Workshop

Hot Rod Mod: Pickups wachsen

Anzeige
Chinesisches Parship: Die Squier Bullet aus dem Reich der Mitte mit dem Gut-und-Günstig-Humbucker.
Chinesisches Parship: Die Squier Bullet aus dem Reich der Mitte mit dem Gut-und-Günstig-Humbucker. (Bild: Marc-Oliver Richter)

Keine Frage, wenn man etwas Geld in die Hand nimmt, bekommt man im Musikinstrumentenbereich heutzutage richtig gute Qualität. Und dabei rede ich jetzt nicht von den meines Erachtens maßlos überzogenen Preisen für sogenannte Vintage-Instrumente, sondern von ganz normalen Instrumenten oder Zubehör, die im Musikgeschäft zum Kauf angeboten werden. Gerade die großen und bekannten Namen leisten sich in der Regel keine Ausrutscher mehr. Der Wert einer guten Qualitätskontrolle hat sich längst überall herumgesprochen. Aber wie sieht das im unteren Preissegment aus? Gilt hier auch noch die alte Regel „Wer billig kauft, kauft zweimal“?

Für diese Frage interessiere ich mich schon seit Jahren. Daher suche ich immer wieder mal Angebote der untersten Preiskategorie. Um es gleich vorwegzunehmen: Eine einhellige Aussage kann ich bis heute zu der Frage nicht treffen. Zu unterschiedlich waren meine Erfahrungen bisher. Von positiven Überraschungen bis zu (erwartbaren) Flops war schon alles dabei. So auch erst kürzlich, als ich für meine chinesische Squier Bullet Strat (positive Überraschung!) einen Humbucker im Singlecoil-Format aus China orderte.

Anzeige

Natürlich wäre ich mit den üblichen Verdächtigen für Nachrüst-Tonabnehmer – wie z. B. DiMarzio oder Seymour Duncan – auf der sicheren Seite gewesen, aber spannend ist es schon, mal zu schauen, was man am untersten Preisende so bekommen kann.

BILLIG ODER GÜNSTIG?

Die Bestellung in der großen Bucht kostete inklusive Versand 10,09 Euro. Ein ziemlich unfassbarer Preis für den man dann einen vieradrigen Klingen-Humbucker mit etwas mehr als 9 kOhm bekommt. Die genauere Durchsicht der chinesischen Angebote in der Online-Plattform zeigte dann, dass der gleiche Pickup-Typ von anderen Anbietern auch für höhere Preise verkauft wird. Kommt der Versand aus Europa, kosten vergleichbare Angebote mindestens das doppelte. Na, dann probieren wir doch mal den Direktversand aus Shenzen aus.

(Bild: Marc-Oliver Richter)

Nach gut zwei Wochen lag das kleine Plastikpäckchen im Briefkasten. Unter der Alu- und Luftpolsterfolie fand sich der georderte Pickup in einer originalen Tütchen-Verpackung mit Pappschildchen. Das erste Durchmessen ergab, dass die Angaben korrekt waren. Im Humbucker-Betrieb zeigte der Pickup die versprochen 9 kOhm, im Singlecoil-Betrieb dementsprechend etwa jeweils die Hälfte. Der Farbcode der Kabel ist etwas ungewöhnlich. Das schwarze Kabel als das heiße zu akzeptieren fiel mir erst etwas schwer. Aber so ist das wohl – Farben sind Schall und Rauch.

Für den Pickup-Einbau müssen die Saiten der Strat runter und das Schlagbrett abgeschraubt werden. Da die Kabel für Masse und Klinkenbuchsenanschluss ausreichend lang sind, muss nichts weiter demontiert werden. Das Schlagbrett wird für die Montagearbeit einfach umgedreht. Bevor ich es mir unnötig schwer mache und den alten Pickup versuche, an Poti und Schalter auszulöten, knipse ich das Kabel lieber mit dem Seitenschneider knapp an der Lötstelle ab.

Das Pickguard der Strat ist nach dem Lösen der Saiten schnell demontiert. (Bild: Marc-Oliver Richter)

Etwas fummelig ist die Montage des Pickups, der nur knapp durch den Pickup-Ausschnitt passt, und vor allem der Kampf mit Schrauben und Federn erfordert etwas Geduld. Früher wurden die Fender-Pickups mit kleinen Stückchen von Silikonschläuchen auf Abstand zum Schlagbrett gehalten, was die Befestigung deutlich vereinfachte, weil die Silikonschläuche die Schrauben auch gleich fixiert haben.

Die Pickups sind mit jeweils zwei Litzen am Schalter verlötet. (Bild: Marc-Oliver Richter)

VERFLIXT – ER PFEIFT

Nachdem wieder alles verschraubt ist und neue Saiten aufgezogen sind, geht es in den Keller zum Ausprobieren. Die Überraschung ist groß. Der Pickup funktioniert nicht nur, sondern er klingt auch gar nicht schlecht. Mit seinen 9 kOhm ist er weit davon entfernt, sich als Bratmaxe aufzuspielen. Die Basswiedergabe ist ausgewogen und differenziert, die Höhen sind dezent aber präsent. Damit kann man leben!

Dann mal verzerrt: Sehr schön, das lästige Singlecoil Brummen ist mit dem Doppelspuler weg. Er unterstützt den Zerrsound mit mehr Gain als der originale Singlecoil und klingt natürlich bauartbedingt deutlich komprimierter. So soll das ja auch sein. Aber was ist das? Das habe ich schon lange nicht mehr gehört: Der Pickup fängt bei höherem Gain jämmerlich an zu fiepen! Beim Spielen wird das Pfeifen zwar durch den Klang unterdrückt aber in Spielpausen gibt er ein fröhliches Feedback von sich, das – je nachdem, wo man steht – lauter, leiser oder auch mal ganz weg ist. Der Pickup ist mikrofonisch!

Ich fühle mich hier direkt in die 80er-Jahre zurückversetzt, als mir solche Missklänge schon mal bei neuen Gitarren der Schlecht-aber-Günstig-Klasse begegnet sind. Da ich damals nicht immer das Geld für einen Tonabnehmertausch hatte, wurde dem Problem mit deiner DIY-Lösung begegnet: Die Pickups kamen in ein heißes Wachsbad, für das ich den Teelichtvorrat meiner Mutter plünderte und meine Kommunions-Bienenwachskerze opferte.

WACHS HILFT

Das Pfeifen von Tonabnehmern kommt von der Spulenwicklung des Pickups. Ein Tonabnehmer ist im Prinzip ein Elektromagnet. Um einen Dauermagnet wird eine Spule aus dünnem Draht in ziemlich vielen Windungen gewickelt. Für den Klang sind das Metall des Dauermagneten, die Bauform, die Windungszahl und die Drahtdicke entscheidend. Man kann sich vorstellen, was auf Grundlage dieser Faktoren bereits für eine Vielzahl an Sounds möglich ist.

Je dünner der Draht und je mehr Wicklungen ein Tonabnehmer hat, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Wicklungen selbst noch etwas schwingen können und das erzeugte Magnetfeld eben nicht nur von den Stahlsaiten beeinflusst wird, sondern auch von dem Schwingen der Spule selbst. Das äußert sich dann in dem oben skizzierten Pfeifen. Daher werden die Pickups in der Regel schon beim Hersteller so behandelt, dass die Spulen versiegelt sind – meist kommen sie in ein Wachsbad. Das heiße flüssige Wachs dringt noch in die kleinsten Zwischenräume ein und sorgt nach dem Erkalten dafür, dass die Spule nicht mehr schwingen kann. Anscheinend ist der Produktionsschritt bei meinem Exemplar nur unzureichend erfolgt.

Bei genauerem Hinsehen erkennt man nämlich durchaus Wachsspuren auf dem Gehäuse. Aber das ist ja kein großes Problem. Im Keller steht noch mein Töpfchen mit dem Kerzenwachs. Wir holen das Wachsen einfach nochmal nach. Also muss der Tonabnehmer wieder raus. Grundsätzlich ist es am besten, das Gewebeband, mit dem die Spulen umwickelt sind, zu entfernen, damit das Wachs gut eindringen kann. Das ist aber riskant. Die Wahrscheinlichkeit, dass beim Lösen des Klebebandes der sehr dünne Spulendraht beschädigt wird ist recht hoch.

Nach Entfernen des Gewebebandes behindern noch die Kupferfolie und das Isolierband das Wachs (Bild: Marc-Oliver Richter)

Bei meinem Tonabnehmer habe ich das riskiert, nur um dann etwas überrascht festzustellen, dass unter dem Gewebeband noch eine Kupferfolie mit Masseanschluss und darunter auch noch um jede Spule eine Schicht Isolierband gewickelt ist. Wow, was für ein Aufwand für 10 Euro! Das Kupferband will ich nicht lösen, Also bleibt auch das Isolierband erst mal dran. Vielleicht kommt ja trotzdem genug Wachs in die Spulen. Außerdem habe ich die Hoffnung, dass das alte Wachs durch die neue Behandlung im heißen Wachsbad auch wieder flüssig wird und die Spulen dann neu fixiert. Schauen wir mal.

Als nächstes muss das Wachs auf Temperatur gebracht werden. Die Temperaturwahl ist allerdings eine Gratwanderung. Ist sie zu hoch, verformt sich ggf. das Plastik der Spulenkörper. Ist sie zu kalt, wird das Wachs nicht flüssig genug, um in alle Ritzen und Fugen der Spule vorzudringen. Ich versuche es mit 90°C, also der Temperatur bei der Wasser gerade anfängt erste Bläschen zu bilden, aber noch nicht kocht. Zur Temperaturkontrolle kommt der Wachstopf in ein Wasserbad. Das direkte Erhitzen des Wachstopfes wäre mir eh zu riskant. Hier besteht Brandgefahr!

Nach längerer Suche fand ich im Keller noch das Wachstöpchen mit dem Wasserbadtopf
Nach längerer Suche fand ich im Keller noch das Wachstöpfchen mit dem Wasserbadtopf (Bild: Marc-Oliver Richter)

Auch um das Wachs dann möglichst lange auf konstanter Temperatur zu halten, sollte es im Wasserbad erhitzt werden. Ich hatte damals neben den Haushaltskerzen aus Paraffin oder Stearin auch etwas Bienenwachs beigegeben, damit das Wachs nach dem Erkalten nicht zu spröde wird und bricht. Ist das Wachs komplett flüssig, kann der Tonabnehmer vorsichtig in das Bad gelegt werden. Der Pickup soll so lange im Wachsbad bleiben, bis keine Luftblasen mehr aufsteigen, das kann schon mal 10 Minuten dauern. Danach wird das gute Stück vorsichtig herausgenommen, zum Abkühlen stehengelassen und dann vom überschüssigen Wachs an der Oberfläche mit einem Stück Küchenrolle befreit.

Der Pickup im Wachsbad – wenn keine Bläschen mehr aufsteigen, kann der Pickup wieder raus. (Bild: Marc-Oliver Richter)

Nach dem Wiedereinbau kommt die Bestätigung. Ja, es hat etwas gebracht. Die Mikrofonie ist weg und der Humbucker klingt immer noch wie zuvor. Auch die Plastikteile haben nicht gelitten. Die Temperatur hat also gepasst. Bevor jetzt aber alle ihre Teelichtsammlung opfern, noch ein paar Worte zur Mahnung: Wie oben schon angedeutet, ist das Wachsen von Tonabnehmern heute kaum noch nötig, weil alle moderneren und hochwertigeren Pickups bereits ab Werk versiegelt sind.

Bis zu den 80er-Jahren war das noch nicht unbedingt üblich und gerade alte Vintage-Schätzchen sind oft ungewachst. Vintage-Experten sagen den ungewachsten Originalen auch einen besonderen Klang nach. Aber auch unabhängig davon würde ich vom Wachsen alter Schätzchen hinsichtlich des Werterhalts tunlichst abraten!

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2023)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Das Wachsbad für die Pickups überlasse ich stets meinem erfahrenen Gitarrenbauer hier in Hennigsdorf/bei Berlin.Da kann ich absolut sicher sein,daß da nachher nichts pfeift oder sonst irgendwie stören könnte.
    Fürwahr,bei richtig alten Vintage U.S. Fender Strats oder sehr guten Strat-Kopien aus Japan (Greco,Tokai etc.) würde ich sowieso strikt die Finger davon lassen,uralte originale Singlecoils ins Wachsbad zu tauchen! Das ist ganz richtig.Übrigens: Bei der Entfernung des Gewebebands würde ich allerdings auch besser die Finger lassen,denn der hauchdünne,extrem empfindliche Kupferdraht der Spulenwickelungen ist teilweise so zart wie ein Kopfhaar,aber garnicht so elastisch,sondern höchst empfindlich! Mein besagter Gitarrenbauer,der auch selbst in eigener Regie sehr gute Tonabnehmer von Hand akkurat wickelt,staunt häufig nicht schlecht über Kundenaufträge,die die haarfeinen Kupferdrähte ihrer Pickups aus laienhafter Unkenntnis somit regelrecht zerstörten.Neuwicklungen sind ja nichts außergewöhnliches,aber es kostet halt wieder extra,was ja letztendlich dem Gitarrenbauer wieder Arbeit beschert! Ich meine,Ratschläge und Tipps für Umbauten an E.-Gitarren sind einerseits ja gut gemeint,aber bitte nur in fachmännischen Händen!

    Auf diesen Kommentar antworten
    1. Korrekt gewachst idealer Weise unter Vakuum und am besten nur mit reinem Bienenwachs.

      Auf diesen Kommentar antworten
  2. Wenn man gerne bastelt, mag das ja Spaß machen.
    Aber ich würde da lieber mehr Geld ausgeben und einen Pickup kaufen, der fertig und gut ist.
    Und die “Vintageexperten” müssen ja immer ihre alten Instrumente als die besseren bezeichnen. Was durchaus öfters mal dann doch nicht so ist.
    Meine Gibsons und Fenders sind überwiegend aus dem jetzigen Jahrtausend und ich bin begeistert davon.

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren