Vintage aktuell

Thomas Weilbier im Interview

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(Bild: Franz Holtmann)

Auf dem ereignisreichen Guitar Summit 2018 war Thomas Weilbier, altgedienter Vintage-Experte aus Hamburg (No.1), zu einem Talk mit dem Soundequipment-Versicherer I‘M SOUND geladen. Im Anschluss an das Gespräch mit I‘M SOUND Markenmanagerin Janina Klabes nutzten wir die Gelegenheit für einen vertiefenden Dialog zum Thema.

interview

Thomas, du bist lange im Geschäft. Gibt es für dich eine definitive zeitliche Grenze für die Kategorie Vintage-Gitarre?

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Vintage hört für mich mit dem Jahr 1969 auf. Das haben wir immer so gehalten und dabei bleiben wir auch. Natürlich gibt es auch danach noch gute Exemplare und die Grenzen sind da fließend, aber im Wesentlichen sind das für uns die Gitarren der 50er- und 60er-Jahre.

England ist ein großer Markt mit viel Vintage-Bestand, aber auch berüchtigt für fatal gut gemachte Fälschungen. Verändert der Brexit demnächst die Sitation?

In Hamburg haben wir viele englische Musiker, die reisen hin und her und verticken irgendwelche Sachen in der Hamburger Szene. Ich will nicht übertreiben, aber ich sag mal so 60 % von den Sachen, die die von drüben anschleppen, angeblich komplett original, kein Poti ausgelötet und und und, da zeigt sich einfach, dass sie nicht genau hingucken.

Gut gemachte Fakes sind oft auch nur schwer zu enttarnen.

Das ärgert mich, weil wir ja jeden Schiss ganz genau angucken und durchmessen etc. und unsere Schlauberger in Hamburg meinen, sie haben den Deal des Jahrhunderts gemacht. Da fällt schon auf, dass aus England in dieser Hinsicht wahnsinnig viel Zeugs mit Fragezeichen kommt. Das haben wir bei den Holländern oder den Franzosen nicht so. Der französische Vintage-Markt ist übrigens wahnsinnig stark geworden. Da passiert irgendwas, ich weiß nicht was, aber für uns läuft das gut. Da geht viel über Social Media, wie überhaupt im ganzen Geschäft.

Ist es so, dass du mittlerweile Not hast, entsprechende Ware ranzuschaffen?

Na sicher. Aus Amerika können wir ja wegen der Palisanderproblematik nicht mehr importieren, da bleibt nur das, was schon in Europa ist und auf Anfrage zu liefern, ist da nur gelegentlich möglich.

Haben die Leute manchmal falsche Vorstellungen, wenn sie dir Gitarren anbieten?

Klar, die gucken in die Schwackeliste und erfahren, dass ihre Gitarre € 10.000 wert ist. Ich als Händler kann das natürlich nicht zahlen, muss Steuern zahlen, den Laden unterhalten etc., da bleiben ihm vielleicht 7000 €. Da empfehl ich eher: komm, lass die Gitarre mal für zwei Monate hier, ich verkauf sie, dann kriegst du € 8000 und alle sind glücklich.

Aber jetzt kommen natürlich schon Gitarren von Sammlern auf den Markt, die sich altersbedingt davon trennen wollen, oder?

Zum Glück! Ich kenn natürlich auch viele Sammler, aber du kannst da ja nicht anrufen und sagen, verkauf mir mal die und die Gitarre, ich hab einen Kunden dafür. Das sind eher Zufälle, wenn man das richtige Instrument zur rechten Zeit für einen Kunden findet.

Kann das nicht zu Einbußen führen, wenn zunehmend Sammlungen aufgelöst werden?

Nein, eher nicht. Bringst du mir, sagen wir mal eine Martin D28 von 1968 rein, dann mach ich ein schönes Foto nachdem wir die Expertise fertig haben, beschreibe die Gitarre und bestimme den Preis. Dann guck ich in unsere große Kartei und seh da den Interessenten aus Gelsenkirchen und den aus Paris etc., die schreib ich jetzt mal an: habt ihr Interesse? Das ist unsere Vorgehensweise, die melden sich dann. Wir haben ja über Jahre Interessenten gesammelt und unsere Kartei ist entsprechend umfangreich. Im Moment könnte ich zwei, drei Sammlungen mehr verkaufen, als mir angeboten werden. Die Nachfrage ist einfach da.

Thomas Weilbier auf dem Guitar Summit mit Anna Tiede (links) und Janina Klabes (rechts), beide von der Sound-Equipmentversicherung I’M SOUND. (Bild: Franz Holtmann)

Wie ist das mit jungen Kunden, kaufen die auch Vintage?

Es gibt junge Leute zwischen 20 und 30, die so viel Asche haben, dass die sich für Preise gar nicht interessieren. Die reisen durch die Welt und kaufen ein mit Spaß an der Freude und an dieser speziellen Atmosphäre. Manchmal denken wir, was macht der nur damit? Der hat auch gar nicht den Investment-Gedanken. Viele Leute wollen einfach in der Liga mitspielen, etwas vorzeigen können und sich damit schmücken. Die siehst du dann plötzlich auf Vintage-Messen in San Rafael oder Dallas. Das sind so Mitspieler geworden, wie das früher die Japaner waren.

Es sind also nicht unbedingt immer nur Musiker, die sich Top-Instrumente besorgen.

Als Händler verweigerst du dich ja nicht, wenn die sagen: pack mal ein. Im Grunde sind wir auf dem Vintage-Markt aber eher eine ganz kleine enge Familie und da hilft man sich, gegenseitig, ob das nun der Detlef Alder in Maintal, der Matthias Jabs in München, der Oldenburger Jörn Eisenhauer, oder auch der Gregor Hilden ist.

Engt das Geschäft sich nicht auch auf wenige Händler ein, da das Misstrauen gegenüber privat angebotenen Instrumenten ohne Expertise inzwischen groß ist? Man vertraut euch, da tragt ihr auch Verantwortung.

Absolut richtig. Das Vertrauensverhältnis ist das A und O. Wir haben deshalb auch einen externen Gutachter zugezogen, der checkt alles in Ruhe, macht alles soweit fertig und ruft mich dann dazu. Der unabhängige Blick ist uns wichtig, vier Augen sehen mehr als zwei. Letztens sind Kunden aus Südspanien morgens angereist, haben den ganzen Tag mit dem Gutachter eine 1960er Les Paul inspiziert, bis wir dann gegen Abend alles noch mal gemeinsam durchgegangen sind. Dann bekamen sie ihr Instrument mit Expertise in die Hand und sind zufrieden und glücklich zurückgeflogen.

Gibt es im Moment eine besondere Nachfragetendenz?

Zur Zeit haben wir einen wahnsinnig starken Markt bei Semiacoustics und Akustik-Gitarren. Junge Leute haben hier auch entdeckt, dass eine alte Gitarre ihrer Stimme einen anderen, einen besonderen Akzent geben kann. Gibsons aus den 50er und 60er Jahren sind nach wie vor begehrt, die ES-Modelle natürlich. Stark nachgefragt werden gerade besonders die Les Paul Junior und die Les Paul Special. Solche Instrumente ziehe ich aus Sammlungen dann vor, da haben wir den größten Erfolg, das kann nächstes Jahr ja schon wieder anders sein.

Thomas Weilbier im Interview mit der I’M SOUND Markenmanagerin Janina Klabes auf der I’M SOUND Stage beim Guitar Summit in Mannheim. (Bild: Franz Holtmann)

Gibt es neue Entwicklungen, was CITES angeht, von welchen Erfahrungen erzählen dir Musiker?

Es ist leichter geworden, weil die Leute das verstanden haben, auch warum das so ist. Am Anfang wollten viele das nicht wahrhaben, wenn ich sagte: du musst deine Sammlung zertifizieren lassen, du kannst damit nicht mehr nach Amerika reisen. Ach was, hieß es dann, wir haben die besten Rechtsanwälte, uns passiert schon nichts. Nach einem Jahr kamen die dann an: kannst du meine Sachen zertifizieren? Das Bewusstsein dafür ist jedenfalls viel besser geworden. Wir haben Fehler gemacht, wussten das ja anfangs nicht besser, aber die Fehler haben wir in Hamburg mit der Umweltbehörde größtenteils begradigen können, weil die auch erkannt hat, dass wir aus Unwissenheit gehandelt haben. Da das aber in den Bundesländern unterschiedlich gehandhabt wird und Auslegungssache ist, haben einige Leute auch immer noch Probleme mit CITES.

Was sind zur Zeit die Verlierer, was die Gewinner?

Wenn wir über alte Gitarren bis Ende der 60er Jahre reden, da gibt es ein paar Verlierer. Gretsch z. B. schwächelt, da geht fast nur noch, was Verbindung mit George Harrison und Brian Setzer hat. Noch weit darunter rangiert Burns, wofür wir füher starke Sammler hatten. Rickenbacker ist auch ganz schwach geworden. Ich glaube aber, dass der Sound der Stratocaster ein Lebenselexir ist. Eine alte Strat oder eine alte Tele ist eigentlich nicht mehr wegzudenken, eine Les Paul und eine SG natürlich auch nicht. Ein starkes Interesse geht bei jungen Leuten gerade in Richtung P-90-Gitarren, also zu diesem warmen, schmatzigen, glockigen Ton. Ob das nun eine Les Paul Junior oder Special, eine ES-125er oder 330er ist – wir haben mehr Erfolg bei P-90-Gitarren als bei allen anderen. Das ist ein Trend, aber vielleicht zieht auch bald schon wieder der Humbucker nach vorn.

Du bist guter Hoffnung, dass der Markt stabil bleibt?

Ich bin guter Hoffnung, denn es gibt eine Sammler-Community, die auch aktiv Musik macht. Die haben jetzt im Ruhestand endlich auch die Zeit, um zu spielen, treffen sich regelmäßig und arbeiten manchmal Themen ab, letztes Jahr Clapton, davor ZZ Top, jetzt Hendrix usw., da passiert schon was.

Aber wie lange hält diese Generation noch durch?

Die Kinder eifern ja nach, das ist die gute Nachricht. Da sind viele talentierte Nachkömmlinge dabei, die können mit einem Kemper und mit Plug Ins umgehen, machen Studio-Aufnahmen usw.. Wenn nur ein Zehntel von denen begreifen würde, was eine alte Gitarre mit deren Persönlichkeit machen kann … ich finde das ist unsere Aufgabe, denen das zu vermitteln. Dann hätten wir eigentlich schon gewonnen, um das weiter leben zu lassen.

Danke Thomas, für das informative Gespräch!


Ein Video des I’M SOUND-Talks mit Thomas Weilbier findet Ihr unter www.imsound.de

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