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Boss DS-1 Distortion, Teil 3

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Im Sommer 1978 wurde der Boss Distortion DS-1 gemeinsam mit dem feinen Choruspedal CS-1 eingeführt, ein Jahr nach dem erfolgreichen Start der Bodentreter OD-1, PH-1 und SP-1. Der DS-1 sollte sich noch als Topseller und Dauerbrenner erweisen, obwohl sich zwei Versionen auf dem Markt befinden, die sich im Klang etwas unterscheiden. Heute schauen wir uns die Originalschaltung an!

Boss DS-1 Distortion_01
(Bild: Dieter Stork)

Die Schaltung Analysieren wir die Schaltung, siehe Abb.1: Gleich zu Eingang steht der obligatorische Impedanzwandler mit 470kOhm-Eingangs-R, das den GitarrenPickup nur marginal belastet. Dessen Resonanzüberhöhung bleibt vielmehr fast in vollem Umfang erhalten (gegenüber z. B. einem 1-MegOhm-Input-R eines Röhrenverstärkers). Im Anschluss daran folgt ein FET-Schalt-Arrangement, das hochohmig ausgelegt ist, sodass es den Impedanzwandler nicht merklich belastet. Dann folgt ein Transistorschaltkreis, der das Signal hörbar ancruncht. Betrachten wir jetzt einmal die Übertragungs-Kennlinie (Abb. 2). Diese hat eine monoton fallende Krümmung zwischen +4 Volt über 0 Volt bis zu -4 Volt, um dort kantig in die Horizontale überzugehen, die auch gleichzeitig eine Aussteuer-Grenze darstellt.

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Boss DS-1 Distortion_02
Abb. 1: Schaltplan des DS-1

Diese leichte Krümmung über den Aussteuerungsbereich ist gleichzusetzen mit einem feinen. leichten Klirrfaktor, den OPs so nicht liefern können. Entweder ist deren Ü-Funktion innerhalb der Aussteuerungsgrenzen eine Gerade oder man biegt diese Gerade gewöhnlich mittels Dioden Overdrive-mäßig gewaltig ab. Aber so ein Mittelding dazwischen ist da nur schwer realisierbar – zumindest mit einfachen Mitteln. Daher wird hier nicht lange gefackelt und eben eine TransistorStufe benutzt. Der hier vorliegende Schaltkreis ist ein Inverter. Als OP wäre dieser Schaltkreis prinzipiell der „invertierende OP“ mit einem Gegenkopplungs-R vom Ausgang zum „Minus“-Eingang und ein Eingangs-R vom Eingang zum „Minus“-Eingang des OPs. Hier bei unserem Transistor-Schaltkreis ist es ähnlich. Der Gegenkopplungs-R von 470kOhm liegt zwischen Kollektor und Basis, der auch gleichzeitig die Aufgabe übernimmt, den Arbeitspunkt einzustellen – zusammen mit dem 100kOhm R von der Basis nach Masse gelegen.

Als formalen Eingangs-R ist hier die Ausgangsimpedanz des Impedanzwandlers plus dem „on“-Widerstand des Schalt-FET zu sehen. Beides zusammen ergibt einen Wert so um 550 Ohm. Dem ist noch ein Einkoppel-C von 47nF zugeschaltet, der zunächst die Potenzialtrennung realisiert. Lädt man nun testweise den invertierenden OP mit diesen Kenndaten (550 Ohm, 470kOhm), ergäbe sich eine Verstärkung um Faktor 850 = 58 dB, aber hier mit dieser schlappen Ein-Transistor-Schaltung ergibt sich dann tatsächlich etwa 36 dB = Faktor 65. Das ist mehr als ordentlich für unsere Zwecke, wie wir noch sehen werden.

Damit die noch zu erzeugende Distortion nicht kratzig wird, ist dem 470kOhm-Gegenkopplungs-R noch ein 250pF-C parallelgeschaltet. Und – wichtig – der Eingangs-R und die 47nF bilden einen Hochpass mit der Grenzfrequenz von 600Hz/-3dB. Das senkt die Bässe merklich ab. (Wer an dieser Stelle mehr Bässe haben will, einfach dieses C3 = 47nF im Wert verdoppeln!) Jetzt ist das Signal bestens aufbereitet, was Basis-Klirrfaktor und Frequenzgang anbelangt, um weiter verarbeitet zu werden. Übrigens, in der kommenden Kolumne – mehr wird noch nicht verraten – wird der Sachverhalt dieses Abschnittes wieder aufgegriffen. Also, stay tuned!

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Abb. 2: Kennlinie des Eingangs-Verstärkers

Gain-OP

Das soeben aufbereitete Signal gelangt in den ungewöhnlichen Chip mit der Bezeichnung TA71236P, ein Single-OP im SIL-Gehäuse von Toshiba. Es ist ein OP für spezielle HiFi-Preamp-Operations, ist aber näher betrachtet nichts Besonderes. Die Beschaltung des Chips erscheint etwas konfus, vor allem die zwei Stück pF-großen Cs am Ausgang des OP mögen verwirren. Aber diese machen den OP „langsam“ – mehr braucht man dazu auch nicht zu wissen. Mittels des Distortion-Potis lässt sich seine Verstärkung von 1 bis etwa 20 variieren. Wenn mehr verlangt wird, die am Fußpunkt des Distortion-Potis gelegene 4,7 kOhm im Wert halbieren. Jetzt steht das Signal für das Si-Dioden-“ – Clipping“ bereit.

Dioden Clipping

Das Dioden-Clipping, hier angesteuert über einen Begrenzungs-R von 2,2 kOhm, ist allseits bekannt, insbesondere die dritte (grüne) Kurve in der Grafik der Übertragungs-Kennlinie (Abb. 3) des Clippers. Diese stoppt abrupt bei recht genauen +/-0,6 Volt Dioden-Spannung und geht in die Horizontale über. Das ist nicht dem dynamischen Dioden-Clipping geschuldet, sondern der Begrenzung, in die der OP getrieben wird! Es kommt trotz steigender Eingangsspannung vor dem OP einfach nicht mehr aus dem OP-Ausgang raus. Folglich müssen auch die Dioden, die hinter dem OP sitzen, diesen Sachverhalt widerspiegeln. Die Dreiecks-Eingangsspannung vor dem OP beträgt Vs = 200mV, die Verstärkung (Gain) durch den OP ist hier der Parameter.

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Abb. 3: Dioden-Clipping

Anders die blaue Kurve 1 mit niedrigem Gain. Dort hat diese im ersten Quadranten eine stetig abnehmende Steigung, vom Nullpunkt beginnend. Vielen wird diese Übertragungsfunktion bekannt vorkommen – richtig, es ist eine modifizierte „ln“- Funktion (= logarithmus naturalis). Eigentlich sind alle drei Kurven so eine ln-Funktion, mit Ausnahme eben bei dem Clipping bei +/- 0,6 Volt, bei der die ln-Funktion in eine Gerade mit der Steigung = 0 mündet. In Abb. 4 ist der übliche Signalverlauf über den Si-Dioden geplottet. Als Testspannung vor dem OP diente hier wieder eine Sinusspannung mit Vs = 200 mV, welche sich für diese Betrachtungsweise besser eignet als die analytische Dreiecks-Spannung. Das Gain des OPs ist wieder Parameter. Wir sehen deutlich, wie die Ausgangsspannung über den Dioden bei Gain = 10 kontinuierlich komprimiert wird. Bei Gain = 20 und = 100 erkennt man zusätzlich die Begrenzung durch den OP, wenn dieser gegen die Betriebsspannung läuft.

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Abb. 4: Dioden-Signalverlauf

Tone Filter

Dieses Tone Filter ist übrigens bekannt vom Big Muff Pi von Electro-Harmonix. Ein Zweig wird von einem Tiefpass, der verbleibende Zweig von einem Hochpass gebildet. Man kann also zwischen Bass- und Treble-Anhebung wählen, in der Mittelstellung besteht ein kleines Mitten-Loch als Übergang. Dieses Tone Filter wird später noch explizit in einer Kolumne über den Big Muff Pi seziert.

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