Lasst die Hosenbeine flattern!

Dynamisch, groß, breit: Lenz Hot Chili Vollröhrentopteil im Test

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(Bild: Dieter Stork)

DYNAMISCH, GROSS, BREIT

Nach kurzer Aufwärmphase wird der Standby-Schalter umgelegt, und schon in Mittelstellung der Potis geht die Luzie ab. Fleischiger, breiter und großer Sound britischer Prägung donnert aus meiner Box. Wow! Da fühlt man sich als Freund solcher Klänge pudelwohl. Der Hot Chili reagiert ausgesprochen direkt und dynamisch. Der Ton ist offen und der Amp hat jede Menge Headroom, dabei genau die richtige Dosis Kompression. Das macht richtig Laune, und die Riffs kommen nur so aus einem heraus. Marshall-DNA, aber eben doch mit einer Prise Eigenständigkeit. Schauen wir mal auf die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten. Zunächst ist festzustellen, dass bei Spice, also Gain, in Stellung 1 bereits ein Crunch erreicht wird, der einem Brett wie bei einem JMP oder JCM 800 vom Zerrgrad entspricht. Damit geht es schon ab Richtung ‚Highway to Hell‘ oder in klassische Bluesrock-Gefilde.

Mit weiter nach rechts gedrehtem Spice lässt sich dies stufenlos steigern zu einem Hot-Rod-Sound erster Güte. Ein wesentlicher Pluspunkt ist die Interaktion zwischen Verstärker und Gitarre: Leichter Anschlag oder Zurückdrehen des Volume-Potis der Gitarre wird mit einer gehörigen Portion Dynamik belohnt wird, sodass auch schöne Breakup-Sounds möglich sind. Von sanften, angezerrten Klängen bis zur röhrenden Zerrwand gelingt dies wunderbar, selbst bei hohen Gainsettings. Ausgezeichnet gefällt die Wiedergabe mit gezogener „Smooth“-Funktion. Hier werden ab etwa 6000Hz Frequenzen reduziert und der Amp tönt etwas süßer. Ebenso kann aber auch ein rauer, bissiger Sound mit den vielen Möglichkeiten der PushPull-Potis und der griffigen Klangregelung mühelos eingestellt werden. Für meinen Geschmack reicht der Zerrgrad voll und ganz auch ohne die Boost-Option aus. Das ist bereits für Classic-Rock und Hair-Metal absolut top – angenehm tight und spitzenmäßig artikuliert.

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Wer es eher modern mag, zieht dann den Spice/Boost, und es stehen Gain-Reserven auch für die Fraktion mit tiefer gestimmten Gitarren en masse zur Verfügung. Jetzt noch – je nach Geschmack – Attack und/oder Shift ziehen … der Sound wird noch einmal merklich aggressiver, aus der 4x12er-Box tönt es in fetter Metal-Manier, dass die Hosenbeine nur so flattern. Die 100 Watt Endstufe liefert stets jede Menge Headroom und zu jeder Zeit klingt der Amp groß und stark. Positiv hervorzuheben ist zudem, dass die Nebengeräusche selbst bei sehr hohen Spice-Einstellungen noch überschaubar bleiben.

Grundsätzlich gilt: Der Hot Chili funktioniert gleichermaßen mit Humbucker-bestückten Gitarren wie auch mit Teles oder reinrassigen Strats. Die Klangregelung in Verbindung mit den vielen Extrafunktionen über die Push-Pull-Potis erlauben jedweden tonalen Gestaltungsspielraum britischer Coleur. In Verbindung mit meinem Pedalboard, welches in Vier-Kabel-Methode aufgebaut ist, zeigt sich zudem die erstklassige Qualität des Effektloops, denn eine perfekte Anpassung der Pegel an unterschiedliche Signalstärken ist über die beiden Level-Regler möglich. Sollte jemand einen zweiten Kanal vermissen: Der Hot Chili reagiert auch mit vorgeschalteten Overdrive- oder Boost-Pedalen ganz hervorragend. So kann man sich den Amp in einem satten Rhythmus-Zerr-Grad einstellen und etwaige weitere Soundoptionen mit einem Booster erreichen.

Ein winziger Kritikpunkt ist, dass mancher ein zweites Master-Volume vermissen könnte. Abhilfe würde ein Volume-Booster im Loop schaffen, um bei Soli eben auch noch etwas lauter sein zu können. Wie ist der Hot Chili nun im Felde der vielen Konkurrenten, meist aus Übersee, einzuordnen? Ohne Übertreibung kann festgestellt werden, dass der Hot Chili zu den besten „heißen“ Amps mit britischem Charakter gehört, den ich je vor den Fingern hatte – und das waren einige. Er hat einen eigenen Charakter, ohne seine offensichtlichen Wurzeln zu leugnen, klingt weniger geglättet als mancher US-amerikanischer Konkurrent, und er inspiriert den Spieler. Dabei ist er trotz seines nur einen Kanals doch flexibel. Hier ist der Spieler gefragt, denn dynamische Spielweise und Nutzung des Volume-Potis an der Gitarre wird vom Hot Chili belohnt. Das ist wunderbar oldschool und gerade in Zeiten von Modellern mit zig Presets eine schöne analoge Alternative mit Fokus auf das Wesentliche.

RESÜMEE

Herzlichen Glückwunsch! Mit dem Hot Chili präsentiert uns die neue deutsche Ampschmiede um Eddy Lenz ein fantastisches 100-Watt-Vollröhren-Topteil mit britischen Genen in allerbester Hot-Rod-Manier. Vom AC/DC-Crunch über kräftigen Achtziger-Heavy-Rock bis zum moderneren Metal-Sound ist dem Hot Chili jede Nuance zu entlocken. Präsent, breit und groß kommt der Ton aus den Boxen und steht einfach mächtig im Raum. Bestechend sind Dynamik und Offenheit in der Tonentfaltung. Durchaus ein Sound, der süchtig machen kann. Darüber hinaus besticht der Hot Chili durch exzellente Zutaten, ist von Eddy Lenz point-to-point handverdrahtet und sieht auch noch auffallend gut aus. Wo gibt es so etwas heute noch für 3.200 Euro? Ja, das ist viel Geld, ist aber mit Blick auf die Konkurrenzlandschaft dann doch als preislich attraktiv zu bezeichnen. Man darf für die Zukunft gespannt sein. Laut Siggi Schwarz wird es zukünftig noch einen Zweikanaler und einen 20 Watt Amp von Lenz geben.

PLUS

  • Verarbeitung
  • Sound
  • Dynamik
  • Push-/Pull-Optionen
  • Preis/Leistung


(erschienen in Gitarre & Bass 07/2023)

Produkt: Kemper Amp Special
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