Bewährtes Rezept

Hot-Rod-Jott: Schecter J-4 Diamond im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Was auf den ersten Blick aussieht, wie ein gewöhnlicher Jazz Bass, entpuppt sich bei näherer Betrachtung doch noch als Instrument mit dem einen oder anderen nicht alltäglichen Detail.

Schecter ist, zumindest bei der jüngeren Generation, der auch ich angehöre, in erster Linie für Instrumente der „Heavy“-Kategorie bekannt. Wer heutzutage einen Jazz Bass kaufen will, greift zu Fender, Sandberg, Sadowsky oder Sire, um nur einige zu nennen. Der Punkt ist: Ich kenne niemanden, der bei „Jazz Bass“ mit dem ersten oder auch zweiten Gedanken bei Schecter landet.

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Zu Unrecht, wie der US-amerikanische Hersteller bereits mehrfach unter Beweis gestellt hat. Tatsächlich liegen sogar die Wurzeln des Unternehmens bei genau diesen Instrumenten, aber das soll hier eigentlich gar keine Geschichtsstunde werden. Um das Portfolio bezahlbarer Instrumente zu erweitern, soll sich nun auch der J-4 in die Riege der „konventionellen“ Bässe einreihen und bringt dazu viele klassische Merkmale mit.

BEWÄHRTES REZEPT

Ein verschraubter, einteiliger Ahornhals sowie ein deckend lackierter Korpus aus Erle liefern hierzu die Basis. Auf das Rösten des Ahorns, wie man es bei vielen modernen Jazz Bässen sieht, wurde beim J-4 wohl aus Kostengründen verzichtet. Etwas frischen Wind in das ursprüngliche Fender-Design bringt stattdessen die schnittig geformte Kopfplatte, auf deren Rückseite sich die Seriennummer und der Verweis auf den Herstellungsort finden lassen: Indonesien.

Klar, möchte man als Hersteller gleichzeitig hochwertige Materialien und Bauteile, gute Verarbeitung und einen Verkaufspreis deutlich unter zweitausend Euro miteinander vereinen, bleiben nicht viele Alternativen. Was die ersten beiden Kriterien betrifft, würde ich das Vorhaben als recht gelungen bezeichnen. Sowohl Bridge als auch Stimmmechaniken wirken sehr hochwertig und lassen sich mit gleichmäßigen Drehwiderständen bedienen. Gleiches gilt für das am Halsfuß zugängliche Spokewheel zur Einstellung der Halsspannung. Hier weicht man glücklicherweise von der traditionellen (Fehl-)Konstruktion eines von der Halstasche verdeckten Zugangs ab und folgt moderneren Konstruktionsweisen. Ebenfalls etwas moderner gestaltet sich die Verschraubung des Halses, die mit Buchsen für die Schrauben auskommt, anstelle einer großen Metallplatte. Zusammen mit den Hülsen der Saitenführung durch den Korpus wirkt der Bass so ein ganzes Stück jünger als sein Vorbild. Kleines Detail, große Wirkung.

Eine deutlich spürbare Wirkung haben auch die leider nicht gänzlich verrundeten Bundenden der 21 X-Jumbo-Bünde. Zwar würde ich sie noch nicht als scharfkantig bezeichnen, empfinde sie, angesichts eines Preises von etwa 1200 Euro, auf Dauer jedoch durchaus als störend. Mit etwas Erfahrung, Malerkrepp und einer Feile ist so etwas schnell behoben, sollte aber eigentlich bereits im Werk oder spätestens bei der Kontrolle im Vertrieb geschehen sein und nicht im heimischen Musikzimmer. Hinsichtlich der Verarbeitung gibt es sonst aber nichts weiter auszusetzen und ich kann mich der Spielpraxis widmen.

(Bild: Dieter Stork)

HANDLING

Hier kann der J-4 wieder einige Punkte sammeln, wenngleich ein Hang zur Waagerechten nicht zu leugnen ist. Da das zu einem gewissen Teil aber normal für diese Bauart ist, gerade unter Verwendung traditioneller Stimmmechaniken, kreide ich dem Bass das nicht negativ an. Wer das absolute Höchstmaß an Ergonomie sucht, stellt sowieso nicht die Zielgruppe eines 4,4kg schweren Jazz Basses dar. Insofern ist hier alles im Rahmen und spätestens an einem guten Gurt macht die Kiste richtig Spaß. Einmal eingestellt, fliegen die Finger dank des dünnem Halsprofils über das Griffbrett. Auf Handballenablage sowie „Aschenbecher“ hat man verzichtet und so steht auch Slap-Einlagen oder brückennahem Finger-Funk nichts im Wege.

ANGEZAPFT

Die Umwandlung von der mechanischen Saitenschwingung in elektrisch verstärkbare Tonsignale erfolgt durch zwei hauseigene Single-Coil-Tonabnehmer, die abseits von allen optischen Attributen das interessanteste Merkmal des Instrumentes darstellen. Damit meine ich nicht nur die Keramikmagnete, die anstelle der sonst üblichen AlNiCo-Legierungen zum Einsatz kommen, sondern vor allem den Aufbau der Spulen mit Mittelabgriff. Der im Englischen „Coil Tap“ genannte Aufbau ermöglicht das Abgreifen des Signals bereits vor der maximalen Windungszahl. Hierüber wird die Induktivität eines Tonabnehmers reduziert, was sich zum einen in weniger Output äußert und zum anderen in einem offeneren Klang mit mehr Höhen. Nicht zu verwechseln mit „Coil Split“, bei dem die einzelnen Spulen eines Humbuckers separat angezapft werden. Bei Gitarrentonabnehmern begegnet einem der Coil-Tap öfter mal, wird er doch gern zum „clean up“ an verzerrten Amps genutzt.

In der Basswelt ist das Konzept zwar nicht neu, findet jedoch wenig Anwendung. Dabei funktioniert es in der Praxis sogar ziemlich gut. Mit heruntergedrücktem Tone-Poti liefern die Tonabnehmer die volle Spannung und einen kernigen, druckvollen Sound mit viel hochmittiger Präsenz. Alle Potis aufgedreht, leichten Overdrive aktiviert und fertig ist der Rock-Sound, so einfach kann es sein. Aber auch einzeln angesteuert liefern die auf „Monster Tone“ getauften Tonabnehmer ein solides Brett. Während der Bridge-PU mit prägnanten Hochmitten und aufgeräumtem Bassbereich aufwartet, liefert das Gegenstück am Hals einen runden, vollen Sound. Erst recht unter Zuhilfenahme der Tonblende, die zu den seltenen Exemplaren gehört, die sich über den gesamten Regelweg nutzen lassen. Hierüber lassen sich ebenso fette Dub-Sounds realisieren wie auch knorziger Finger-Funk oder einfach ein wenig die Entschärfung des Klangs. Seine volle Stärke ausspielen kann der Coil-Tap, um obertonreiche, hochauflösende Sounds zu erzeugen. Durch den Pegelverlust wirkt der Klang natürlich erst einmal dünner, die Lautstärke muss entsprechend am Amp oder Pedalboard nachgeregelt werden. Ist diese Anpassung aber geschehen, glänzt der Schecter mit einer für einen Passivbass hohen Klangvielfalt. Gerade das Akkordspiel oder geslappte Solostücke kommen in diesem Modus erst richtig gut zur Geltung.

Der Bassdruck bleibt dabei unangetastet hoch. Aufgrund der veränderten Impedanz reagiert auch die Tonblende anders und greift nun bei höheren Frequenzen, wodurch sich der Präsenzanteil schön feinfühlig dosieren und dem Kontext anpassen lässt. An stärker komprimierenden Setups, wie beispielsweise einem großzügig aufgedrehtem Röhrenamp, fällt der Pegelsprung nicht so stark auf und äußert sich eher in unterschiedlichen Graden der Verzerrung. So bietet sich auch eine unkomplizierte Option, um für einen Chorus oder die Bridge mehr Gas geben zu können, ohne dabei auf Effektpedale angewiesen zu sein.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Abzüge gibt es leider wegen der unsauberen Bundenden, wobei sowohl die Empfindlichkeit potenzieller Käufer:innen variieren dürfte als auch die Tagesform in der Endkontrolle des Werks. Wie bei allen Serieninstrumenten gibt es da bessere und nicht so gute Exemplare. Unterm Strich bietet Schecter hier aber einen wirklich soliden und modern aussehenden Jazz Bass, der gleichermaßen hart und kernig wie auch feinfühlig sein kann und so etwas aus der Masse heraussticht. Um auch zurückhaltenden Geschmäckern gerecht zu werden, bietet Schecter das Modell auch im schlichten Schwarz an.

PLUS

  • Flexibler Sound durch Coil-Tap
  • Moderner, präsenter Sound
  • Hardware

MINUS

  • Bundenden nicht optimal entgratet


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2022)

Produkt: Gitarre & Bass 7/2023
Gitarre & Bass 7/2023
IM TEST: Magneto Guitars Eric Gales Signature RD3 +++ Lenz Hot Chili Tube-Head +++ Marshall Guv’nor, Drivemaster, Bluesbreaker, Shredmaster Reissue Pedals +++ Glockenklang Blue Bird Bass-Amp +++ Fender Gold Foil Jazz Bass +++ Walrus Audio Fundamental Reverb und Delay +++ Blackstar Debut 50R Gitarren-Combo +++ Epiphone Adam Jones Les Paul Custom Art Collection +++ Boss Waza-Air Bass Headphones

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