Die Wiedervereinigung von Jagger & Richards

Meilenstein 1989: The Rolling Stones – Steel Wheels

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The Rolling Stones 1989: Bill, Keith, Charlie, Mick und Ron
The Rolling Stones 1989: Bill, Keith, Charlie, Mick und Ron (Bild: Paul Natkin / Universal Music)

Der Tod von Drummer Charlie Watts am 24. August 2021 traf „die größte Rock’n’Roll Band der Welt“ im Innersten. Aus der Urbesetzung der frühen 60er-Jahre waren mittlerweile nur noch Sänger Mick Jagger und Gitarrist Keith Richards dabei. Beide gingen im Juni in der Besetzung mit Ron Wood (g), Darryl Jones (b) und Steve Jordan (dr) auf Tour – und feiern damit ein beispielloses 60-jähriges Bestehen.

Mr. Charles Robert „Charlie“ Watts
Mr. Charles Robert „Charlie“ Watts (2. Juni 1941 – 24. August 2021) (Bild: George Chin / Universal Music)

Die Band hätte schon oft auseinanderbrechen können, etwa am Tod von Band-Gründer Brian Jones, an dem Weggang von Gitarrist Mick Taylor oder an der Drogensucht von Keith Richards. Ab Mitte der 80er-Jahre wurde es wieder ernst, und ein Ende schien möglich. Denn die beiden Haupt-Songwriter und Frontmänner Mick Jagger und Keith Richards hatten sich nicht mehr viel zu sagen, bzw. das was zu sagen war, erfuhr jeder vom anderen aus der Presse.

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Jagger verfolgte ab 1985 mit seinem ersten Album ‚She’s The Boss‘ auch eine Solo-Karriere. Keith zog drei Jahre später mit ‚Talk Is Cheap‘ nach. Und 1986, wohl etwas weniger beachtet – veröffentlichte auch das Charlie Watts Orchestra ‚Live at Fulham Town Hall‘. Damals verfolgte der Drummer mit einer Tour in großer Besetzung seine Liebe zum klassischen Big-Band-Jazz. Dann hatte die Band einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften: Am 12. Dezember 1985 starb der langjährige Pianist Ian Stewart – der „heimliche sechste Stone“ war mit seinem swingenden Stil so wichtig für den Band-Sound gewesen.

Nun, die Stones existierten nach wie vor und veröffentlichten 1986 ‚Dirty Works‘. Das Album war zwar erfolgreich in den Charts und die Version von ‚Harlem Shuffle‘ (im 1963er-Original von Bob & Earl) hat den Weg ins kollektive Gedächtnis gefunden, es war aber insgesamt eher etwas flach geraten. Dies wurde dann drei Jahre später am folgenden ‚Steel Wheels‘ noch mal deutlich.

(Bild: Universal Music)

Das Album startet sehr cool mit ‚Sad Sad Sad‘, einem schnellen Rock’n’Roller, der geradezu klassisch nach den Rolling Stones klingt. Sehr cool kommt auch ‚Mixed Emotions‘, der eingängige Refrain strahlt viel Pop-Appeal aus. Irgendwie unglaublich und geradezu typisch vertrackt wie Charlie Watts hier den Auftakt spielt, und dann rollt es. Und Bill Wyman erdet alles mit tragenden und bluesigen Basslines. In ‚Rock And A Hard Place‘ wird auch gerockt, hinzukommen nach und nach funky Elemente. Letztere dominieren dann im pulsierenden ‚Terrifying‘. Auch hier setzt der Bass wieder tolle Akzente, und gegen Ende produziert eine jazzige Trompete viel Atmosphäre. Zu den weiteren Höhepunkten von ,Steel Wheels‘ zählt auch ‚Hearts For Sale‘. Aus einer Reverb-Kaskade dringt das Haupt-Riff nach oben, das im Shuffle-Beat nach vorne getrieben wird.

Keef & Tele
Keef & Tele (Bild: Paul Natkin / Universal Music)

Stets präsent ist der charakteristische Gitarren-Sound der Stones. Keith Richards kennt man ab den 70ern fast ausschließlich mit Fender Telecaster. Dabei setzte er vornehmlich Modelle aus den 50er-Jahren ein. Legendär ist jene Butterscotsch-Blond-Tele, die Richards „Micawber“ nennt. Eric Clapton schenkte sie ihm zum siebenundzwanzigsten Geburtstag. Der Singlecoil in der Halsposition wurde gegen einen Gibson-PAF-Humbucker ausgetauscht. Zudem stand und steht Keef auf Fender-Tweed- und auch Fender-Twin-Verstärker. In den 80er-Jahren kam auch ein Mesa Boogie Mark I zum Einsatz. Essentiell für Stil und Sound von Keith Richards war und ist die offene G-Stimmung, wobei er die tiefe E-Saite entfernt hat und mit fünf Saiten auskommt.

Ron Wood
Ron Wood (Bild: Paul Natkin / Universal Music)

Ron Wood war oft mit Stratocaster-Modellen zu sehen. Eine 55er-Sunburst-Strat aus seiner Zeit mit den Faces gehörte zu seinen Hauptinstrumenten. Ron hat im Laufe der Jahre verschiedene Gitarren eingesetzt, darunter eine Signature-T-Style von ESP und eine Duesenberg Starplayer TV Pearl Top Signature. Auch Wood benutzte Fender-Amps wie Twin Reverb, Vibro-King und Blues Deluxe aber auch einen Vox AC30.

Bill Wyman spielte in den 80er-Jahren Headless-Bässe von Steinberger. Zunächst probierte er einen schwarzen Custom Shortscale XL Bass mit kleinem Body aus, wechselte dann aber zu einem weißen Steinberger Shortscale XM2 mit großem Korpus. Laut ,Steel Wheels‘-Aufnahmetechniker Chris Potter setzte Wyman für ‚Almost Hear You Sigh‘ einen damals neuen Wal-MB4-MIDI-Bass und einen Ampeg-B15-Portaflex-Bassverstärker ein. Ansonsten bemerkte Bill zum Thema einmal, dass er schon in der Frühphase der Stones live eine Box mit einem 18“-Speaker verwendet habe.

Und weiter: „Diesen riesigen Lautsprecher habe ich während meiner gesamten Stones-Ära gespielt, egal ob ich die Box mit Ampeg-, Fender- oder Vox-Amps ansteuerte“. Für Bill Wyman sollte ‚Steel Wheels‘ das letzte Studioalbum mit den Stones werden, 1993 verließ er den ganz großen Rock’n’Roll-Zirkus.

‚Steel Wheels‘ markierte die Wiedervereinigung von Jagger/ Richards. Und nach sieben Jahren Pause gingen die Stones auch wieder auf Tour, die in Europa „Urban Jungle Tour“ hieß. Noch 1989 erschien mit ‚Steel Wheels Live‘ ein Mitschnitt aus Atlantic City, NJ, bei dem die Gäste John Lee Hooker, Eric Clapton, Axl Rose und Izzy Stradlin zu hören sind. Mal sehen, wer 2022 vorbeikommt und ob es noch einmal ein Live-Album geben wird.


(erschienen in Gitarre & Bass 06/2022)

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The Rolling Stones: Stories & Interviews
The Rolling Stones im Interview - das große Gitarre & Bass-Special

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Die Stones haben einige großartige Songs abgeliefert, aber auch sehr viel Dünnschiss dazwischen. Egal: Sie sind halt Kult!
    Gruß und Blues
    F. Rainer

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