Japan Vintage: Ibanez 2455 NT Archtop von 1975

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(Bild: Lothar Trampert)

Ibanez-Archtops aus den 1970er-Jahren, und zwar aus der Zeit noch bevor man Jazz-Größen wie George Benson, Joe Pass, Pat Metheny, Lee Ritenour und John Scofield mit Signature-Modellen beglückte – sind heute extrem gesucht. Sie waren hervorragend verarbeitet, wurden in überschaubaren Stückzahlen produziert und sind daher heute entsprechend im hochpreisigen Japan-Vintage-Segment angesiedelt.

Ibanez, bzw. der japanische Instrumentenhersteller Hoshino Gakki, hatte sich in den frühen 70ern mit hervorragenden Gitarrenbauern zusammengetan, beste Hölzer verwendet und so hochwertige Instrumente zu sehr angemessenen Preisen auf den Markt gebracht, die insbesondere Gibson, deren Produktqualität damals auch im Archtop-Bereich schwächelte, blass werden ließ.

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Wie auch einigen anderen asiatischen Herstellern gelang es Ibanez von dieser Tatsache zu profitieren und mit oft identisch aussehenden Instrumenten große Marktanteile zu gewinnen. Der damals hinter Gibson stehende Konzern Norlin hatte dann Mitte der 70er-Jahre mit Klagen gedroht, damals primär wegen des „Open Book Headstock“ als Erkennungszeichen der US-Gitarren.

Als 1977 dann der markenschutzrechtliche Prozess eröffnet wurde, hatte Hoshino Gakki sich schon entsprechend neu orientiert und eigene Designs entwickelt. Zuerst waren die Kopfplatten dran, dann kamen viele großartige eigene Entwicklungen ins Spiel. Der Rest der erfolgreichen Ibanez-Historie als eigenständige Instrumentenmarke ist bekannt. 1978 einigten sich die beteiligten Parteien übrigens außergerichtlich, und Ibanez verzichtete auf zu eindeutige Gibson-Inspirationen und konzentrierte sich auf die eigenen Serien Artist, Performer und Musician.

GEORGE BENSON

Noch bevor Ibanez 1977 mit der GB10 das erste Signature-Modell für George Benson entwickelte, hatte man mit der 2455 NT (einer Kopie von Gibsons L4-CES) eine Gitarre im Portfolio, die gemeinsam mit dem Floating-Pickup-Modell 2461 (einer Johnny-Smith-Kopie) durchaus einige Anregungen für die späteren GB-Modelle geliefert haben könnte. Denn Bensons Kooperation mit Ibanez begann bereits Mitte der 70er-Jahre, und er hat damals auch zeitweise Archtop-Gitarren aus der FA-Serie gespielt.

Mit der GB10 ging man dann gemeinsam einen eigenen Weg, der nichts für Traditionalisten war. Daher folgte kurze Zeit später die klassische GB20, eine Archtop im 16,5“-Format, mit einem Pickup und einem Lautstärkeregler. Ibanez hatte schon damals ein Feeling für alte und neue Zielgruppen. Beim Ibanez-Pre-Lawsuit-Modell 2455 NT, ohne Seriennummer, mit Gibsontypischer Open-book-Kopfplatte, spitzem Florentine-Cutaway wie bei einer ES-175, dem u. a. von der L-5 bekannten opulenten Tailpiece und einem 16“-Body, handelt es sich um eine extrem vielseitige und sehr zugängliche Jazz-Archtop.

Die Ibanez 2455 NT liegt optisch wie klanglich zwischen der voluminösen L-5 und der etwas spritzigeren und handlicheren ES-175. Das hier zu sehende Modell wiegt 3,4 kg, ist großartig verarbeitet und extrem gut bespielbar. Zwei originale Super-70-Humbucker liefern einen offenen Ton, der Handschuhwärme aber auch Eric-Gale-Mittigkeit oder die von Benson bekannte akustische Spritzigkeit mit feinen Präsenzen ermöglicht.

DAS VORBILD

Gibsons L-4, an der sich Ibanez bei der Ibanez 2455 NT orientiert hat, hat übrigens eine sehr lange Geschichte. Eingeführt wurde die Archtop bereits 1911 als akustische Rhythmusgitarre mit massiver, geschnitzter Decke; damals hatte sie noch ein ovales Schallloch und der Hals setzte am 12. Bund am Body an. Später näherte man die L-4 in einigen Punkten der L-5 an, und ab 1935 hatten beide Gitarren dann die klassischen F-Holes. Die 1949 erschienene ES-175 war mehr oder weniger eine elektrifizierte L-4, allerdings mit laminierter Decke.

Seit den 1950ern war dann aber auch die L-4 als hochwertige elektrische Archtop auf dem Markt, allerdings mit Unterbrechungen. Dank ihrer aufwendigen Konstruktion mit Zargen und Boden aus massivem Mahagoni und einer geschnitzten Decke aus massiver Fichte hat die L-4 einen sehr ausgewogenen, warmen Klang. Da kann die schöne Ibanez-Kopie nicht in allen Punkten mithalten, was Bauweise und Materialien angeht. Wobei der klangliche Unterschied zwischen einer massiven und einer laminierten Archtop-Decke im elektrifizierten Einsatz schon von vielen Höhenwegdrehern dieser Welt und ihren Polytone-Amps sehr relativiert wurde.

KOPIE MIT SUBSTANZ

Die in einem sehr schönen Natural Blonde Finish gehaltene Ibanez 2455 NT hat eben exquisite laminierte Hölzer zu bieten: Ahorn an den Zargen und am Boden, die Decke besteht aus Fichte. Auf dem dreistreifigen Maple-Neck mit C-Profil und dem früher mal sehr dunkel gebeizten Rosewood-Griffbrett – „ebonized“ nannte man das – finden sich 20 Medium-Jumbo-Bünde; die Mensurlänge beträgt 24,75“, entspricht mit 628 mm also der einer ES-175, die etwas kürzer ist als die 25,5“ einer L-5 oder einer Stratocaster.

Der Toggle-Switch in problematischer L-5- oder Super-400-Position – wie der Prospekt zeigt, anders als beim Gibson-Original L-4 CES.

Edel ist die Griffbretteinfassung mit fünflagigem Binding gelungen, die dem Griffbrettradius angepasste, höhenverstellbare Tune-o-matic-Bridge sitzt auf einer Holz-Basis. Die Gold-Hardware kommt sehr hochwertig rüber, die Reglerknöpfe und die lustigen Sterne auf der Rückseite der Ibanez-Stimmmechaniken wirken etwas wie aus einer anderen Welt. Diese schöne Gitarre blüht noch mal so richtig auf, wenn man sie im originalen Koffer sieht, gebettet in strahlend blauem Plüschsamt.

Blaue Gefühle bekommt man dann auch an der Kasse, sofern man überhaupt einen willigen Verkäufer oder eine Verkäuferin trifft, die sich von diesem Trauminstrument trennen möchten. Die Preise haben sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt, und so verlangt man für eine solche Ibanez-Lawsuit-Archtop der Oberliga heute gerne mal 3500 Euro. Ein Import aus Nicht-EU-Ländern ist daher schon purer Luxus, denn dann käme noch mal ein knapper Tausender für Shipping, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer drauf. Und jetzt hat sicher gerade der ein oder andere diesen bekannten „Oh, hätte ich die damals nur nicht verkauft“-Satz im Kopf. Das geht mir gerade genau so … Schön, dass wir gemeinsam dazugelernt haben!

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2022)

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich hatte eine Johnny Smith von 1978, mit einem PU, die nachhaltig in Erinnerung geblieben ist, denn eine JS ist konsequent auf akustischen Ton gebaut, der sehr, sehr artikuliert ist und nicht ganz so warm ist, aber seinesgleichen sucht. Die Abweichung im Bau der JS zu anderen Archtops wie L4, L5 ,Super 400 und Epiphones Masterbilts aus den 30er und von einzelnen Archtop-Meisterbauern ist die 25“ Mensur und die Zargenhöhe, welche nicht so tief ist wie bei L5 Super 400 etc. und deshalb ist der Ton bei der geschnitzten Decke und allen massiven Hölzern unglaublich schnell und präzise da, der schnellt quasi aus den F-Löchern wie vom Katapult aus ins Ohr, das kann eine Ibanez Johnny Smith mit ihrem tiefen Body und den gesperrten Hölzern nicht ansatzweise. Und somit verliert sie immer den direkten akustischen Vergleich, trotzdem ist die Ibanez eine sehr gute Gitarre aber leider nicht direkt zu vergleichen, da anders gebaut als die Echte Johnny Smith von Gibson.

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