bild: Udo Pipper)

Leider hatte ich keine Vergleichsgitarren parat. Es war schon schwer genug, eine Goldtop aufzutreiben. Die Ausstattung war komplett original. Hier stimmte einfach alles. Zudem war die Gitarre in einem exzellenten Zustand. Nur ein paar Haarrisse im Lack und ein wenig Flugrost auf der Hardware gaben Auskunft über das tatsächliche Alter. Interessant war, dass die Tone-Potis dieser Les Paul nicht im so genannten 50s-Wiring verlötet waren, sondern so wie modernere Modelle, bei denen die Kondensatoren am Eingang des Volume-Potis angeschlossen sind. Die unangetasteten Lötstellen waren der Beweis, dass Gibson auch diese Schaltungsvariante viel früher verwendet haben muss. Einige alte Les Paul Customs habe ich ebenfalls mit diesem Wiring gesehen.

Mit 3,9 kg liegt sie vermutlich im guten Durchschnitt dieser Baujahre. Kein Leichtgewicht zwar, aber auch nicht wirklich schwer. Beinahe mystisch ist der Umstand, dass alle Besucher in meinem Shop der Meinung waren, dass diese Les Paul wesentlich leichter sei als alle Historic-Collection-Modelle, die hier an der Wand hängen. In Wahrheit wiegen diese Gitarren zufällig auch ziemlich exakt 3,9 kg. Offenbar fühlen sich alte Gitarren ganz subjektiv „leichter“ an.

Die PAF-Pickups messen 7,5 kOhm an der Front und 8 kOhm an der Bridge. Auch das ist einfach Durchschnitt und unterscheidet sich kaum von aktuellen Modellen oder den meisten Reissue-Pickups. Im direkten Vergleich mit Crazyparts-, Kloppmann- oder Amber-Pickups mit etwa gleichen Widerständen waren die alten PAFs jedoch etwas leiser als neuere Tonabnehmer. Vermutlich sind die Magneten nicht ganz so stark. Das konnte ich nicht messen, denn die alten PAFs durfte ich ja nicht öffnen.

Alle übrigen Spezifikationen sind weitgehend bekannt: Centralab 500k-Potis, die allesamt etwas „nach oben“ gedriftet waren (ca. 650k im Durchschnitt), Sprague-Bumblebee-„Paper in Oil“-Ton-Kondensatoren, Alu-Tailpiece, lange Stud-Schrauben, dünne Thumbwheels und original „non-wire“ ABR-1 mit Messingreitern.

Zum Schluss wäre noch das wunderbar schwarze und „ölige“ Rio-Palisander-Griffbrett zu erwähnen, das laut einigen mir gut bekannten Gitarrenbauern auch zu dem sprichwörtlichen „Snap“ in der Ansprache dieser Gitarren beitragen soll. Für mich ist es in erster Linie ein Genuss, auf diesen Hälsen zu spielen, da ein gut eingespieltes Rio-Board so glatt und widerstandslos zu bedienen ist. Zu schade, dass man das heute nicht mehr findet.

Vintage Rio-Palisander Griffbrett (Bild: Udo Pipper)

Zum Schluss gilt es noch, die Halsform zu beschreiben. Die ist hier wesentlich flacher als man vermuten würde und leicht V-förmig. Keine Spur also vom angeblich klobigen Goldtop-Profil. Alle Historics hier bei mir zuhause haben deutlich dickere Hälse. Ich habe keine Ahnung, warum Gibson diese tollen Hälse nicht mehr hinbekommt. Angeblich messen sie die alten Vorbilder doch mit einem 3D-Scanner, wie kann der sich nur derart irren?

Während der Dreh-Phase hatte ich Besuch von einem stolzen Besitzer einer „Charles Daughtry“ Colletors Choice Goldtop, die er zum Vergleich mitgebracht hatte. Der Hals dieser Gitarre war ein echter „Balken“, dem auch viel zu üppige Schultern beschert worden waren. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das dem Vorbild entspricht.

In der nächsten Ausgabe widmen wir uns den Amp-Sounds sowie dem Aufnahme-Prozess. Vintage Rio-Palisander Griffbrett Bis dahin …

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2021)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Danke für den Artikel und die damit verbundene Arbeit, Udo. So eine Zusammenfassung tut Not, sonst geht unser Wissen irgendwann unter.

    Zu den Halsprofilen kann ich nur sagen, dass es gerade in Übersee auch bei der Les eine baseball-bat Fraktion gibt, und die scheinen derzeit großen Einfluss auf die Modelle zu haben.

    Beste Grüße

    Oggy

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  2. Vielen Dank für den Bericht und einem für mich sehr entscheidenden Hinweis: Die Lautstärke und No Pedals: Meine Helden waren im Grenzbereich unterwegs. Neben den Hölzern, PAF und all dem Mojo ist es einfach so! Du kriegst das was diesen speziellen Ton angeht in Zimmerlautstärke nicht wirklich hin.
    12-15 Watt Röhre, großer Speaker und nur Volume und Tone Poti als Effekt ist in der Mietwohnung nicht realisierbar. Live nachzuhören wie es klingt unter anderem bei dem von mir geschätzten Henrik Freischlader, Marcus King, Derek Trucks oder Joe Bonamassa der dann auch diese Uraltteile am Start hat. Alles Gitarristen mit einem unglaublichen Vintage Ton und entsprechender Lautstärke

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