Im Interview

Gina Gleason & Baroness: Zwischen Sphären und Shred-Attacken

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(Bild: Ebru Yildiz)

Wiederholungen sind im Hause Baroness nicht gerne gesehen. Daher hat sich das Quartett nicht nur für die Aufnahmen ihres neuen Albums ‚Stone‘ etwas Besonderes ausgedacht – auch Gitarristin Gina Gleason konnte sich breiter ausleben als zuvor. Neben Soundexperimenten kamen dieses Mal auch ihre technischen Fähigkeiten vollends zum Tragen. Geblieben hingegen ist ihre Liebe zur Tele.

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Gina, für das neue Album habt ihr euch etwas Besonderes überlegt: Ihr habt es in totaler Abgeschiedenheit aufgenommen. Warum?

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Dafür gibt es mehrere Gründe. Es fing damit an, dass wir während der Pandemie sehr vorsichtig sein mussten, wen wir treffen – eine Zeit lang also quasi niemanden, nicht mal uns als Band. Viele Monate nach dieser Phase der großen Vorsicht begannen wir, uns im kleinen Kreis wieder zu sehen. Daher schien es uns der sicherste Weg, auch das Album so zu machen – irgendwo draußen im Wald. Dort waren nur wir vier, es gab keinen Produzenten, keinen Engineer.

Dazu war es praktisch, in einer abgeschiedenen Umgebung zu sein, denn eine Band ist nun mal laut. In unserer Nachbarschaft könnten wir so etwas nicht machen. Normalerweise üben wir in Johns (John Baizley, Baroness-Sänger & -Mastermind, Anm. d. A.) Keller. Er hat sehr freundliche, nachsichtige Nachbarn, aber trotzdem haben wir dort natürlich ein Zeitlimit. Es schien uns daher sinnvoll, uns in einem Haus-Setting zu versammeln – so konnten wir morgens nach dem Kaffee ohne große Anfahrt direkt an die Arbeit gehen. Der dritte Grund war, dass es sich nach viel Spaß anhörte.

Das Album hat einen enormen Spannungsbogen. Lass uns mit dem Track ‚Last Word‘ anfangen. Bei deinem Einstieg bei Baroness im Jahr 2017 hast du das schnelle, technisch anspruchsvolle Spiel zugunsten atmosphärischer Klänge zurückgestellt und deinen Stil massiv verändert. Hier hört man dich hingegen wieder mit Vollgas solieren. Wie kam es dazu?

Angefangen hat es mit Sebastians (Sebastian Thomson, Drummer) Groove. Das Riff kam da fast wie von alleine. Daraus entwickelte sich die Akkordfolge für den Rest des Songs. In der Bridge-Sektion dachten wir, es wäre cool, hier ein größeres Solo einzubauen. John hatte da anfangs Bedenken, denn so etwas stand bei Baroness bislang nicht im Fokus. Die Soli von früher sind eher komponiert oder harmonisiert, eher eine Melodie. Das machen wir auch noch immer, aber es ist cool, jetzt die Option zu haben, beides einzubauen. Ich würde also nicht sagen, dass er danach gefragt hat.

Es war eher so, dass ich sagte: „Wollen wir so etwas ausprobieren? Das könnte gut werden.“ Der Entstehungsprozess von ‚Gold & Grey‘ (Vorgängeralbum von 2019), wo ich über mein Spiel neu nachdenken musste, drängte mich auf diesen anderen Weg. Jetzt bin ich etwas zurückgekommen. Oder: Ein Kreis hat sich geschlossen. Jetzt kommen auch wieder Dinge rein, die ich früher so an der Gitarre geliebt habe – das aber mit der neu gefundenen Perspektive, andere Ansätze entdeckt und verfolgt und neue Wege gefunden zu haben, mein Instrument anzugehen. Das hat mir sehr geholfen, die Gitarren auf diesem Album zu komponieren. Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Reise machen durfte.

Hast du das Solo auf deiner weißen Tele eingespielt?

Jawohl. Die Gitarre gehört eigentlich John. Ich habe tatsächlich alles mit ihr eingespielt. Es ist sowohl im Studio als auch auf der Bühne mein Hauptinstrument.

Es handelt sich dabei um eine handelsübliche Fender American Pro ohne jedwede Modifikation.

Ich liebe sie und habe nichts daran verändert. Wenn ich eine Custom-Gitarre konzipieren sollte, wäre sie genau wie diese. Sie ist so derart vielseitig und komfortabel. Ich habe das Solo über einen kleinen Fender Champ aufgenommen. Davor hingen ein Kompressor und ein Fuzz-Pedal. Das war es.

Du kommst ja eher vom schnelleren Spiel. Bevorzugst du daher den flacheren 9,5“-Radius im Vergleich zum klassischen 7,25er?

Ja. Ich mag es flacher. Das scheint jetzt etwas unlogisch, denn es macht den Hals gefühlt breiter. Man könnte meinen, das macht es schwerer, schnell zu spielen. Aber dennoch liegt mir der flachere Radius eher als ein dicker und runder Hals.

Was ist mit deiner alten G&L passiert, die du gespielt hast, als du in die Band kamst? Ist sie in Rente?

Ich habe sie noch immer, es ist eine Asat Classic von 1992. Ich habe sie auf A-Standard runter gestimmt und verwende sie dementsprechend für die tieferen Sounds, die wir ja auch von Zeit zu Zeit einsetzen.

Auf der anderen Seite sind viele Gitarristen verrückt nach Vintage-Gear. Hat dich dieser Virus auch schon erwischt?

Wir hatten die Möglichkeit, einen Auftritt in der Chicago Music Exchange (Musikladen mit großer Vintage-Kollektion) aufzunehmen. Sie waren so freundlich, uns all ihre alten Instrumente nutzen zu lassen. Der Sound dieser Performance war ein Traum. Wir nehmen diese Aufnahme sehr oft als Referenz her. Es war komplett unwirklich. Du kannst es dir auf YouTube anschauen. Es war eine tolle Erfahrung, doch aktuell sind Vintage-Instrumente keine Option für mich – das ist finanziell nicht drin. Aber ich würde sagen: Es ist ein Ziel. Die Art, wie es klang, hat mich umgehauen. Fast so schon magisch.

 

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