Meilenstein 1979!

The Fabulous Thunderbirds: Girls Go Wild

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Der texanische Blues-Rocker Stevie Ray Vaughan startete ab 1983 eine fulminante Karriere mit seinem Debüt- Album ,Texas Flood‘ und Dank seiner virtuosen Gitarrensoli auf David Bowies Meisterwerk ,Let’s Dance‘.

Jimmie Vaughan & Telecaster (Bild: Repertoire Records/Billy Cross/Blue Bayou)

Allmählich sickerte hierzulande durch, dass es einen älteren, ebenfalls Gitarre spielenden Bruder gab, den Stevie in Interviews stets als großes Vorbild bezeichnete. Nun, wenn schon SRV derartig expressiv den Blues spielte, dann musste sein Bruder Jimmie ebenfalls ein interessanter Musiker sein … Nur Blues-Auskenner dürften damals schon den Namen Jimmie Lawrence Vaughan (*20.03.1951 in Dallas, Texas) gehört haben. Jimmie war schon als 19-Jähriger in der Musikszene von Austin unterwegs und gründete 1975 mit Kim Wilson (voc/harp) The Fabulous Thunderbirds. Hinzu kamen noch Mike Buck (dr) und Keith Ferguson (b). Als Haus-Band des Antone‘s traten sie u. a. mit Albert King, B.B. King oder Buddy Guy auf. Schließlich veröffentlichten die T-Birds mit ,Girls Go Wild‘ 1979 ihr erstes Album – das hieß übrigens nur in Nordamerika so, im Rest der Welt erschien es als ,The Fabulous Thunderbirds‘.

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Ein Retro-Blues-Klassiker (Bild: Repertoire Records/Billy Cross/Blue Bayou)

So oder so lösten die Thunderbirds in der Blues-Szene ein schweres Beben aus. Gleich im eröffnenden ,Wait On Time‘ shufflen Drums und Bass sehr kompakt nach vorne und die Gitarre spielt darüber knackige Licks, bevor Mr. Wilson mit sattem Stimm-Timbre einsetzt. Im langen Solo demonstriert Jimmie seine Wenigerist- mehr-Philosophie, gepaart mit einem markanten Anschlag und einer Intonation, bei der die Noten öfters ein wenig flat oder sharp (also ganz leicht zu tief oder zu hoch intoniert) ausfallen, wie man das auch von Texas-Blueser Albert Collins kennt. ,Scratch My Back‘ beginnt Frontmann Wilson mit der Harmonika, bevor stoische Gitarren-Riffs mit Tremolo-Effekt und ein gerader 4/4-Groove übernehmen. Mit Humor und Sinn für Details wurde hier der 1966er-Hit von Slim Harpo gelungen wiederbelebt. Im langsamen ,Full Time Lover‘ zeigt sich dann schließlich die packende Dynamik der Band, wenn während des Gitarrensolos plötzlich auch mal der Basslauf nach vorne drängt. Und es geht immer wieder nur um eins bei den Thunderbirds: den schnörkellosen und geradezu minimalistischen Groove! ,Pocket Rocket‘ ist so ein Song, der abgeht wie eine Rakete – Achtung, Achtung, dies war ein Kalauer und zugleich eine Formulierung aus der Mottenkiste – Oh Mann, noch so‘n abgegriffenes Unwort des Musik- Journalismus! („Der brandaktuelle Silberling dieses Urgesteins der Blues-Stilistik rotiert seit Tagen in meinem Player und ist schon jetzt gefühlte Platte des kommenden Jahres!“ d. Red. 😉

Zurück zu The Fabulous Thunderbirds & ,Girls Go Wild‘: Über dem gesamten Album liegt ein 50s-Feeling und das wird nirgendwo deutlicher als in ,She‘s Tuff‘. Im Jimmie- Reed-Style läuft die Gitarre stoisch durch, der angezerrte Gesang klingt gerade so als wäre er über einen kleinen Röhren-Amp aufgenommen worden. In ,Walkin’ To My Baby‘ schimmern dezente Rockabilly- Roots durch, und der getragene ,C-Boy‘s Blues‘ beeindruckt mit einem räumlichen Klang und den wild wechselnden und sich dabei überlappenden Soli von Gitarre und Harp, was die Spannung aufrecht erhält wie bei einem Live-Konzert.

Hallo, wir sind‘s! (Bild: Repertoire Records/Billy Cross/Blue Bayou)

Typisch für Jimmie Vaughan – dessen Name übrigens auf dem Album-Cover „Jimmy“ geschrieben wird – ist diese pure und präzise Rhythmusgitarre. Die resultiert aus einem Anschlag der Saiten in unmittelbarer Stegnähe. Der so entstehende stramme Ton wird noch unterstützt durch eine cleane Amp-Einstellung. Bekanntermaßen bevorzugt Vaughan alte Fender-Stratocaster-Modelle und Fender-Bassman-Röhrenverstärker (live inzwischen auch Kopien von grammaticoamps.com). Allerdings zeigte sich Vaughan auf dem Cover dieses Albums von 1979 noch mit einer Fender Telecaster. Beim Rockpalast-TV-Auftritt vom 23. Mai 1980 in Wiesbaden sah ihn das deutsche Publikum bereits mit einer Stratocaster. Übrigens, Linkshänder Keith Ferguson hat stets einen auf links gedrehten Telecaster-Bass umhängen. Die Thunderbirds präsentierten auf ihrem Debüt einen klassischen und auf das Nötigste reduzierten Stil, irgendwo zwischen trockenem Texas- und saftigerem Chicago-Blues. Muddy Waters, der mit den Thunderbirds noch vor dem ersten Album auf Tour war, erwähnte laut Ferguson einmal, dass sie so klängen wie seine beste Band in den 50ern, mit Gitarrist Jimmy Rogers. „Wir hatten das nie bewusst versucht“, kommentierte Ferguson weiter, „es war wie angeboren.“ Diese innewohnende Haltung spiegelte sich auch im Retro-Look der T-Birds wieder. Speziell Mr. Vaughan stach im Laufe der Jahre zunehmend heraus als cooler wie stilbewusster Gitarrist, was sich in seiner Elvis-Tolle und den 50er-Jahre-Klamotten widerspiegelte. Er und seine Band avancierten zum Rollenmodell für das Blues-Revival der frühen 80er-Jahre. Und von der Kraft und Energie der Frühphase können sich über 35 Jahre später nicht nur Blues- sondern auch offene Rock- und Jazz-Fans begeistern und inspirieren lassen.


Aus Gitarre & Bass 02/2017

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Die Fabulous Thunderbirds waren richtig größe Einflüsse für eine gesamte Generation von Blues-Musiker wie Ich. Die Scheibe ist eine die Besten, die es gibt. Coole Artikel, dankeschön!

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