Altes Goldstück, frisch poliert

Ibanez AR420-VLS im Test

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E-Gitarre von Ibanez im Vintage-Style, stehend
(Bild: Dieter Stork)

 

Ibanez erinnert mit gutem Grund an seine frühen Jahre der Selbstfindung. Mit dem originalen Artist-Design begründeten die Japaner ihre gestalterische Autonomie als Gitarrenbauer und schon bald sollten viele originäre Entwürfe folgen. Das vorgestellte Modell AR420-VLS ist also das Reissue eines frühen Klassikers im Ibanez-Programm und orientiert sich an den unter Sammlern sehr begehrten Modellversionen aus den 70er-Jahren.

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Auf dem Cover eines Ibanez-Katalogs von 1977 posiert der amerikanische Gitarrist Steve Miller mit einem Artist-Modell. Das selbstbewusste Statement markiert einen Wendepunkt in der Geschichte einer Firma, die zuvor ihren Profit vornehmlich aus der Imitation amerikanischer Erfolgs-Designs gezogen hatte. Nicht ganz freiwillig zog sich Hoshino Gakki mit Ibanez damals aus dem Kopiergeschäft zurück, denn Gibson hatte 1976 seine Rechte auf Trademark-Schutz geltend gemacht. Beispiellos allerdings, wie überaus erfolgreich sich Ibanez dann in kurzer Zeit zum souverän gestaltenden Gitarren-Designer mit enormem Star- Potential wandelte.

 

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Super 58 Custom Pickups (Bild: Dieter Stork)

 

Konstruktion der Ibanez AR420-VLS

Der schlüssig gestaltete Artist-Korpus mit den symmetrisch geschnittenen Cutaways besteht aus dreiteiligem Mahagoni, dem eine spiegelgleich gefügte, sanft konturierte Decke aus fein geriegeltem Ahorn aufgesetzt wurde. Die Deckenränder sind mit einem cremefarbenen Binding eingefasst, das überdies mit farbreich glimmernden Einlagen aus Abalone hinterlegt ist. Zur komfortablen Anlage am Spieler erhielt der Boden einen leichten Kehlschnitt am oberen Zargenrand.

Der Hals aus dreiteilig gefügtem Ahorn ist in Höhe des 19. Bundes mit fließend gestaltetem Halsfußübergang in den Korpus eingeleimt. Im eingebundenen Griffbrett aus Palisander finden sich 22 sauber abgeglichene, mittelstarke Bünde und Perl/Abalone-Block-Inlays. Eine Volute verstärkt den Winkel im Übergang zur Kopfplatte unterhalb des Sattels aus Kunststoff. Über gekapselte Mechaniken im Grover-Stil lässt sich das Instrument verlässlich stimmen. Der leicht zu öffnende Clip-Verschluss oberhalb des Sattels ermöglicht schnellen Zugriff auf den Halsstab. Am Korpus werden die Saiten über die ART-1 Bridge mit individuell beweglichen Saitenreitern geführt und vom Quik Change Classic Tailpiece gekontert, in das sich die Saiten leicht und schnell von oben einhängen lassen.

Die elektrische Ausstattung der AR420 umfasst zwei Super-58-Custom-Humbucker-Pickups mit Alnico-Magneten in Goldkappen, welche in cremefarbenen Rähmchen höhenverstellbar aufgehängt sind. Individuelle Volume- und Tone-Regler mit griffigen Knöpfen, zwei davor platzierte Mini Switches – die berühmte Tri-Sound-Schaltung, welche über ihre dreistufigen Mini-Switches jeweils folgende Pickup-Auslegungen zulässt: Humbucker, Singlecoil und Humbucker parallel – und der Dreiwege-Toggle Switch zur Pickup-Wahl auf dem Horn oben vorn stehen zur elektrischen Verwaltung und tonfarblichen Gestaltung bereit. Der Mini Switch oben vor dem Volume-Knopf des Hals-Humbuckers ist übrigens für den Steg-Pickup zuständig, gut erreichbar sind beide. Die beachtlich kompetent in China gebaute Gitarre verfügt über eine Mensur von 628 mm.

 

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Verblüffend ähnlich: Ibanez Artist 2622, gebaut im Dezember 1977. Das Topmodell der Artist-Serie, die 1977 auf den Markt kam. Ab Werk kam die Gitarre mit Super 80 Pickups, hier durch DiMarzio Pickups ersetzt, und hatte eine Aktiv-Elektronik mit 3-Band-EQ an Bord. (Bild: Dieter Stork)

 

Die Ibanez AR420-VLS in der Praxis

Der Erfolg des Double-Cutaway-Artist-Designs hatte gute Gründe: Die kompakte, vom Les-Paul-Modell inspirierte Bauweise, das bestens freigestellte Griffbrett, der gleitende Hals/Korpusübergang, gute Pickups, die variable Tri-Sound-Schaltung, pfiffige Detaillösungen wie die Gibraltar Bridge und nicht zuletzt der coole Look verschafften dem Ibanez-Modell seinen klassischen Status.

Die aktuelle Neuauflage folgt dem klassischen Modell mit enger Anlehnung, ist aber mit knapp 3,3 kg recht leicht, was bei den Vorgängermodellen nicht immer der Fall war. Das Halsprofil ist nicht so flach, wie das bei vielen anderen Ibanez-Modellen der Fall ist. Bei guter Breite füllt es die greifende Hand aber auf höchst angenehme Art und verschafft uns komfortable Spielbedingungen dank tief eingestellter Saitenlage über den glatt polierten Bünden im flach gestalteten Palisandergriffbrett (12″-Radius). Darüber hinaus ist die optimale Bespielbarkeit des Halses bis hinauf zum letzten Bund zu loben.

Die Konstruktion der AR420 überzeugt mit seriösem, akustischem Basisklang, der schnelle Ansprache, gute Saitentrennung und sattes Sustain mit bemerkenswertem Knurrverhalten in den Mitten in Verbindung bringt – na klar, das schmeckt nach Rock.

Den Beweis dafür tritt die Artist am Amp an, denn ihre Super-58-Custom-Pickups nähern sich mit moderatem Output durchaus jenem berühmten „Golden Age Tone“ an, der in allen Ausprägungen des Classic Rock den Ton angibt. Wie immer bei Instrumenten mit Geschichte, ist man versucht, dieselben im historischen Kontext zu sehen. Das ist zwar nicht verwunderlich, soll aber aktuelle Einsatzbereiche keinesfalls einschränken. Der Humbucker am Hals überträgt ein klar und voll zeichnendes, ausgeglichenes Akkordbild mit saftigen Bässen, warmen Mitten und guten Höhen. Im Zerr-Modus überrascht er mit einer goldenen Kehle und gefestigter Stimme, die vor allem im Bereich um den 12. Bund herum mit schönem Schnalzen auf den Anschlag reagiert. Vielleicht fehlt ihm die letzte High-End-Eleganz, ein guter Sänger ist er aber allemal.

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Eingebundenes Griffbrett mit Pearl/Abalone Block Inlays (Bild: Dieter Stork)

Der Steg-Pickup liegt in seinen Impedanzwerten nur unwesentlich über denen des Kollegen am Hals, was für eine ausgeglichene Wiedergabe spricht. Dennoch spitzt er den Sound schon positionsbedingt etwas konkreter zu und liefert genau den zuschnappenden Biss, mit dem wir rhythmisch akzentuiert arbeiten können. Gehen wir in den Overdrive, so zeigt der Super-58-Custom-Humbucker sich von der rockigen Seite. Mit Druck und trockener Präsenz jetten ungemein kompakte Akkorde durch den Raum und in Sachen Lead legen wir auch noch ein paar Kohlen drauf. Schneidend, konturstark, angriffslustig – das, meine Damen und Herren, kann sich absolut hören lassen.

Über die zwei Mini-Switches lassen sich nun nicht nur schnelle dynamische Wechsel erzielen, sondern natürlich auch starke klangfarbliche Änderungen vornehmen. Im Singlecoil-Modus (Mittelstellung) liegt jeweils ein kehliger Ton an, der recht scharfzüngig daherkommt. Vom Output her deutlich unter dem Humbucker-Sound bleibend, sichelt er mit scharfer Präsenz durch den Mix, ist extremely snappy, wie der Amerikaner zu sagen beliebt. In der Schaltposition vorn liegt die parallele Verschaltung der Spulen an, was keinen weiteren bemerkenswert dynamischen Sprung mehr ausmacht und eher ein auf etwas andere Weise ausgedünntes Tonbild hören lässt. Insgesamt 15 verschiede Sounds liegen mit dieser vielseitigen Schaltung jenseits der Einflussnahme über die auch noch bestens arbeitenden Volume-und Tone-Regler an. Die sind überdies schnell und mit guter Übersicht zu realisieren. Das alles verleiht dem Spieler eine optimale Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit für die verschiedensten Situationen auf der Bühne oder im Studio.

Der Toggle Switch im oberen Horn ist für meinen Geschmack zwar immer noch nicht optimal positioniert, liegt für bestimmte Spieltechniken einfach etwas zu nah am Aktionsradius der rechten Hand – aber das war früher ja auch nicht anders, kann bei einem Reissue-Modell also nicht mal für einen ordentlichen Minuspunkt herhalten – Schietkram aber auch!

 

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Geschmeidiger Hals/Korpusübergang (Bild: Dieter Stork)

 

Resümee

Schlagende Idee: Ibanez stellt eins seiner frühen Erfolgs-Designs in preisgünstiger Neuauflage vor. Das Modell AR420-VLS zeigt eindrucksvoll, welch hohen Industriestandard die Reihenfertigung in China inzwischen erreicht hat, denn die Gitarre überzeugt nicht nur durch saubere Verarbeitung unter Einsatz seriöser Komponenten, sie klingt einfach rundum beeindruckend und lässt sich auch noch gut spielen. Da weiß man gleich wieder, was den Reiz des Artist-Modells seinerzeit ausmachte und bis heute am Leben erhielt. Komfortabel in der Handhabung, großer Aktionsradius auf dem Griffbrett, deftige Vintage+-Sounds durch die in diesem Modell erstaunlich frisch auftrumpfenden Super-58-Custom-Pickups und die Option auf mannigfaltige optionale Klangangebote durch die variable Tri-Sound-Schaltung – das alles brachte damals Ibanez auf die Gewinnerstraße und macht auch heute noch hohen Sinn. Wie man es auch dreht und wendet, die Ibanez AR420-VLS bietet einfach eine Menge Gitarre für’s Geld – ausprobieren!

 

Übersicht

Fabrikat: Ibanez

Modell: AR420-VLS

Typ: Solidbody-E-Gitarre

Herkunftsland: China

Mechaniken: Grover-Typ, gekapselt

Hals: Ahorn, dreiteilig, eingeleimt

Sattel: Kunststoff

Griffbrett: Palisander, eingefasst, eingeleimt, Pearl/Abalone Block Inlays

Radius: 12″

Halsform: kräftige D-Form

Halsbreite: Sattel 42,8 mm; XII. 52,7 mm

Halsdicke: I. 20,9 mm; V. 22,2 mm; XII. 23,7 mm

Bünde: 22

Mensur: 628 mm

Korpus: Mahagoni, 3-teilig, Decke Ahorn, geflammt

Oberflächen: Violin Sunburst

Schlagbrett:

Tonabnehmer: Ibanez Super 58 Custom Humbucker (Hals 7,1 kOhm; Steg 7,4 kOhm)

Bedienfeld: 2x Volume, 2x Tone, 1x Dreiweg-Pickup-Schalter, 2x Mini Switches (Tri Sound)

Steg: ART 1 Bridge; Quik Change Classic Tailpiece

Hardware: Gold

Gewicht: 3,3 kg

Lefthand-Option: nein

Vertrieb: Meinl Distribution

91468 Gutenstetten

www.meinldistribution.de

www.ibanez.de

Zubehör:

Preis: ca. 555

 

Plus

  • stimmige Neuauflage
  • Konstruktion
  • Schwingverhalten/Sustain
  • Super 58 Pickups
  • kraftvoll bissige Sounds
  • Variabilität (Tri-Sound-Schaltung)
  • Handhabung
  • Preis/Leistung
  • Verarbeitung
Produkt: Gitarre & Bass 5/2022 Digital
Gitarre & Bass 5/2022 Digital
IM TEST: Zoom B6 +++ Framus Wolf Hoffmann WH-1+++ Valco FX KGB Fuzz, Bloodbuzz und Five-O +++ Sandberg California Central +++ Origin Effects Bassrig +++ Lava ME 2 Freeboost & ME 3 +++ One Control Strawberry Red +++ Fender Player Plus Meteora HH & Active Meteora Bass +++ Marshall 2525H & JVMC212 Black Snakeskin LTD

Kommentare zu diesem Artikel

  1. vielen dank für diese infos. hatte meine kaufentscheidung zwar schon vorher getroffen, kann aber alles soweit bestädigen.

    beste grüße

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    1. Vor ein paar Monaten habe ich eine fast neuwertige gebrauchte AR 420 VLS erstanden und bin wirklich angetan von der Gitarre. Bis auf eine leichte Kopflastigkeit am Gurt habe ich nix zu meckern.
      Baujahr dürfte so um 2020 sein, evtl. daher die Unterschiede zur obigen Beschreibung der verwendeten Hölzer: das Griffbrett bei meinem Exemplar ist aus Jatoba, was ich aber nicht nachteilig zu Palisander finde. Der Korpus ist aus Oukumè, auch als Gabun Mahagoni bekannt.
      Ansonsten kann ich das geschriebene bestätigen.
      Die Ibanez hat bei mir eine Epiphone Les Paul Standard Pro ersetzt, was sich als absolut richtige Entscheidung herausstellte! Die Epi klang mir immer irgendwie zu muffig, auch ein PU Tausch brachte nur ein unwesentliche Verbesserung. Die AR420 klingt dagegen um einiges frischer, brillianter, offener. Die Verarbeitung finde ich noch ein Quentchen besser als bei der schon nicht schlechten Epi LP.
      Absolut empfehlenswerte Gitarre für Blues- bis Hardrock.

      Auf diesen Kommentar antworten
      1. Meine 2015er 420 VLS war seinerzeit noch mal kurz zur perfekten Optimierung beim Gitarrenbauer und ist aktuell eines meiner besten Pferde im (prall gefüllten) Stall. Super Verarbeitung, Top Optik, und spielerische Wohlfühl Garantie. Unglaublich facettenreich im Sound. Ich bin ein riesiger super 58 Fan, zumal die meiner Meinung nach immer noch genau so gut klingen wie Anfang 80er. Einzig das Fehlen eines Tremolos, macht für mich manchmal noch ‘ne zweite Klampfe notwendig. Ansonsten geht alles, was eine klassische E-Gitarre können muss. Meine Empfehlung selbst für Rocker, wie mich: Thomastik Saiten!

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