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Ibanez Super Metal SM-9: Schaltung und Potential – Teil 1

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Im Hause Ibanez entwickelte man für die in den frühen 1980er-Jahren neue Musikströmung „Heavy Metal“ den Super Metal SM-9. Hm, da wurde ja mit dem Begriff „Super“ mächtig auf die Pauke gehauen. Metal ist ja klar, aber Super Metal, da müssen wir das Gerät natürlich sofort sezieren, um zu schauen, ob Super wirklich super ist … Überraschungen folgen auf dem Fuße!

>>HIER geht es zum zweiten Teil<<<

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Ibanez Super Metal SM-9_01

Tonfilter wie beim Tube Screamer

Auch hier am Eingang befindet sich ein FET-Impedanzwandler mit 1 Meg-Ohm Eingangswiderstand, der die Resonanzüberhöhung des Pickups nicht zusätzlich bedämpft. Betrachtet man sich einmal die Art von Humbucker-Pickups, die im Heavy Metal benutzt werden, haben diese doch eine vergleichsweise hohe Induktivität (und vieles mehr), sodass von Natur aus deren Resonanzhöhe nicht besonders ausgeprägt ist. Von daher wäre also eine weitere Bedämpfung durch eine zu niedrige Eingangsimpedanz nicht empfehlenswert. Schön, dass man an solche Sachen denkt! Im Anschluss daran folgt das übliche FET-Schaltarrangement (im Plan nicht eingezeichnet).

Danach sehen wir ein Tonfilter IC1a, welches in seiner Dimensionierung fast dem des Tube Screamer TS-9 entspricht. Man kann es drehen und wenden wie man will, es ist exakt die gleiche Dimensionierung, bis auf einen Höhen-C (33 nF) in der Gegenkopplung, das die Ultra-Highs (> 5kHz) mit 6dB/Okt absenkt. Dieses Tonfilter haben die Japaner mit dem Begriff Attack getauft. Damit lassen sich die relevanten Höhen gleich am Anfang der ganzen Systemkette anheben bzw. absenken. Durchs Anheben der Höhen wird das Signal präsenter, technisch gesehen auch „schneller“, sodass der Begriff Attack durchaus Sinn macht – zumindest in dieser Konstellation.

Den Frequenzgang des Attack-Filters mit den zusätzlichen 33 nF zeigt die Grafik in Abb.1. Danach geht’s über ein RC-Glied (220 nF plus 4,7 kOhm) fast frequenzneutral direkt auf die Overdrive-Unit IC1b. Dieser hier verwendete RC-Hochpass zur Einkopplung besitzt 160 Hz Grenzfrequenz, die unterste Oktave der E-Gitarre wird also abgeschwächt mit 6dB/Okt Flankensteilheit. Fassen wir die Grenzfrequenzen einmal zusammen, die bis hierher zur Bandbegrenzung eingesetzt werden, kommen wir auf einen Bassabfall bis 160Hz und eine Höhenbeschneidung ab 5kHz.

Eine solche Bandbegrenzung – mit ähnlich angesiedelten Grenzfrequenzen – findet man häufig in hoch verstärkenden Systemen. Die oberen Höhen müssen des hörbaren Systemrauschens wegen wirkungsvoll abgesenkt werden, den Bässen mit ihren großen Amplituden muss man Einhalt gebieten, damit es nicht wummert und matscht. Nun wieder zurück zum Overdrive. Dieser ist jetzt nicht, wie der Tube Screamer TS-9 in seiner Basis-Schaltung, als „Elektrometer-Verstärker“ beschaltet, sondern als invertierender Verstärker.

Ibanez Super Metal SM-9_03
Abb. 1

 

Ein waschechter Logarithmierer!

Als ein solch invertierender Verstärker wird dieser mit Dioden in der Gegenkopplung zu einem fast idealen Logarithmierer! Naja, ein bisschen verlustbehaftet ist er schon – in der Analogtechnik wird man deshalb einen Transistor, speziell verschaltet, in die Gegenkopplung legen. Dann ist‘s perfekt. Aber es geht auch wie hier mit Dioden. (siehe Fachliteratur, z. B. Tietze/Schenk) Die Kennlinie/Graph des ln(x) (= Logarithmus Naturalis) ist schön geschwungen, siehe Abb.2.

Er steigt im Nullpunkt des Koordinatensystems ordentlich an, um später zunächst sanft, dann immer stärker kontinuierlich ohne Knick in eine merklich kleinere Steigung des Graphen zu münden. Daher eignet sich die ln(x)-Funktion sehr gut zur näherungsweisen Simulation von übersteuerten Elektronenröhren/ Tubeamps oder sonstigen Systemen mit „Soft“-Begrenzung – vor allem, weil sie sich elektronisch leicht erzeugen lässt. (Anmerkung: Es gibt dafür in der Systemtheorie durchaus besser geeignete Funktionen – z. B. Hyperbeltangens, Langevinsche Fkt oder andere Exoten. Die aber lassen sich auf der Basis der analogen Schaltungstechnik keinesfalls einfach erzeugen. Da muss schon ein DSP nebst feiner Software her …)

Doch zurück zu unserem Overdrive, der also ein getarnter Logarithmierer ist. Von den beiden antiparallel geschalteten Overdrive-Dioden ist eine hier eine LED. Die Auswirkung gegenüber der üblichen Si-Diode ist in der deutlich höheren Schwellspannung der LED zu sehen. Eine rote LED hat nominal ca. 1,8 Volt bei ca. 10 mA. Da wir es hier aber mit sehr kleinen Strömen zu tun haben, wird sich die tatsächlich erkennbare Schwellspannung zu niedrigeren Werten hin korrigieren – vielleicht hin zu 1,5 Volt. Durch die Verwendung von Silizium-Diode plus LED wird das generierte Overdrive-Signal stark asymmetrisch geprägt.

Ibanez Super Metal SM-9_02
Abb. 2

 

Deshalb ist Super super

Wie wir beim Boss HM-2 vor zwei Monaten gesehen haben, lässt sich eine Drive-, Gain- oder Volume-Einstellung, wie immer man es nennen will, auch mittels einer singulären Einstellung von gleichzeitig zwei Systemen realisieren. Dem ist hier auch so. Zur Gain-Einstellung des Overdrive-OPs liegt dort ein veränderbarer Widerstand in Form eines Potis an. Wird dieses Poti sinnvoll angeklemmt, und zwar so, dass der Schleifer am Ausgang des OPs liegt, bleibt der bis dato ungenutzte Restzweig des Potis z. B. dafür nutzbar, als ebenfalls veränderlichen Widerstand den Eingang eines folgenden OPs zu steuern – hier ist es der DistortionOP (IC2a).

Durch diese Beschaltung arbeiten beide OPs bezüglich ihrer Verstärkung gleichsinnig und das macht folglich final als Anwendung Sinn. Im Anschluss an diesen OP kommen die beiden antiparallel geschalteten Silizium-Distortion-Dioden, um das Signal recht hart zu komprimieren. Damit der Sound nicht zu kratzig wird, ist noch ein 1nF C den Dioden parallel geschaltet. Der Overdrive OP verstärkt von Faktor 1 (= 0dB) bis Faktor 20 (= 26dB), der Distortion OP (IC2a) von Faktor 2 (= 6dB) bis Faktor 40 (= 32dB). Als Summe reicht das durchaus aus, um das eingangs erwähnte Attribut „super“ zu erhalten.

Ibanez Super Metal SM-9_04

Ausschlachten!

Die beiden Doppel-OPs IC1 und IC2 der heute vorgestellten drei OPs plus der noch folgende OP4, der den „Punch“ regeln soll, ist der gute, legendäre JRC4558DChip, baugleich dem Chip im originalen Tube Screamer TS-808 (Mk2-Version) oder dem im TS-9. Mehr noch, die ICs 3 und 4 des SM-9 sind der historisch korrekte Typ MC1458P, der auch im TS-808 (Mk1-Version, die „Narrow box“) enthalten war. Besagte TS-808-Mk1-Version gibt es zwar seit Kurzem wieder als Reissue auf dem Markt, leider aber ohne diese originalen 1458-Chips. Vielmehr werkeln da nämlich durchaus atypisch zwei neuzeitliche 4558 … Da böte es sich doch an, den klanglich wenig attraktiven SM-9 auszuweiden und seine edlen, historisch korrekten Bauteile in neuzeitliche Tube-Screamer-Versionen zu implantieren! Passt immer, klingt besser!

Produkt: Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Gitarre & Bass 12/2022 Digital
Im Test: J. Rockett Uni-Verb +++ G&L Fullerton Deluxe LB-100 +++ Dowina Albalonga GACE HiVibe +++ Nik Huber Bernie Marsden Signature +++ Fender Acoustasonic Player Telecaster +++ Gibson Dave Mustaine Signature Flying V +++ Börjes JB-Custom 5 DLX-Multiscale +++ EarthQuaker Devices Ghost Echo by Brain Dead +++ Blackstar St. James 50/EL34 112 Combo +++ Harley Benton Double Pedal Series

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