Reunion

The Black Crowes: Back In Black

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(Bild: Josh Cheuse)

Die schwarzen Krähen fliegen wieder! Ein biologisches Wunder? Nein, vielmehr die – möglicherweise auch wirtschaftlich begründete – Versöhnung der Robinson-Brüder Chris und Rich. Im Oktober kommen der Sänger und der Gitarrist mit ihrer neuformierten Band sogar auf Deutschland-Tour!

Die Nachricht an sich kommt sicherlich nicht so überra­schend wie man gemeinhin vermuten könnte: The Black Crowes sind wieder vereint. Zwar nicht in Originalbeset­zung, aber immerhin mit den beiden entscheidenden Köpfen der Band, den Brüdern Chris und Rich Robinson. Sieben Jahre hatten die beiden nicht miteinander gesprochen. Das familiäre Tischtuch war zerschnitten, nachdem ein jahrelang schwelender Konflikt der zwei im Herbst 2010 zur Auflösung geführt hatte.

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Seinerzeit sprach man von einer unbefristeten Schaffenspause, mit der vagen Opti­on, den flügellahmen Vogel irgendwann später wieder flott zu machen. Intern hätte wohl kaum jemand auch nur einen Pfifferling auf die Wiederaufnahme der Band-Geschäfte gewettet. Zu tief war der Graben, der sich im Laufe der Jahre aufgetan und zum Zusam­menbruch der Gruppe geführt hatte: totale Erschöpfung, Ego-Pro­bleme, Drogen- und Alkoholmissbrauch, Prügeleien sowohl mit Ordnern und Veranstaltern als auch innerhalb der Band.

„Es gab Zeiten, da hassten wir uns nur noch“, gesteht Gitarrist Rich Robin­son.

„Der Druck, der auf uns lastete, die Ideale, die langsam aber sicher verloren gingen … Das war wohl der Preis, den jede erfolg­reiche Gruppe irgendwann bezahlen muss.“

Das schlimmste Ärger­nis aber war wie so häufig das Geld.

„Die Plattenfirma, das Management, das gesamte Umfeld wurde ganz kirre von den unermesslichen finanziellen Möglichkeiten, die mit unserem Erfolg zusammenhingen.“

Doch das alles scheint nun vergessen zu sein. Immerhin sind fast zehn Jahre ins Land gegangen, ist Gras über so manche Sache gewachsen, die sich damals turmhoch auf­geschüttet hatte. Denn, so Rich Robin­son:

„Wir sprechen hier immerhin von meinem Bruder, und nicht von irgend-einem x-beliebigen Band-Kollegen. Da bemüht man sich natürlich gleich doppelt, um alte Streitigkeiten aus dem Weg zu räumen und eine Lösung für die Probleme zu finden. Außer­dem haben mir die Erfahrungen mit The Magpie Salute dabei geholfen, Chris besser zu verstehen.“

Rich Robinson in trauter Zweisamkeit mit Bruder Chris. (Bild: Sam Hussein)

THE MAGPIE SALUTE

The Magpie Salute, dies zur Erklärung, ist/war Rich Robinsons aktuelle Band, mit der er 2018 und 2019 die kongenialen Alben ‚Walk On Water I‘ und ‚Walk On Water II‘ veröffentlicht hat. Die Presse war voll des Lobes, die Reaktionen der Fans fielen jedoch mäßig bis niederschmetternd aus. Jedenfalls für Robinsons Erwar­tungen und die von ihm gewohnten Bilanzen aus Zeiten der Black Crowes.

Robinson gibt zu, dass bei ihm die Enttäuschung zurzeit riesen­groß sei. Und dass bei The Magpie Salute eine ähnliche Abwärts­spirale wie bei den Black Crowes vor zehn Jahren drohte.

Er sagt: „Aus Enttäuschungen werden schnell negative Gefühle. Und aus negativen Gefühlen ebenso schnell Aversionen. So etwas habe ich in meinem Leben schon einmal erlebt, das darf sich nicht wiederholen.“

Bedeutet genau was? Sind The Magpie Salute also schon wieder aufgelöst?

Robinson: „Ich liebe die Band, ich liebe die Songs, und ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt. Aber ehrlich gesagt weiß ich momentan nicht, wie die Zukunft von Magpie aus­sieht.“

Das klingt, als ob der Stachel der Enttäuschung tief sitzt.

Robinson: „Weißt du: Leider hat es nicht funktioniert. Die erste Show in New York war noch sehr cool, doch danach wurde es zunehmend schwieriger. Und als ich mich ungefähr zum gleichen Zeitpunkt erstmals seit über sieben Jahren wieder mit meinem Bruder unter­halten habe, änderte sich mein Standpunkt. Denn durch die schwierigen Erfahrungen mit The Magpie Salute verstand ich auf einmal, was Chris bei The Black Crowes früher so unzufrieden und wütend gemacht hatte. Es waren ähnliche Erfahrungen wie meine bei The Magpie Salute.“

The Black Crowes
Rich Robinson mit 12-string-Acoustic Rechts in trauter Zweisamkeit mit Bruder Chris. (Bild: Sam Hussein)

CHRIS ROBINSONS BROTHERHOOD

Auch Bruder Chris Robinson konnte mit seiner derzeitigen Band Brotherhood in den zurückliegenden Jahren an die einstigen Geschäftsbilanzen der Black Crowes nicht einmal ansatzweise her­anreichen. Vor acht Jahren gegründet, zeichnete sie – neben erst­klassiger Rock-Musik (O-Ton Robinson: „Wir lieben Jazz, Rock’n’Roll, Fats Domino, Chuck Berry, Little Richard, Buddy Holly, wir lieben Bluegrass und Funk, britischen Rock, Rasta- und Reggae-Musik, und übertragen all dieses auf unsere Songs!“) – vor allem das Flair einer tiefenentspannten aber kirchenmausarmen Hippie-Kommune aus.

2018 war Robinson erstmals mit der Gruppe in Europa aufgeschlagen, hatte die Mär vom glücklichen Freak-Dasein verkündet, das er – in einer Wohngemeinschaft mit seinen Band-Kolle­gen – in der Pampa Amerikas genießt, und in der Musik genauso gemacht wird, wie es die Urväter dieser Kunstrichtung vermutlich vorsahen: aus reiner Lust und Laune, und nur dann, wenn man sich richtig inspiriert fühlt.

Robinson: „Bei den Crowes musste ich schnell lernen, dass Geld die Menschen unbe­rechenbar macht. Ich bin in meinem tiefsten Inneren ein ziemlich naiver, eher poetischer Mensch, der mit diesem rauen, unschönen Business oftmals haderte. Brotherhood dagegen ist einfach nur eine kleine Wohngemeinschaft in irgendeinem verwunschenen Wald in Kalifornien.“

Dass auch diese Band in geschäftlicher Hinsicht nie den großen Tagen der Black Crowes das Wasser reichen konnte, weiß ihr Frontman Chris Robinson nur allzu gut:

„In Amerika kannst du dich als Live-Band auch ohne aktuelles Album weiterentwickeln. Grup­pen wie uns nennen sie dort Jam-Band, und die Leute kommen, weil sie neugierig sind, was sich da abspielt. Als wir zum ersten Mal in Europa landeten, war ich total aufgeregt, denn bislang wollte uns hier kein Veranstalter anfassen, weil sich ihrer Meinung nach kein Schwein für uns interessierte.“

Zu seinem Glück war die Show in London im März 2018 ausverkauft und die Band bekam die Gelegenheit, von dort aus auch nach Deutschland zu reisen.

„Soll ich dir verraten, was der größte Unterschied zwischen der CRB und den Black Crowes ist? Früher wäre ich erster Klasse nach Hamburg geflogen, heute würde ich mich notfalls auch im Gepäckabteil transportieren lassen“, sagte Chris Robinson und fügte hinzu: „Für mich ist das alles Freiheit. In meinen jungen Jahren war ich der Rockstar, heute bin ich einfach nur ein Musiker, der seine Songs aus seiner Sicht der Dinge schreibt. Als ich die Black Crowes verließ, sagten alle: ‚Tu es nicht, du machst einen Fehler! Du könntest noch so viel mehr Geld verdienen.‘ Aber mich hat das nicht interessiert. Es geht nicht ums Geld, es geht um Musik, und es geht darum, glücklich zu sein. Nur das allein zählt!“

DAS KLÄRENDE GESPRÄCH

Weshalb aber hat sich Chris Robinson dann auf eine Wiedervereinigung eingelassen, wo er doch vor wenigen Monaten noch vorgab, mit Brotherhood wunschlos glücklich zu sein? Bei seinem Bruder Rich erscheinen die Beweggründe offensichtlicher: der mühsame Aufbau von The Magpie Salute, die mäßigen Verkaufszahlen der zwei ersten Studioalben, die ernüchternde Tour, das fehlende Geld … Logisch, dass ihm da eine Reunion der renommierten Black Crowes wie eine Rückkehr ins Paradies vorkommen muss.

Aber Chris, sein Bruder? Weshalb setzt er sich einem solch unkalkulierbaren Risiko aus, wieder unglücklich zu werden? Hatte er nicht bereits während der Interview-Tage zum vierten Studio-Album ‚Three Snakes And One Charm‘ von unhaltbaren Zuständen berichtet? „Rich nahm auf der letzten Tour sogar einen getrennten Bus, um mir aus dem Weg zu gehen. Auf der Bühne und beim Soundcheck war alles in Ordnung. Du weißt, was ich meine: Musikalisch verstehen wir uns blind, aber außerhalb der Shows war es sehr frostig“, gestand Chris damals.

Weshalb also jetzt dieser überraschende Sinnes-wandel? Vermutlich hat Bruder Rich den Nagel auf den Kopf getroffen, als er von „family affair“ sprach, den Medien eine Art „Blut ist dicker als Wasser“-Botschaft übermittelte, passend zur Parole, die Chris kurz vor der Auflösung ausgegeben hatte: „Wir alle müssen lernen, dass die Crowes wichtiger sind als ihre Individuen.“

Man habe, so erzählt Bruder Rich, die Situation von damals genau analysiert und dabei einen Hauptschuldigen gefunden: das ehemalige Management!

„Chris und ich sind uns einig, dass natürlich auch wir viele Fehler gemacht haben“, gesteht er. „Chris dachte, dass er für die Band mehr arbeiten müsse als alle anderen, ich dachte dasselbe von mir. Eine Erfahrung, die sich jetzt, wie bereits erwähnt, auch bei The Magpie Salute wiederholt hat. So etwas führt automatisch zu Unfrieden und dazu, dass jeder anfängt, eigene Pläne zu schmieden.

Das Schlimmste daran aber war am Ende der Black Crowes, dass Chris und ich von unserem Management geschickt auseinander dividiert wurden, um uns zu manipulieren und mehr Einfluss auf die Band zu gewinnen. Sie sprachen niemals mit uns beiden gemeinsam, sondern immer nur mit jedem einzeln. So etwas führt zwangsläufig zu Misstrauen. Aber Chris und ich haben all das ausgeräumt, ich habe zu ihm gesagt: ‚Heute verstehe ich, was dich damals so wütend gemacht hat.‘ Wir wollen und können dort wieder anfangen, wo wir 1989 schon mal begonnen haben: bei Punkt Null.“

The Black Crowes(Bild: Sam Hussein)

WIE ALLES BEGANN

Chris und Rich Robinson sind die Söhne der amerikanischen Country-Musiker Stan und Nancy Robinson. 1959 landete Vater Stan mit ,Boom-A-Dip-Dip‘ einen respektablen Hitparadenerfolg in Amerika. Auch wenn rein äußerlich durchaus der gleichen Familie zuzuordnen, sind die Robinson-Söhne hinsichtlich ihres Temperaments wie Feuer und Wasser.

Chris war früher ein springlebendiges Schnattermaul, konnte kaum still sitzen, sprach mit Händen und Füßen und turnte bei Interviews zumeist halb auf, halb unter dem Tisch liegend permanent auf seinem Stuhl herum. Er ist hinsichtlich seiner Physiognomie von geradezu hagerer Statur, verfügt allerdings über ein kraftvoll-rauchiges Stimmorgan, wie es seit Paul Rodgers (Free / Bad Company) keines mehr gegeben hat.

Der drei Jahre jüngere und körperlich stabiler wirkende Rich ist dagegen vergleichsweise introvertiert, eher wortkarg, und beobachtet von jeher das ansteckende Temperament seines älteren Bruders mit gewissem Argwohn.

1989 nahm der amerikanische Rock-Guru Rick Rubin die ein Jahr zuvor als Mr. Crow’s Garden gegründete Band für sein neues Label Def American unter Vertrag und half ihnen auf die Sprünge. Dennoch herrschte zwischen Rubin und den Black Crowes von Beginn an eine Art Hassliebe. Rubin hätte gerne gesehen, dass aus den Reihen des Robinson-Trosses mehr finanzielle Mittel in den Deal eingebracht worden wären. Doch die Musiker besaßen kaum genügend Instrumente, geschweige denn Geld. Gitarrist Rich nannte gerade mal eine einzige Ersatzgitarre sein Eigentum, und die war noch nicht einmal vollständig bezahlt.

The Black Crowes ihrerseits forderten von Rick Rubin mehr eigenhändige Unterstützung und akzeptierten nur murrend, dass anstatt Rubin der A&R-Manager des Labels, George Drakoulias, ihr Debüt betreute. Doch die Kooperation funktionierte.

The Black Crowes legten einen Bilderbuchstart hin wie nur wenige amerikanische Rock-Bands vor ihnen. Allein von ihrem Debüt-Album ‚Shake Your Money Maker‘ (1990) verkaufte die Band mehr als sieben Millionen Tonträger, weitere vier Millionen folgten beim zwei Jahre später veröffentlichten ‚The Southern Harmony And Musical Companion‘.

Ihr knochentrockener Rock’n’Roll, die süffisanten Texte über Sex, Alkohol & andere Drogen, das alles zusammen begeisterte Fans und Medien so dermaßen, dass The Black Crowes schon Anfang der 90er-Jahre der höchst ehrenvolle Titel “The most Rock’n’Roll Band in the World” verliehen wurde.

ALLES AUF ANFANG!

Nun also der Neubeginn! „We start from scratch“, erklärt Rich Robinson den Plan, den er zusammen mit Bruder Chris für die Rückkehr der Black Crowes ausbaldowert hat, was übersetzt so viel heißt wie: alles auf Anfang. „Wir haben uns ein neues Management gesucht, es gibt einen neuen Booker, wir wollen uns wieder so fühlen wie damals, als wir die Songs für ‚Shake Your Money Maker‘ im Wohnzimmer unserer Eltern komponiert haben, nur wir zwei, Chris und ich.“

Deshalb wird auch keiner der früheren Black-Crowes-Mitglieder bei der Reunion dabei sein, nicht einmal – oder insbesondere nicht? – die Herren Marc Ford (g) und Sven Pipien (b), die zuletzt auch zur Besetzung von The Magpie Salute gehört hatten. Aber eben auch niemand von Chris Robinsons Brotherhood.

Stattdessen wird das-Line Up, das im Oktober 2020 für drei Konzerte nach Deutschland kommt, neben den Robinsons aus Gitarrist Isiah Mitchell, Bassist Tim Lefebvre (David Bowie, Tedeschi Trucks Band), Schlagzeuger Raj Ojha und Keyboarder Joel Robinow bestehen. „Wir wollen keinerlei Altlasten mit uns herumschleppen“, erklärt Rich Robinson den radikalen Schnitt.

Es habe einige sorgfältige Auditions gegeben, verrät der Gitarrist. „Wir haben hohe Maßstäbe angelegt und gezielt nach ihnen entschieden. Ein Mitglied der neuen Black Crowes muss in der Lage sein, das gesamte Material der Band spielen zu können, er muss menschlich zu uns passen, sodass man sich wohlfühlt, wenn alle im gleichen Raum sind, und er muss die wichtigsten Kriterien eines guten Songs verstehen.“

Was genau ist mit letztgenanntem Punkt gemeint? „Nun, ein guter Song besteht aus charakteristischen Passagen, die man erkennen muss und nicht verändern darf. Es gibt Musiker, die ignorieren die Essenz eines tollen Songs und denken nur darüber nach, wie sie sich selbst möglichst gut in Szene setzen können. Dabei ist die wichtigste Eigenschaft eines wirklich guten Musikers, dass er Respekt vor der Komposition hat.

Als ich damals mit Jimmy Page auf der Bühne stand, hätte ich ‚Whole Lotta Love‘ auch auf meine Weise spielen können. Aber das wäre respektlos gewesen. ‚Whole Lotta Love‘ darf man nur auf eine einzige Art spielen, nämlich so, wie Jimmy Page die Nummer geschrieben hat. Ich möchte von heute an in der Band nur noch Musiker, die verstehen, was ich meine, wenn ich sage: ‚Stellt euch in dieser Passage Steve Marriott von den Small Faces vor, genauso soll der Part klingen.‘ Alle in der Band müssen die gleiche musikalische Sprache sprechen und verstehen.“

Klingt nach Aufbruch, Neubeginn, nach einer weltumspannenden Tournee, und etwa auch nach einem weiteren Studio-Album, irgendwann? Chris: „Ich würde dies nicht kategorisch ausschließen, aber zunächst einmal geht es nur darum, auf Tour herauszufinden, ob es in dieser Konstellation funktioniert. Natürlich möchte ich für The Black Crowes auch wieder neue Songs schreiben, aber vor allem möchte ich nie wieder sieben Jahre lang kein Wort mit meinem Bruder sprechen.“

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2020)

Produkt: Gitarre & Bass 3/2024
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