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Chet Atkins’ Gretsch 6121 Round-Up

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Chet Atkins schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als Gretsch ihm die ersten Prototypen seiner Signature-Gitarre zeigte. Über und über mit Country- &-Western-Motiven versehen, entsprach diese Gitarre gar nicht dem Deal, den der smarte Anti-Cowboy Atkins mit dem Gitarrenhersteller abgeschlossen hatte.

Gretsch 6121 Round-Up
(Bild: Dieter Stork)

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Aber Chet Atkins fügte sich und spielte fortan seine mit vollem Country-Ornat ausgestattete 6120 zu Ruhm, Reichtum und Ehre. Dabei hätte er durchaus wissen können, dass Gretsch die Cowboy-Thematik als prägendes Stilelement auserkoren hatte und darin führend war. Denn bereits 1954 waren mit der 6130 Round-Up und der akustischen Rancher zwei Gretsch-Gitarren erschienen, die in jedem Saloon westlich des Mississippi die Stimmung auf den Siedepunkt getrieben hätten.

 

Round-Up No. 1

Die Round-Up war 1954 erstmals im damaligen Gretsch-Katalog mit der Bezeichnung PX6130 gelistet. In der bis dato recht schlicht gestylten E-Gitarrenwelt – bei Gibson gab es Gold und Tobacco Sunburst, bei Fender nur Blonde und 2-Tone-Sunburst – ein absoluter Eye-Catcher. Country war das In-Thema dieser Zeit, Countrymusik dominierte sogar die Pop-Charts und der Western-Look war ungeheuer populär, sodass viele Produkte sich an diese beliebte Thematik andockten. Warum also nicht auch Gitarren, dachte man sich bei Gretsch.

Vermutlich erinnerte man sich auch an die sogenannten Singing Cowboys der 1930er- und 40er-Jahre, die in weichgespülten Westernfilmen neben ihren Colts dicke Gibson-Jumbos schwangen und in den USA ungeheuer populär waren. Der erste Jahrgang der Round-Up, deren Design der hauseigenen, zwei Jahre älteren Duo Jet entsprach, kam mit einem teilweise ausgehöhlten Mahagoni-Korpus, in dunkles Orange oder Amber Red gefärbter Pine- oder brauner Mahagoni-Decke und zwei fantastisch klingenden DeArmond Singlecoil-Pickups. Gretsch war, was Gitarren-Design angeht, von jeher eine mutige Firma, und so ging man bei der countryesken Ausschmückung so richtig in die Vollen!

Ein rustikales „G“-Brandzeichen – kein Sticker, sondern real eingebrannt – dominierte die Decken-Optik, die Block-Einlagen im Griffbrett waren stilisierte Kuh- und Kaktus-Abbildungen, ein Stierkopf grüßt vom Pickguard, ein Hufeisen von der Kopfplatte und auf die Saitenhalterung war eine Art Gürtelschnalle montiert, in die eine Planwagen-Szenerie mit Cowboys auf Pferden, Lagerfeuer und allem Pipapo eingraviert waren. Dies, und das punzierte Lederzargenband, das rund um den Body lief, ließen den Assoziationen an den guten, alten und vor allem wilden Westen und dem damit untrennbar verbundenen amerikanischen Traum von Freiheit und Abenteuer freien Lauf.

„Masculine beauty in real Western finish,“ dichtete der Gretsch Werbe-Texter 1955 zur Round-Up, die die kleine Gretsch-Serie im Jet-Design um die Cowboy-Variante bereicherte. (Die komplette Serie bestand aus Duo Jet (schwarz), Silver Jet (silver sparkle), Jet Fire Bird (rot) und eben der orange-braune Round-Up.)

 

Teurer Spaß

Trotz – oder wegen? – des starken Country-Bezuges war die Round-Up nicht gerade ein Verkaufsrenner. Vielleicht lag es am recht hohen Preis von $ 300? Im Vergleich: Eine Fender Telecaster kostete damals $ 190, eine Stratocaster $ 230. Besserung erhoffte sich Gretsch mit einer weiteren Assoziation. Man hatte den damals bereits sehr bekannten Gitarristen Chet Atkins als Endorser gewinnen können und ihm mit der 6120 gleich ein Signature-Modell gebaut.

Atkins kommentierte dann jedoch die Western-Thematik seiner neuen Gitarre wie folgt: „They also put this junk on it, the cattle and the cactus, which didn‘t appeal to me at all.“ Aber er fühlte sich auch geehrt durch die Tatsache, dass er mit Gretsch eine ähnliche Geschäftsbeziehung eingehen konnte wie der andere erfolgreiche Gitarrist dieser Tage, Les Paul, es ihm mit Gibson vorexerziert hatte. Und fügte sich in das orange Cowboy-Geschehen, das neben der 6120, dem „Chet Atkins Country“-Modell, noch aus der „Solidbody 6121“ bestand, die im Prinzip nichts anderes als eine an das Chet-Atkins-Design angepasste 6130 Round-Up war.

Und die natürlich keine Solidbody-Gitarre war, sondern wie alle Gitarren der Jet-Serie einen ausgehöhlten Mahagonikorpus mit leicht gewölbter Ahorndecke aufwies. Die Unterschiede der 6121 Chet Atkins zur 6130 Round-Up im Detail: Die Decke war nun aus Ahorn, statt der „Beltbuckle“-Saitenhalterung gab es ein Bigsby und als Farbe kam das für Gretsch typische Orange zum Einsatz. Das volle Cowboy-Ornat jedoch blieb den Cowboys erstmal erhalten, doch Gretsch ruderte in den Folgejahren etwas zurück. Erst verschwand das „G“-Brand von der Decke, dann ersetzten sogenannte Thumbnail-Inlays die Kühe- und Kaktus-Griffbretteinlagen. Und auch auf das lederne Zargenband wurde verzichtet.

Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, dass Gretsch 1957 allerdings noch einmal eine kleine Serie der 6130 Round-Up auflegte, nur ohne „G“-Brand. 1961 bekam zudem die Chet Atkins 6121 eine richtig schnittige Schwester mit Double-Cutaway, 1963 wurden jedoch beide aus dem Gretsch-Katalog gestrichen. Cowboy-Themen war da längst von gestern, jetzt lieferten Surf, Westcoast und Rock & Roll die besseren Themen.

Gretschs erste Cowboy-Gitarre, die 6130. (Foto: Vintage Guitar)
Gretschs erste Cowboy-Gitarre, die 6130. (Foto: Vintage Guitar) (Bild: Dieter Stork)

 

More Cowboys

Als 7620 Country Roc erschien dann von 1973 bis 1978 eine der 6130 sehr ähnliche Gitarre, ebenfalls mit G-Brand, Block-Einlagen mit Western-Motiven, „Beltbuckle“-Saitenhalter mit Stierkopf-Gravur, Hufeisen-Einlage in der Kopfplatte und Lederzargenband. Sie war mit zwei für Gretsch ungewöhnlich aussehenden Humbuckern bestückt, hatte eine leicht veränderte Korpusform und konnte qualitativ und klanglich nicht mit der 6130 mithalten. Dies war in der Zeit, als Gretsch zum Baldwin-Konzern gehörte (1967 bis ca. 1985) und die Qualität dem Profitstreben geopfert wurde.

Um 1990 herum verschmolz man die Ur-Round-Up und die 6121 – allerdings nur in der Modellbezeichnung. Es erschien die 6121 Round-Up, eine gute Replik des Originals, allerdings mit Humbuckern bestückt und ohne das „G“-Brand-Zeichen, was man in dem Nachfolgemodell, der 6121W Round-Up revidierte, die von 2003 bis 2005 im Programm war. Unser hauptsächliches Fotomodell ist genau solch eine Round-Up 6121W, aus dem letzten Baujahr der Reihe. Der Urmutter aller Round-Ups, der 6130, widmete Gretsch vereinzelt Wiederauflagen: 2006 erschien eine mit Bigsby, die Knotty Pine Western Round-Up 6130KPW wurde von 2009 bis 2010 gebaut, nun wieder ohne Bigsby, dafür historisch korrekt mit Beltbuckle-Saitenhalter und Pine-Decke inklusive optisch auffälliger Astknoten. Und seit 2012 gibt es auch eine Custom-Shop-Version in NOS- und Relic-Version, die sich ebenfalls am Original von 1954 orientieren.

WesternRomantik auf dem Saitenhalter
WesternRomantik auf dem Saitenhalter (Bild: Dieter Stork)

 

Noch mehr Chet

Und wer diese gerade gelesene Gitarren-Geschichtsstunde live nachempfinden möchte, dem bietet Gretsch heute zwei akurate Modelle an. Denn mit den 6121-1955 und 6121-1959 Solid-Bodies sind historisch völlig korrekte Repliken dieser faszinierenden Cowboy-Gitarre im Programm. Wer also den Traum vom Wilden Westen, von Freiheit und Abenteuer, von Reverb und Twang, von Style und Kult selbst erfahren will, dem werden neben dem ziemlich abgegrasten Vintage- und 2nd-Hand-Markt hier gute Voraussetzungen geboten. Yeehaw!

 

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Eine wunderbare Zeitreise! Eure Beiträge sind immer hervorragend. Mich persönlich würde ein Gretsch-Buch in deutscher Sprache genauso fesseln wie Fenders ,,Ein Sound schreibt Geschichte”.

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