Ger­man Blues He­ro

Interview: Henrik Freischlader

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(Bild: Timo Wilke)

Mittlerweile hat sich Henrik Freischlader wohl zum bekanntesten Blues-Gitarristen in Deutschland entwickelt. Mit neuer Band und neuem Album ist er pausenlos in ganz Europa unterwegs. Auf dem Guitar Summit im Mannheimer Rosengarten durften wir den fleißigen Musiker präsentieren und trafen uns vorab zum Interview.

Interview

In den vergangenen Jahren warst du mit deinem Gary-Moore-Tribute-Programm unterwegs. Verbindet dich mit Gary Moore eine ganz bestimmte musikalische Leidenschaft? Du konntest ihn ja auch noch persönlich kennenlernen.

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Gary Moore ist der Grund, warum ich überhaupt Gitarre spiele! Als ich ihn zum ersten Mal gehört habe – da war ich glaube ich 13 – hat es mich regelrecht umgehauen. Durch ihn habe ich mir dann vieles selbst beigebracht, habe seine Licks versucht rauszuhören, andere großartige Gitarristen wie B.B. King, Albert King und Albert Collins auf seinen Alben entdeckt und bin so richtig in den Blues eingetaucht.

Für mich ist Gary Moore einmalig. Niemand spielt so emotional wie er. Das hört und spürt man in jedem Ton. Als wir 2009 in Mosbach für ihn eröffnen durften, habe ich ihn nach dem Konzert kennengelernt. Da ging für mich wirklich ein Traum in Erfüllung!

Das Album ‚Blues for Gary‘ ist mein Dankeschön für das wohl größte musikalische Geschenk, das man einem damals 13-Jährigen machen konnte.

Letztes Jahr erschien dein neues Album ‚Hands On The Puzzle‘ mit einer ebenso neuen Henrik Freischlader-Band. Brauchtest du frischen Wind?

Ja, den braucht man ja immer irgendwie (lacht). Die Band hat sich sehr natürlich zum Ende einer Tour mit einer vielleicht etwas zu großen Band zusammengefügt. Mit Armin, Moritz, Roman und Marco hat es mir dann wieder richtig Spaß gemacht, Musik zu machen. Es kamen viele neue Ideen, und es lief alles wie von selbst – von den Proben bis zum fertigen Album.

Henriks 1963er-Strat (Bild: Timo Wilke)

Das Album klingt auch stilistisch ganz anders als die Vorgänger. Man hört neben Blues auch Fusion-, Funk- und sogar Jazz-Anleihen. Anzeichen für eine musikalische Weiterentwicklung jenseits des Blues?

Man entwickelt sich ja zum Glück immer weiter und wenn man offen ist für andere musikalische Einflüsse, also auch für die Qualitäten seiner Kollegen, dann ergibt sich die Richtung ganz automatisch. Wir haben viel unisono gespielt, Gitarre, Saxofon und Keyboard spielen hier und da kurze Phrasen gemeinsam. Die Grooves sind immer konstant und solide, und im Band-Sound hat jeder seinen festen Platz, ohne sich diesen erkämpfen zu müssen. Uns war wichtig, dass wir wie eine Band klingen!

Als Gast konntest du Helge Schneider verpflichten. Wie kam es dazu?

Wir haben irgendwann mal zusammengesessen und etwas abgehangen. Da kam Helge auf einmal mit der Textzeile um die Ecke: „People, they wanna have fun tonight – but they have no fun.“ Ich habe mich kaputtgelacht und fand, dass das den heutigen Lähmungszustand ziemlich haargenau auf den Punkt bringt (lacht). Zu unserem Hidden-Track auf dem Album passte diese Zeile perfekt und wer könnte sie besser rüberbringen als Helge Schneider selbst? Ich habe mich unheimlich gefreut, dass er das gemacht hat!

Aufgenommen wurde wieder bei Martin Meinschäfer im Megaphon-Studio in Arnsberg. Das Studio scheint mittlerweile dein zweites Zuhause geworden zu sein. Warum fühlst du dich dort so wohl?

Weil Martin Meinschäfer einfach sehr nett ist, ein astreiner Typ mit Gefühl, Geduld und Ahnung – wir verstehen uns gut, man muss nicht viel erklären und auch geschmacklich sind wir, was einen natürlichen Sound angeht, auf einer Wellenlänge. Es gibt guten Kaffee, wir haben viel Spaß und es geht immer um die Musik!

Das Album klingt diesmal sehr geschliffen mit deutlich mehr Fokus auf Feinheiten. Auch klanglich kommt alles etwas relaxter und entspannter rüber. Habt Ihr euch bei der Produktion mehr Zeit genommen als sonst?

Nicht wirklich, die Aufnahmen haben sich in einem ähnlichen Zeitrahmen abgespielt wie bei anderen Alben auch. Aber wir haben uns vorher sehr oft im Proberaum getroffen und dort an Feinheiten gefeilt und mit einem sehr natürlichen Sound geprobt. Und das haben wir für das Album weiter verfolgt.

Spielt Ihr Songs auch live ein oder track-by-track?

Das neue Album haben wir fast komplett live eingespielt. Die Vocals sind nachträglich aufgenommen.

Lass uns über dein Equipment sprechen. Seit dem Gary-Moore-Projekt scheinst du mehr und mehr auf Gibson-Gitarren zu setzen. Darf deine Stratocaster erst einmal ausruhen?

Im Augenblick schon, obwohl ich sie in Frankreich auch mal wieder dabei hatte. Für die Tour im Herbst nehme ich sie wieder mit, zusammen mit der Telecaster und meiner Les Paul. Das ist ein gutes Trio (lacht).

Spielst du immer noch deine Realtone Amps, oder hast du im Studio auch mal andere Verstärker eingesetzt?

Ich spiele immer noch Realtone Amps, ob zu Hause, im Studio oder live. Für meinen Geschmack sind das die besten Amps und ich bin sehr zufrieden. Für die Tour gibt es einen neuen Combo, der richtig gut klingt, noch etwas cleaner und perkussiver, stabil und voll mit zwei Speakern, einem goldenen Celestion Bulldog und einem Creme Bulldog. Dazu nehme ich dann noch mein uraltes Equipment von 2006 mit, die abgerockte Vox Box mit zwei blauen Bulldogs und meinen allerersten Signature Amp von Realtone, in den ich noch einen Röhrenhall einschleife. Das ist eine ziemlich gute Kombination.

2007er Gibson Les Paul
2007er Gibson Les Paul (Bild: Henrik Freischlader)

Dein Sound ist insgesamt cleaner, intimer und puristischer geworden, was mir persönlich sehr gut gefällt. Dein Effekt-Board ist wahrscheinlich recht überschaubar …

Das stimmt, es ist sehr überschaubar geworden: ein Tuner, ein Tubescreamer und ein RC-Boost, dazu gute Kabel von Klotz. Seit längerer Zeit mag ich den natürlichen Sound von Gitarre und Amp am liebsten. Das ist dynamischer und leichter zu bedienen. Weniger Knöpfe!

Dein neues Album taucht nicht bei Spotify auf. Zufall oder bewusste Abkehr von Streaming-Diensten? Wie stehst du dazu?

Das wollte ich dieses Mal umgehen. Man muss ja nicht alles mitmachen, besonders nicht wenn man es selbst entscheiden kann. Ich finde die Entwicklung zum kostenlosen oder spottbilligen streamen nicht schön, denn der Künstler wird dabei kaum bedacht. Und die, die daran verdienen, machen keine Musik. Außerdem finde ich es legitim und wichtig, dass man gezielt etwas sucht und es sich dann kauft. Dieses „Kunden-die-das-gekauft-haben-kauften-auch-Ding“ finde ich da eher schräg (lacht).

Es gibt sicherlich Pro-Argumente, dass Leute durch Spotify auf uns aufmerksam wurden, und auch dass es für den Musiknutzer kostengünstiger ist. Aber um welchen Preis? Wir Musiker sind auf die Verkaufserlöse unserer physischen Produkte angewiesen, um weiter gute handgemachte Musik produzieren zu können. Wenn diese Erlöse ausbleiben, verändert sich die musikalische Landschaft. Dann kann nicht mehr das produziert werden, was aus einer Künstlerseele geboren werden will, sondern nur noch Massenware, die sich in dieses Billig-System einfügt. Ich glaube, darüber macht man sich zu wenig Gedanken, was dazu führen kann, dass man die individuellen guten Dinge irgendwann gar nicht mehr vermisst. Dann ist dieser Spartrieb letztlich verdammt teuer bezahlt. Aber trotzdem wird es für diejenigen, die sich den Kauf einer CD oder LP nicht erlauben können, unser neues Live-Album kostenlos mit Video und gutem Sound bei YouTube geben.

Hast du bei all dieser Arbeit eigentlich noch Zeit, Musik zu hören? Gibt es noch aktuelle Werke oder Gitarristen, die dich beeinflussen oder sogar umhauen?

Ja klar, ich höre eigentlich immer Musik! Ich könnte zum Beispiel nie mein Büro aufräumen, ohne Oscar Peterson zu hören (lacht). Man braucht einen guten Rhythmus, um in die Gänge zu kommen! In den letzten Monaten war ich auch auf vielen Konzerten, etwa bei der Tedeschi Trucks Band. Derek Trucks ist so ein Gitarrist, der dich mit einem einzigen Ton umhauen kann. Aber es müssen nicht immer Gitarristen sein, ich war auch bei Lauryn Hill, Erykah Badu oder Sting. Seit einiger Zeit höre ich selbst nur noch Platten und ich gehe gerne auf Flohmärkte, um dort neue, alte Sachen zu entdecken. Dort trifft man immer nette Leute, die etwas zu erzählen haben. Ganz anders als im Einkaufszentrum!

Realtone Freischlader-Signature-Combo mit Celestion Alnicos
Realtone Freischlader-Signature-Combo mit Celestion Alnicos (Bild: Henrik Freischlader)

Auf dem nächsten Guitar Summit in Mannheim dürfen wir dich endlich präsentieren. Gibt es dort hauptsächlich Material vom neuen Album zu hören oder auch ein paar Freischlader-Klassiker?

Wir proben im Augenblick fast jeden Tag, feilen an unserem Programm und jammen schon mal ein paar neue Nummern, die bei den Soundchecks der letzten Tour entstanden sind. Auf unserer Herbsttour nehmen wir auch mal wieder ein paar ältere Stücke mit rein, zum Beispiel ‚Bad Dreams‘ (oder Wolkenwinde), ‚Breakout‘, ‚Desert Love‘, ‚Business Straight‘, ‚Keep Playing‘ und vielleicht auch ,The Memory Of Our Love‘. Die Songs habe ich jetzt schon lange nicht mehr gespielt, aber sie haben sich in der Besetzung wieder ziemlich gut angefühlt. Wir freuen uns auf alle Fälle sehr auf die Tour!

Denkst du mittlerweile mehr als Bandleader und Songschreiber oder zieht es dich schon auch mal in einen Gitarrenladen oder Vintage-Shop? Hast du noch Sound-Suche-Gas? Zum Beispiel einmal ein Album mit einer 59er-Burst aufnehmen? Könnte dich das reizen?

Das reizt mich ehrlich gesagt nicht, denn ich könnte mir eine 59er-Burst nie leisten, und was sollen dann meine anderen Gitarren denken? Ach, der feine Herr, jetzt spielt er die super teure (lacht). Ich gehe ab und zu gerne in einen Gitarrenladen, suche aber immer eher nach etwas mit Geschichte. Eine abgerockte Gitarre, die niemand mehr schön findet, reizt mich mehr als eine teure Custom Shop Les Paul. Insgesamt glaube ich aber meinen Sound gefunden zu haben. Aber man ist ja trotzdem immer auf der Suche. Und das macht ja auch Freude!

Pedalboard Henrik Freischlader
Boss Tuner TU-2, Ibanez Tube Screamer und Xotic RC-Booster (Bild: Henrik Freischlader)

Henrik Freischlader Workshop auf dem Guitar Summit 2019:

… und sein fulminanter Auftritt bei der Electric Party:

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2019)

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