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Das Gear von U2-Gitarrist The Edge

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U2s Erfolg und Faszination sind also ungebrochen und irgendwie ist diese Band permanent ein Thema. Zu großen Teilen verantwortlich dafür ist ihr Gitarrist The Edge, der mit einfachen spielerischen Möglichkeiten, aber umso mehr Equipment den wegweisenden Sound von U2 seit über 30 Jahren prägt.

The Edge mit Gitarre
(Bild: VERTIGO, BRILL)

Wenn man nach den Begriffen „Edge“ und „Equipment“ googelt, findet man sich schnell auf recht merkwürdigen Seiten wieder. So entdeckt man zum Beispiel Firmen wie Leading Edge Equipment mit Sitz in Kanada, die sich auf den Verkauf von schweren Baufahrzeugen spezialisiert haben oder EDGE Cleaning, einen Vertrieb von professionellen Reinigungsmaschinen. Bei Edge-Gear aus den USA wird man hingegen auf der Suche nach Taucherflossen und Schnorcheln fündig.

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Alles also Dinge, die den Gitarristen von U2 oder auch den Gear-interessierten Fan der irischen Band nur mäßig begeistern dürften. Wobei, die Sache mit den schweren Fahrzeugen ist nicht ganz abwegig, karrt The Edge doch inzwischen eine ganze LKW-Ladung an Equipment und Gitarren mit sich um die Welt. Mehr als 40 Instrumente hatte er auf der letzten Welttournee dabei …

Mit dem Erfolg steigen eben auch die Ansprüche. Oder sind es Notwendigkeiten? In jedem Fall ist seit U2s Debüt ,Boy‘ von 1980 auch David Howell Evans, wie The Edge mit bürgerlichem Name heißt, in aller Munde, weil er es nicht nur wie kaum ein anderer versteht, den Songs seiner Band einen eigenen Stempel aufzudrücken, sondern auch immer wieder großartige, für sich stehende Klangbilder erschafft. Eine Gabe, die viele Gitarristen zu kopieren versuchen, was aber nur wenigen gelingt.

Mit Sicherheit liegt das auch an seiner Wahl des Equipments. Denn The Edge hat inzwischen eine beeindruckende Anzahl an Gerätschaften angesammelt, mit denen er seine Gitarre verfremdet und zu einem neuen Instrument werden lässt. Doch allein das Besitzen vieler Werkzeuge macht natürlich noch keinen guten Gitarristen. Haben kann jeder, nutzen jedoch nur die wenigsten. Und keiner so wie The Edge.

Allerdings verwundert dieser über die Jahre entwickelte Besitztumswahn schon ein wenig, wenn man bedenkt, dass ihm 1980 schon ein einziges Memory-Man-Analog-Echo von Electro-Harmonix genügte, um seine typischen Delay-Kaskaden zu erschaffen.

Die Antwort ist wohl: The Edge ist ein Perfektionist und Fachmann für kaum hörbare aber essentielle Sound-Nuancen. Interessant ist jedoch, dass er zwar im Laufe der Jahre eine beträchtliche Menge Technik angehäuft hat, von der Basis her jedoch augenscheinlich bei seinen Ursprüngen geblieben ist. Die da wären: Gibson- oder Fender-Gitarre, Vox-AC30-Amp und eben ein Delay.

Die Kollegen von Premier Guitar haben einen Rig Rundown seines aktuellen Live-Gears gemacht: 

Gitarren

Auch wenn The Edge inzwischen in jeder Show gut und gerne 20 verschiedene Gitarren einsetzt, geht er damit nach eigener Aussage noch Kompromisse ein, was den Sound betrifft. Denn sein selbsterklärtes Ziel ist es, in Konzerten so nah wie möglich an den Sound der Original-Aufnahmen heranzukommen. Und wer Aufnahmen aus einer fast 35 Jahre dauernden Band-Geschichte 1:1 umsetzen will, der muss auch den technischen Anforderungen der verschiedenenen Dekaden Rechnung tragen.

The Edge ist also kein Sammler um des Sammelns willen, auch kein Gear-Poser, sondern ein Sound-Ästhet und Perfektionist. Doch auch, wenn ihn ein recht unübersichtliches Sammelsurium an Instrumenten begleitet, fußt sein Grund-Sound (auf die Gitarre bezogen) auf den beiden Polen Gibson und Fender, die bei ihm allerdings nicht so weit auseinanderliegen, wie der Ruf dieser Firmen und ihrer Instrumente es vermuten ließe.

The Edge sagte dazu selber 1987 in einem Interview: „Am Anfang habe ich mich eher für Gibson-Gitarren interessiert, weil ich viele hohe Voicings verwendet habe und Gibsons in den Höhen einfach fetter waren. Fender-Instrumente waren mir für diesen Aspekt meines Spiels immer etwas zu dünn. Aber das hat sich neuerdings gewandelt. Ich habe angefangen, andere Dinge zu spielen und kann mich jetzt sehr für Stratocasters begeistern.“

Der frühe Faible für Gibson-Gitarren basiert bei The Edge hauptsächlich auf einem einzigen Instrument der Firma, mit dem er das komplette ,Boy‘-Album, aber auch zum Beispiel neuere Songs wie ,Beautiful Day‘ eingespielt hat und das ihn bis heute begleitet: Eine Gibson Explorer von 1976. Dieses Original bleibt inzwischen allerdings während der Tourneen zu Hause und wird nur für Studio-Aufnahmen aus dem Koffer geholt, da es ihm zu riskant erscheint, es weiter den ständigen Reisestrapazen auszusetzen.

The Edge mit Gitarre
(Bild: VERTIGO, BRILL)

Als Ersatz hierfür befinden sich mittlerweile drei weitere Explorers aus derselben auf 1800 Stück limitierten Baureihe in seinem Besitz. Eine weitere Säule seines Sounds sind Stratocasters, bei denen vor allem seine Blackie zu nennen ist. Verschiedene Modelle der Clapton-Gitarre sind in Hits wie ,Sunday Bloody Sunday‘ (1983/,War‘), ,Where The Streets Have No Name‘ oder ,Still Haven’t Found What I’m Looking For‘ (beide 1987/,The Joshua Tree‘) zu hören und laut seinem Techniker Dallas Schoo das am zweithäufigsten verwendete Instrument in seiner Karriere.

Im Film ,Rattle And Hum‘ sah man The Edge u. a. öfters mit einer Strat oder auch mal einer zwölfsaitigen Rickenbacker. Zudem setzte er im Laufe der Jahre noch eine Gibson SG, Fender Telecaster und mit der YamahaAE-2000 auch eine dicke Jazz-Gitarre ein. Auf der akustischen Seite spielt er eine Gibson J200 oder auch mal eine Washburn.

Eine weitere geschichtsträchtige Gitarre ist eine cremefarbene 1975er Les Paul, die The Edge unter anderem auf ,No Line On The Horizon‘ spielte. Diese Gitarre versteigerte er 2007 schweren Herzens aber guten Gewissens zu Gunsten des Charity-Projekts „Music Rising“.

Nach kurzer Zeit bekam er als Ersatz von Gibson einen exakten Nachbau angefertigt – inklusive aller Spuren, Kratzer und Modifikationen – der auch vom Sound her dem Original zum Verwechseln ähnelt. Weitere Gitarren, die heute immer noch auf Tour zum Einsatz kommen, sind eine Rickenbacker 330- 12 Fireglo, eine 66er Gibson SG, eine Gibson ES-335, eine Gibson J200, eine Gretsch White Falcon … und viele andere.

The Edge mit Gitarre
(Bild: VERTIGO, BRILL)

Amps

Ähnlich wie sich die riesige Gitarrensammlung auf einige wenige Hauptmodelle herunterzubrechen ist, verhält es sich auch bei den Verstärkern von The Edge. In den Anfängen seiner Karriere entdeckte er einen Vox AC30TB von 1964 für sich, dem er bis heute weitgehend treu geblieben ist. Dieser Amp ist immer mit dabei, auch wenn die Jahre nicht spurlos an ihm vorübergegangen sind und im Laufe der Zeit immer wieder Dinge ausgetauscht und justiert werden mussten.

So finden sich im Inneren des Combos inzwischen zwei Jensen-Speaker (Blue Alnico und Silver Alnico) sowie eine bunte Mischung ausgetauschter Kondensatoren und Widerstände aus alten Marshalls und Fenders. Durch diesen Verstärker gehen laut Dallas Schoo fast alle von Edges Gitarrensignale, sodass alle weiteren (bis zu 10) Verstärker, die mit auf und unter der Bühne stehen, eher in vereinzelten Parts oder für Stereoeffekte, besondere Sounds oder bestimmte Färbungen zuständig sind.

Seine bevorzugten Zusatz-Amps sind ein Fender Deluxe von 1957 und einer von ’58, ein Fender Harvard aus den 50ern (jeweils mit Vox-Speaker) und weitere, verschiedene Vox AC30 aus den frühen 70ern als Backup.

VOX AC30S1

Effekte

Den mit Sicherheit größten Anteil am Sound von The Edge haben seit jeher seine Effektgeräte, die für ihn Inspirationsquelle und fast ein eigenständiges Instrument darstellen: „Der größte Unterschied zwischen mir und anderen Gitarristen ist, dass ich Effekte nicht zur Färbung meiner Parts verwende, sondern auf den Effekten meine Gitarren-Parts aufbaue. Sie sind ausschlaggebend für alles was ich tue.“

Dabei ist er auch nach all den Jahren der Frickelei immer noch auf der Suche nach neuen Herausforderungen und Klangergebnissen und hat sich damit einen eigenen Kosmos erschaffen, der viele Gitarristen und Produktionen seither beeinflusst. Nicht verwunderlich also, dass mit den Jahren auch hier The Edges Besitzstand stetig gewachsen ist.

Reichte ihm auf dem Debüt-Album von 1980 noch der bereits erwähnte Electro Harmonix Deluxe Memory Man, so waren es beim darauffolgenden Album ,October‘ (1981) schon zwei davon, die er stereo über verschiedene Amps schickte. Von da an nahm die Gigantomanie ihren Lauf, auch wenn The Edge mit diesem Stereo-Setup das Grundgerüst für seine typischen Delay-Sounds schon gelegt hatte. So tauschte er im Laufe der Jahre seine Memory Men gegen Korg SDD300 Digital Delays aus und fügte seinem Setup allerhand Verzerrer, Modulationseffekte und Multieffektgeräte wie das Yamaha SPX90 hinzu.

Auf der Bühne ist von all diesem Schnickschnack heute nur noch wenig zu sehen, da sich auf seinem Floorboard nur noch Kipp-Pedale wie Whammy (Digitech WH1) und WahWah (Dunlop CryBaby) befinden. Alle anderen Effekte steuert er über ein monströses Skrydstrup-SC1-MIDI-Controller-System, mit dem er zum einen die Presets für jeden Song aufrufen, zum anderen aber auch nach Herzenslust Effekte hinzu- oder wegschalten kann. Dieselbe Schalteinheit liegt noch einmal in der Kabine von Techniker Dallas Schoo, der dadurch dieselben Zugriffsmöglichkeiten hat wie The Edge, falls dieser während einer Show mal seine Position auf der Bühne verlässt.

Die seit einiger Zeit wichtigsten Bestandteile des U2- Sound-Arsenals sind: Eventide H3000 Harmonizer, TC Electronic 2290 Delay, Line6 PodPro, Line6 Distortion Modeler, sowie eine Fülle von neuen und alten Bodentretern wie einen Ibanez Tube Screamer, ein Electro Harmonix POG oder einen Boss CS-3 Compressor, um nur einen Bruchteil zu nennen.

Auch wenn man den Band-Namen U2 ja durchaus als Aufforderung verstehen kann, haben nur die wenigsten von uns die finanziellen Möglichkeiten, sich eine solche Anlage im preislichen Bereich eines gehobenen Eigenheims zulegen zu können. Da ist es doch schön zu wissen, dass man mit nur einer Gitarre, einem Amp und einem Delay eigentlich schon die nötige Infrastruktur beisammen hat, um sich wenigstens ein Stück weit dem Sound von The Edge anzunähern. Alles andere müssen Finger und Kopf erledigen.

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