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Savages: Gemma Thompson & Ayse Hasan im Interview

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Während man beim Gespräch mit mancher jungen Band eher an ein BWL-Seminar denken muss, mit den dazugehörigen Marketing-Konzepten und Social-Media- Strategien, erinnern die vier jungen Frauen von Savages an die goldenen Zeiten des Underground-Rock der 80er-Jahre – als Musik noch gefährlich, unkommerziell und Ausdruck der eigenen Andersartigkeit sein durfte.

(Bild: Schmidt, Reptile)

Von der Presse ständig mit dem Post-Punk von Bauhaus, Joy Division und den Banshees verglichen, ist die Band aus London weit davon entfernt ein 80s-Retro-Act zu sein. Klar, der Gesangsstil von Jenny Beth erinnert leicht an Susan „Siouxsie“ Balion und Gitarristin Gemma Thompson und Bassistin Ayse Hassan dürften auch schon mal The Cure und Konsorten gehört haben, aber allen Reminiszenzen an den frühen 80er-New-Wave-Sound zum Trotz machen die stets ganz in schwarz gekleideten Frauen ihr eigenes Ding. Wilde Feedbacks und repetitive Basslinien paaren sich mit Trance-artigen Drum-Grooves und dem dramatischen Gesang von Jenny Beth, die zum düsteren Sound oft sehr positive Botschaften transportiert. Vor dem Konzert im Kölner Luxor standen Ayse Hasan und Gemma Thompson Rede und Antwort – und freuten sich, endlich mal gemeinsam interviewt zu werden.

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Interview

Ayse & Gemma: Wir sind noch nie als Duo interviewt worden!!!

Was hat ursprünglich euer Interesse an Musik geweckt?

Gemma: Ich erinnere mich, dass ich die John Peel Session im Radio gehört habe. Als Teenager kamen dann Sonic Youth und Nirvana dazu und Musiker wie Rowland S. Howard, Blixa Bargeld und Duke Garwood. Aber ich finde es langweilig zu sagen, die Inspiration kam aus diesem oder jenem Genre, ich kann nicht nur eine Band nennen, die mein Leben beeinflusst hat. Ich mag z.B. auch klassische Musik.

Ayse: Bei mir gibt es auch nicht den einen auslösenden Moment, es ist eher eine Sammlung von Momenten. Als ich sehr jung war, habe ich unheimlich gerne Radio-Sendungen gehört. Meine Eltern haben sich sehr unterschiedliche Musik angehört und ich kann mich nicht an eine Zeit erinnern, in der ich keine Musik gehört habe.

Wann hast du selbst angefangen zu spielen?

Ayse: In der Primary School gab es eine Musikabteilung und mit sechs Jahren habe ich angefangen diverse Instrumente zu spielen.

Gemma: Auch Flöte?

Ayse: Ich habe einmal Flöte gespielt, das ist in der Regel das erste Instrument in England (beide lachen)

Wie kamst du zum Bass??

Ayse: Ich wollte einfach Musik machen. Ich habe eine Zeitlang Gitarre gespielt, aber das hat nicht richtig Spaß gemacht. Dann hab ich den Bass in die Hand genommen und mochte die Sounds, die ich damit machen konnte und bin in ein paar Punk- Bands eingestiegen.

Dann hast du dir den typischen Achtel- Punk-Bass selbst beigebracht?

Ayse: Ja, das ist die spannendste Art es zu lernen. Du musst deine eigene Art finden ein Instrument zu spielen, man muss sich nicht an irgendwelche Regeln halten.

Und bei dir Gemma?

Gemma: Ich habe mit Musikern in einer WG gewohnt. Einer war ein ziemlich guter Gitarrist und ich habe mir seine Gitarre geliehen und angefangen Krach zu machen.

(Bild: Schmidt, Reptile)

Eure Band wird oft mit Früh-80er-Acts verglichen. Mögt ihr denn die Post- Punk-Bands wie Bauhaus oder auch Joy Divison?

Gemma: Ja klar. Wir sind damit aufgewachsen diese Bands zu hören, aber es ist so wichtig, in der Zeit, in der du bist, relevant zu sein. Das erste Album hatte so eine Art Gang-Mentalität. Wir haben uns gegen Leute gewehrt, die um uns herum waren. Das ist etwas, was auch diese alten Bands getan haben sich dem zu widersetzen, was die Leute oder die Musikindustrie von dir erwartet, und versuchen du selbst zu bleiben.

Viele der Post-Punk-Musiker hatten kaum traditionelle Fähigkeiten auf ihren Instrumenten und haben deswegen versucht neue Sounds und Spielarten zu finden. Fühlt ihr euch diesem Konzept verbunden?

Ayse: Yeah, Ich glaube schon!

Gemma: Das erste, was ich auf der Gitarre lernen wollte, war Rowland S. Howards Linie aus dem Birthday-Party-Song ,Happy Birthday‘ und plötzlich habe ich verstanden, dass ich so nicht spielen kann, weil ich nicht er bin. Es gibt Sounds, die du nur erzeugen kannst, wenn du eine bestimmte Person bist und das hat mich viel mehr interessiert als nach Tabulatur zu spielen … die Idee, eine Persönlichkeit zu werden, die einen Sound verkörpert.

Habt ihr trotzdem Vorbilder?

Ayse: Es gibt Bassisten wie John Deacon von Queen oder J.J. Burnel von The Stranglers, die ich mag, aber mich inspirieren eher andere Sachen zum Musik machen. Die Art, wie Leute denken, die Kraft hinter Musik, das zu tun was man muss und es mit den eigenen Fähigkeiten so gut zu tun, wie man kann. Ich könnte morgen sterben und ich möchte einfach Musik machen und mir selbst treu bleiben, das inspiriert mich, im Moment zu sein und jetzt Musik zu machen! (lacht)

Gemma Guitar

Welche Gitarren spielst du?

Gemma Thompson: Eine 1966 Duo Sonic und eine Jaguar von 1963 mit einem 1972er-Hals.

Hat dich Rowland S. Howard zu der Jaguar inspiriert? Sie sieht sehr nach seinem Modell aus.

Gemma Thompson: Yeah, das tut sie. Ich habe alles auf der Duo Sonic geschrieben, das war immer meine Hauptgitarre, aber für die Aufnahmen von ,Adore Life‘ habe ich eine Jag gemietet und einige Songs damit aufgenommen, z.B. ,The Answer‘. Deswegen habe ich danach eine Jaguar gesucht und gekauft. Jetzt benutze ich beide Gitarren für unterschiedliche Parts.

Gemma und Ayse (Bild: Schmidt, Reptile)

Rowland S. Howard hast du schon in vielen Interviews erwähnt. Was gefällt dir an seinem Spiel?

Gemma Thompson: Es gibt diesen tollen Film über ihn namens ,Autoluminiscent‘ und da sagt einer über ihn, ich glaube Henry Rollins: „Dieser Mann sieht so aus wie seine Gitarre klingt.“ Diese Idee, dass alles den Sound verkörpert, finde ich sehr wichtig.

Auf der Bühne hast du zwei Amps.

Gemma Thompson: Ja, einen Fender Twin und einen Vox AC 30, die ich in Stereo spiele, weil ich einen Stereo-Reverb benutze. Ich schalte sie nicht um und sie sind eher clean eingestellt.

Ist es OK, wenn wir über deine Pedals reden?

Gemma Thompson: Ja klar (beide lachen)

…weil ich vorhin keine Fotos von deinem Pedalboard machen durfte, dem geheimen Pedalboard.

Gemma Thompson:…es ist nicht geheim, aber es nimmt Leuten den Spaß, Dinge auszuprobieren. Ich habe mittlerweile viele Sachen, die speziell für mich angefertigt werden und es verändert sich ständig.

Und was benutzt du?

Gemma Thompson: Ich benutze diverse Distortion-Pedale: Ein MXR Distortion +, ein Fulltone OCD, ein Maxon Tube Screamer, ein Crowther Audio Hotcake Fuzz mit einem Death By Audio Robot davor. An Delays habe ich ein Boss DD-20, ein Moog Delay und ein Boss RE-20 Space Echo.

Inspirieren dich die Effekte zu bestimmten Sounds oder hast du eher Klänge in deinem Kopf?

Gemma Thompson: Ich versuche, mich nicht vom Sound von Pedalen inspirieren zu lassen. Für mich ist ganz klar das, was du mit dem Instrument anstellst, das Wichtigste und die Pedale verstärken das nur. Die interessanteste Sache für mich ist Feedback und wie man es an einem bestimmten Punkt erzeugt und die Pedale helfen, Amp und Gitarre in Bewegung zu setzen. Sie sind nur Werkzeuge, so schön sie auch sind (lacht)

Stereo-Setup mit dem Reissue Vox AC30 und Gemmas Fender Jaguar mit 63er-Body & 72er-Hals. (Bild: Schmidt, Reptile)

Spielst du laut?

Gemma Thompson: Ja, ziemlich…

In manchen Songs unterstreichst du einzelne Worte mit bestimmten Sounds. Wie gehst du sicher, dass das auf der Bühne genau in diesem Moment funktioniert?

Gemma Thompson: Ich sitze zu Hause und übe! (lacht)

Eure Sängerin hat in Interviews oft Musiker wie Nina Simone oder John Coltrane erwähnt. Magst du Jazz?

Gemma Thompson: (lacht) Diese Musiker sind definitive musikalische Götter!

Aber du übst keine Jazz-Chords oder -Linien?

Gemma Thompson: (lacht) Nein, das bin nicht ich. Ich versuche mich auf meinen eigenen Weg zu konzentrieren. Wenn wir aufnehmen, höre ich eher Rachmaninow oder so etwas, damit mein Kopf frei von Gitarren ist, damit ich an Gitarren arbeiten kann.

Bass Ayse

Dein Bass-Spiel basiert auf Trance-artigen Repeating-Patterns und melodischen Parts und nicht so sehr auf traditionellen Bass-Grooves. Würdest du mir da zustimmen?

Ayse Hassan: Ich widerspreche nicht, aber es ist immer schwer, sich selbst zu betrachten und einzuordnen.

Hast du jemals typische Bass-Grooves in bestimmten Stilen gelernt?

Ayse Hassan: Es gab einen Punkt, an dem ich damit angefangen habe, aber ich habe schnell das Interesse daran verloren. Ich wollte nach Gehör das erforschen, was sich für mich gut anhört und keinen Patterns folgen. Wenn ich etwas natürlich tue, ist es, weil ich es selbst rausgefunden und nicht gelernt habe und das finde ich sehr spannend. Es ist für mich inspirierender Dinge selbst auszuarbeiten als sie abzulesen.

Ist dir Sound wichtiger als die Bass-Linie? Deine Parts haben immer eine sehr klangliche Qualität.

Ayse Hassan: Als ich aufwuchs, habe ich gegen die Musik meiner Eltern rebelliert und viel Industrial Music gehört. Lange Zeit wollte ich das reproduzieren, was Industrial mit Synthesizern gemacht hat, seltsame Klänge auf verschiedene Arten zu erzeugen und das auf den Bass zu übertragen. Ich habe den Bass eher als neutrales Instrument gesehen…das macht keinen wirklichen Sinn (lacht). Manchmal will ich mit dem Bass Klänge erzeugen, die original nicht von einem Bass kommen. Ich wollte Wiederholung einsetzen, aber interessant bleiben, wie eine Maschine klingen und das habe ich weiterverfolgt, als wir uns mit der Band entwickelt haben.

Gemmas Fender Duo Sonic an Twin (Bild: Schmidt, Reptile)

Deine Hauptinstrumente sind Fender- Precision-Modelle. Was magst du an ihnen?

Ayse Hassan: Sie geben mir einen tollen Ton, klingen warm und sind einfach schöne Instrumente, die zu meinem Stil passen. Ich habe einen 1976 P-Bass und einen aus der 90er-Anniversary-Serie.

Und dein Amp ist der klassische Ampeg mit leichter Verzerrung?

Ayse Hassan: Ähm, ja (lacht). Auf dem neuen Album habe ich aber häufiger Pedals für die Verzerrung eingesetzt: Ich habe ein Moda Lisa Fuzz mit einem Oszillator. Das klingt manchmal wie eine Säge, aber es ist ein tolles Pedal und es war spannend, einen Weg zu finden den Sound in das, was wir machen zu integrieren. Dann habe ich einen Boss OBD-3 Verzerrer und ein RE-20 Space Echo. Ich wechsle zwischen meinem cleanen Haupt-Sound, bei dem du wirklich das Instrument durch den Amp hören kannst und dem Distortion/Fuzz-Effekt- Sound.

Ayses Ampeg SVT & der Reissue P-Bass (Bild: Schmidt, Reptile)

Spielst du immer mit Pick oder auch mit Fingern?

Ayse Hassan: Ich spiele immer mit Pick, außer wenn ich zu Hause bin…

…und Jazz spielst (alle lachen)


Aus Gitarre & Bass 02/2017

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