Erst rauchen, dann spielen!

St. Blues Delta Blues Guitar im Test

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Blues-Gitarre mit Body aus echter Zigarrenkiste
(Bild: Dieter Stork)

 

Diese Gitarre trägt ihren Namen nicht zu Unrecht, denn sie ist die Blues-Gitarre schlechthin! Dass sie nun ausgerechnet von einer Firma namens St. Blues auf den Markt gebracht wird, ist aber das Tüpfelchen auf dem Blues-i …

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Die Delta Blues ist eine waschechte Zigarrenkisten-Gitarre – also die Gitarre des armen Mannes, der nicht genügend Geld in der Tasche hat, um sich ein richtiges Instrument leisten zu können. Er nimmt das, was er findet – z. B. eine leere Zigarrenkiste, einen Besenstiel, ein paar Drähte, und fertig ist die Zigarrenkisten-Gitarre.

Cigar Box Guitars haben eine lange Tradition (siehe Textkasten), und St. Blues ist nicht der einzige Hersteller, der sich diesem Thema widmet. Aber die Gitarren-Manufaktur aus Memphis ist die einzige der renommierten Gitarrenschmieden, denen dieses Thema nicht zu lächerlich erscheint. Dafür schon mal einen dicken Daumen nach oben!

Für die, die sich selbst eine Cigar Box Guitar bauen wollen, erklärt Helmut Grahl in seinem Workshop in dieser und der nächsten Ausgabe, wie das vonstatten geht, während wir uns jetzt erst mal der St. Blues Delta Blues widmen werden.

 

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Der Brandstempel beweist: Diese Zigarrenkiste kommt aus Spanisch-Honduras. (Bild: Dieter Stork)

 

Konstruktion der St. Blues Delta Blues Guitar

Die meisten Zigarrenkisten werden aus Zedernholz gebaut, denn dieses Holz verhindert, dass die Zigarren austrocknen und fördert eine nachträgliche Reifung. Außerdem hält sein Geruch Insekten fern. St. Blues, die sich für die Herstellung der Delta Blues Guitars nicht etwa Zigarrenkisten anfertigen lassen, sondern authentische, leer gerauchte Kisten aufkaufen, hat für unser Testexemplar ebenfalls eine Kiste aus Zeder ergattert.

Der schön beklebte Deckel der Delta Blues Guitar liegt oben und stellt praktisch die Decke dar, die mit zwei Schrauben verschlossen ist. Um das Innenleben zu erforschen, entferne ich die vier Saiten, die über einen einfachen Aufsatzsteg aus Knochen laufen und in einer ebenso einfachen Metall-Halterung eingehakt sind. Einmal offen gelegt, sieht man, wie der Hals mit drei einfachen Kreuzschlitzschrauben auf einen Querbalken geschraubt ist, der passgenau eingeleimt die eine Seite der Kiste von innen verstärkt; auf der anderen befindet sich ein ähnlicher Balken, an den die Saitenhalterung geschraubt ist. So einfach geht Gitarrenbau! Auf die Rückseite des Deckels – also unter die Decke der Delta Blues Guitar – ist der Pickup geklebt, ein sogenannter Transducer, der auch ohne Preamp eine ordentliche Leistung auswirft, die ausreicht, um einen Gitarren-Amp zu befeuern.

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Rudimentäre Methode der Halsbefestigung (Bild: Dieter Stork)

Das einzig Unschöne an dieser durchaus sympathischen Konstruktion ist die Mechanik der tiefen G-Saite, denn die gehört von ihrer Drehrichtung her eigentlich auf die andere Seite der Kopfplatte. Ob man diese Mechaniken nur im 2:2-Sätzen kaufen kann? So jedenfalls beschreibt die G-Saite einen steilen Winkel nach links, weil sie anders herum aufgewickelt ist. Apropos G-Saite: Die Delta Blues Guitar wird meistens in einer offenen G-Stimmung gespielt – G, D, G, H, von tief nach hoch klingend. Wem dies nicht ganz geheuer ist, kann natürlich eigene Stimmungen entwerfen oder aber die vier tiefen bzw. die vier hohen Saiten-Tonhöhen einer normalen Gitarrenstimmung bemühen (E, A, D, G bzw. D, G, H, E). Geht auch!

 

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Ganz klar: Diese Gitarre sollte nur after dinner gespielt werden. (Bild: Dieter Stork)

 

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Die St. Blues Delta Blues Guitar in der Praxis

Das recht eckige D-Profil des Halses ist erst einmal sehr ungewohnt, aber gegenüber dem Profil eines Besenstiels, mit dem früher viele Cigar Box Guitars ausgerüstet waren, ist dieser Hals ein Traum in Ahorn – one piece natürlich. Auch an die Tatsachen, dass der Hals nach unten hin weder breiter noch dicker wird und das Griffbrett vollkommen flach ist, wird man sich schnell gewöhnen, denn das gehört einfach zu einer Cigar Blues Box dazu! Akustisch klingt die Delta Blues Guitar relativ leise, aber schon schön hell und transparent – gerade passend für eine offene Stimmung, in der sich inspirierende Strumming- und Slide-Dinge wie von selbst ergeben. Wird die kleine Gitarre dann an die elektrische Welt angeschlossen, erobert sie die Herzen des Musikers und der Zuhörer in der allerersten Sekunde. Denn hier entfaltet sie ein Klangvolumen und einen weiten, offenen Sound, der irgendwie einzigartig ist. Im Klangregister etwa zwischen Gitarre und Mandoline angesiedelt, klingt sie gleichermaßen offen und transparent, aber auch satt und voll, schließlich ist die Mensur nahezu so lang wie z. B. bei einer Gibson-Gitarre. Liedbegleitung, Slide-Soli – alles prima, alles gut! Der Einsatz bewusstseinserweiternder Effekte, wie zum Beispiel Hall, Echo, Phaser, Flanger etc., eröffnet klangliche Welten, die so manchem Stück eine ganz neue Dimension geben können. Auch verzerrte Slide-Sounds sind allererste Sahne! Nehmt Euch einfach mal die Zeit und schaut Euch in YouTube einige Cigar-Box-Beiträge an – da gibt es Beeindruckendes zu entdecken.

Übrigens: Als Zubehör bietet St. Blues nicht nur ein gepolstertes Hanf-Gigbag an, sondern zwei verschiedene Slides, von denen eins mit Original-Erde aus dem Mississippi-Delta gefüllt ist. Außerdem ist eine dreisaitige Cigar Box Guitar im Programm, die ähnlich wie ein Dulcimer bebundet ist.

 

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Grifftabelle für das typische Open-G-Tuning einer viersaitigen Cigar-Box-Guitar (Bild: Dieter Stork)

 

Resümee

Wie mir aus Memphis mitgeteilt wurde, hat der Hersteller es schwer, die Nachfrage nach der Cigar Box Guitar zu stillen. Vor allem wohl, weil es nicht einfach ist, an genügend leere Zigarrenkisten heranzukommen. Mit der Delta Blues Guitar scheint St. Blues jedenfalls ein großer Wurf gelungen zu sein. Die Gitarre ist dabei mehr als nur eine reine Spielerei, oder ein Gimmick. Sie verkörpert zum einen einen wichtigen Teil amerikanischer Musik- und Instrumentenkultur, zum anderen ist sie ein vollwertiges Musikinstrument, das einen einzigartigen Sound garantiert, der ungeheuer viel Spaß macht. Nicht umsonst steht folgende Warnung auf der hier abgebildeten Grifftabelle: „Cigar box playing will cause happiness and bring joy!“

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Der Schallwandler ist unter die Decke geklebt. (Bild: Dieter Stork)

 

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EXTRA: History!

Die ersten Zigarrenkisten-Gitarren wurden frühestens ab etwa 1850 gebaut, denn erst ab dieser Zeit begannen die Zigarrenhersteller, ihre Produkte in kleine Holzkisten zu verpacken. Der aus Deutschland stammende Bankier Hermann Hupmann gilt als der Erfinder der Zigarrenkiste. Er, der kubanische Zigarren angeblich so sehr verehrte, dass er im frühen 19. Jahrhundert nach Kuba ausgewandert ist, verschenkte regelmäßig an seine Bank-Direktoren köstliche Zigarren in kleinen, bedruckten Holzkisten. Neben seiner Banktätigkeit stieg Hupmann ins Zigarrengeschäft ein. Er ließ 1844 seine Marke H. Upmann registrieren und wurde damit sehr erfolgreich; H.-Upmann-Zigarren, die immer noch aus Kuba kommen, zählen bis heute zu den bekannten und geschätzten Zigarrenmarken dieser Welt. Es geht das Gerücht um, dass Kennedy, kurz bevor er das US-Embargo gegen Kuba verhängte, seinen Pressesprecher beauftragt haben soll, 1000 Petit-Upmann-Zigarren aus Kuba zu besorgen. Erst als Kennedy die Nachricht seines Pressesprechers erhielt, dass der Auftrag erfolgreich ausgeführt wurde, soll er das Embargo unterzeichnet haben – in der Gewissheit, die nächste Zeit nicht auf seine Zigarren verzichten zu müssen.

Das National Cigar Box Museum im amerikanischen York/PA meint, dass der erste Beweis der Existenz eines Zigarrenkisten-Instruments eine Skizze darstellt, die im Civil War angefertigt worden ist und die einen Soldaten zeigt, der eine Zigarrenkisten-Geige spielt. Im ‚American Boy’s Handy Book‘, das 1890 veröffentlicht wurde, befand sich dann bereits eine Bauanleitung für ein Zigarrenkisten-Banjo.

Wie eine Zigarrenkiste auszusehen hat, entwickelte sich im Laufe der Jahre. Aber schon Hermann Hupmann ließ seine Zigarrenkisten mit dem Wappen seiner Bank bedrucken. Dass Zigarrenkisten ganz ohne Aufdruck oder schmückende Aufkleber auskommen, ist eher selten. Vielmehr haben die einzelnen Stilmittel zur Verzierung einer Zigarrenkiste mittlerweile exakte Bezeichnungen bekommen, wie z. B. Cubierta für die Verzierung, die sich in der Mitte des Deckels der Kiste befindet. Oder Vista, die Verzierung, die sich auf der Innenseite des Deckels befindet. Filetes heißen die verzierten Papierstreifen, die an den äußeren Kanten angebracht sind und die die Kiste versiegeln.

Wie bei guten (oder gut gefälschten) Marken-Zigarren trägt auch die Delta Blues Guitar auf der Rückseite ihres Korpus den Brandstempel des Zigarren-Herstellers – so stammt diese Kiste aus Spanish Honduras und in ihr lagerten einst 25 Zigarren von der Honduras American Tobacco, S.A. Meist geben Aufschriften auf den Zigarrenkisten Informationen über die Herkunft, die Art und den Produktionszeitraum der Zigarren. Daneben existieren Fabrik-Codes, mit denen die Herkunft von Zigarren genauer bestimmt werden kann.

Vor allem im Süden der USA hatte damals kaum einer das Geld für richtiges Instrumentarium. So waren vor allem die Jug- und Blues-Bands mit Cigar-Box-Instrumenten ausgestattet und formten zusammen mit dem Besenstiel-Bass und Mundharmonika den typischen Jug-Sound.

In den Zeiten der amerikanischen Depression in den Dreißigerjahren erlebten die Cigar-Box-Guitars, -Fiddles und -Banjos ein starkes Revival und unzählige, meist schwarze Musiker spielten sich den alltäglichen Blues auf diesen Instrumenten von der Seele. Insofern kommt die Delta Blues von St. Blues wohl gerade richtig, bei dem wirtschaftlichen Auf und Ab dieser Tage.

Nicht wenige der Musiker, die später bekannt wurden, taten ihre ersten musikalischen Schritte auf einer Cigar Box Guitar. Hier einige Beispiele: Blind Willie Johnson bekam im Alter von fünf Jahren von seinem Vater eine Cigar Box Guitar mit einer Saite gebaut. Seine außergewöhnliche Slide-Technik hat da ihren Anfang genommen. Lightin’ Hopkins baute sich selbst eine Cigar Box Guitar und begann so das Gitarrespielen, ebenso wie der große Jazz-Gitarrist Charlie Christian. Der siebenjährige Carl Perkins bekam von seinem Vater eine Cigar Box Guitar mit Besenstiel und zwei Saiten aus einfachem Runddraht. Jimi Hendrix’ Zigarrenkisten-Gitarre hatte Saiten aus Gummi … George Benson, der achtfache Grammy-Gewinner, startete seine Karriere als „Little Georgie Benson, the Kid from Gilmore Alley“, der an den Straßenecken mit seiner Cigar Box Ukulele aufspielte. Country-Gitarrist Roy Clarks erstes Instrument war eine solche Gitarre aus einer Zigarrenkiste und einem Ukulele-Hals. Albert King spielte ab seinem sechsten Lebensjahr verschiedene einsaitige Cigar Box Guitars. Hound Dog Taylor, Big Bill Broonzy, Buddy Guy, Louis Armstrong (!), Pee Wee Crayton und viele andere haben als Kinder oder Jugendliche in Ermangelung richtiger Instrumente auf Zigarrenkisten-Gitarren gespielt – und ihrer Karriere scheint es nicht geschadet zu haben!

 

Übersicht

Fabrikat: St. Blues

Modell: Delta Blues Guitar

Typ: Vollresonanz-E-Gitarre

Herkunftsland: USA

Mechaniken: Grover, offen

Hals: Ahorn, einteilig

Halsbefestigung: geschraubt

Sattel: Knochen

Griffbrett: Ahorn, keine Einlagen, keine Einfassung

Radius: flach

Halsform: D-Profil

Halsbreite: Sattel 39,90 mm; XII. 39,90 mm

Halsdicke: I. 22,00 mm; XII. 22,00 mm

Bünde: 20, Vintage-Format

Mensur: 622 mm

Korpus: Zeder

Oberflächen: beklebt mit Papiermotiven

Schlagbrett:

Tonabnehmer: St. Blues Transducer

Bedienfeld: Master-Volume,

Steg: Einteiler (Knochen)

Hardware: verchromt

Saitenabstand Steg: B-1st – G-4th 33,25 mm

Gewicht: 1,10 kg

Lefthand-Option: nein

Vertrieb: Taranaki Guitars

73760 Ostfildern

www.taranaki-guitars.de

Zubehör: Gigbag (optional: 59)

Preis: 299

 

Plus – die besten Vorteile

  • Sound
  • Optik
  • Historie
  • Spaßfaktor
  • Preis/Leistung

Minus – Nachteile

  • „falsche“ Mechanik für G-Saite

 

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