Meilenstein 1981 – Stray Cats: Gonna Ball

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(Bild: Sony/Arista/Gavin Cochrane)

Glaubte man zu Beginn der 80er, Schmalztollen, Riesenkoteletten, Tattoos, Kontrabässe, dicke hohlbäuchige Gitarren, Chuck-Berry-Riffs und Elvis-Pathos überwunden zu haben, kehrte dies alles – gemixt mit einem Schuss Punkrock – zurück.

Dabei dominierten zunehmend Strömungen wie Synth-Pop/New-Wave mit Acts wie Depeche Mode, Ultravox und Human League oder die „New Wave of British Heavy Metal“ mit u. a. Iron Maiden oder Judas Priest die Charts und den Zeitgeist.

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Zu den wichtigsten Protagonisten des parallelen Rockabilly-Revivals gehörte eine amerikanische Band: die Stray Cats aus Massapequa, New York State. Brian Setzer (voc,g), Lee Rocker (b, voc) und Slim Jim Phantom (dr, voc) gründeten bereits 1979 ihre Band, doch kaum jemand interessierte sich für deren altmodische Musik. Schließlich zogen die drei nach London, um dort ihr Glück zu versuchen.

On Stage: Slim Jim Phantom & Brian Setzer (Bild: MIG/WDR/Manfred Becker)

Und damit sind wir beim zweiten Album der Stray Cats, das im November 1981 erschien, gerade mal acht Monate nach dem bahnbrechenden selbstbetitelten Debüt. ,Gonna Ball‘ startete mit einer scharfen und swingenden Version des Johnny-Burnette-Klassikers ,Baby Blue Eyes‘ (der ursprünglich ,Your Baby Blue Eyes‘ hieß). Zu dieser gediegenen Rockabilly-Nummer bildete der Shuffle ,Little Miss Prissy‘ einen erdigen Kontrast, eben durch das stark verzerrte Texas-Blues-Riff plus Bottleneck Einlagen. Auch ,Cryin‘ Shame‘, mit Brian McDonald an der Harp, war so ein rauer Power-Blues. Das schnelle, von Saxofonen befeuerte ,Wasn‘t That Good‘ geht mit dem harmonischen Thema in Richtung 50er-Jahre Jump-Blues. ,(She‘ll Stay Just) One More Day‘ – wieder unterstützt von Saxofonen und diesmal auch von Hammond-B3-Orgel – streifte dann auch mal Jazz.

Und ,You Don‘t Believe Me‘ startete mit einem Rip-Off des legendären Elmore- James-Riffs aus dessen Blues-Hit ,Dust My Broom‘. Erst ab der zweiten Hälfte des Albums ging dann der Rockabilly Train wieder so richtig ab, etwa mit dem scharfen Titelstück und dem rockenden ,Rev It Up & Go‘ – Letzteres war eine coole Hommage an Chuck Berry, die durch das swingende Klavier zusätzlich an Fahrt gewann. Das dürfte wohl von Rolling-Stones-Pianist Ian Stewart gespielt worden sein, der in den Liner Notes (neben John Locke) als Keyboarder genannt wurde.

Gitarrist und Lead-Sänger Brian Setzer stand bei den Stray Cats im Mittelpunkt des Geschehens. Im strammen ,Crazy Mixed-Up Kid‘ zeigte er, was man so alles auf einer Gretsch-Hollowbody spielen kann: schnelle Singlenote-Linien, jazzige Akkordkaskaden, Doublestops und packende Repeating-Pattern. Sein Hauptinstrument war bereits damals eine 1959er Gretsch 6120 Chet Atkins, die mit zwei Filtertron-Humbuckern ausgestattet war.

Zudem besaß die Gitarrre das für Setzer so essentielle Bigsby-Vibrato, mit dem er etwa Akkorde eher dezent im Stil der 50er modulierte oder in Solopassagen heftiger einsetzte. Zudem ist Brian bekannt dafür, ein 1963er-Fender-Bassman-Top plus Fender-2×12-Box zu benutzen. Das letzte wichtige Detail war/ist ein Roland RE-301 Space Echo für das typische kurze Slapback-Delay des Rockabilly.

Rockt: Lee Rocker (Bild: MIG/WDR/Manfred Becker)

Lee Rocker zog live eine starke Show ab, etwa wenn er sich den dicken Kontrabass wie eine Gitarre unter den Arm klemmte oder sich auf das Instrument stellte – ohne eine Note auszulassen. In spieltechnischer Hinsicht war sein heftiges Slapping auf dem Kontrabass prägend für die meisten Rockabilly-Bassisten nach ihm. Und er hatte einen sehr eigenen Sound, der gleichermaßen tragend wie dynamisch war. Lee brachte hierfür auf seinem Kontrabass zwei Tonabnehmer an. Gegenüber dem US-Magazin Bassplayer sagte er einmal:

„Als ich anfing, gab es nur wenig Auswahl an Elektrik. Es war von Beginn an ein Do-It-Yourself-Ding. Wir nahmen einen Tonabnehmer wie etwa den Split- Coil eines Fender Precision Basses und montierten ihn auf ein Stück Holz, das wir am Ende des Griffbretts anbrachten. Und dann hatte ich noch einen Transducer-Pickup von einer Akustik-Gitarre, den ich auf dem Instrument solange herumbewegte, bis ich die richtige Stelle für einen schönen perkussiven Klang fand.“

Weiterhin setzte Rocker einen Ampeg-Amp plus -Box ein.

Mit ihren teils aggressiven Gitarre- und Bass-Sounds schlugen die Stray Cats auch auf ,Gonna Ball‘ eine Brücke vom klassischen Rockabilly und Rock & Roll hin zur Moderne. Neu hingegen waren die starken Blues-Einflüsse, die zeigten, dass die Stray Cats alles andere als eine rein traditionell ausgerichtete Band des Genres sein wollten. Noch eine Anmerkung zur Diskographie: Die Stray Cats veröffentlichten 1982 mit ,Built For Speed‘ ihr erstes Album in den USA. Diese LP war ein Mix aus ,Stray Cats‘ und ,Gonna Ball‘.

Auf dem dritten respektive vierten Album ,Rant N‘ Rave With The Stray Cats‘ (1983) gab‘s den knackigen Hit ,Sexy & 17‘. Im folgenden Jahr dann löste sich die Band erstmals auf, seither gab es zwei länger anhaltende Reunion-Versuche und immer mal wieder diverse gemeinsame Konzerte. Daneben verfolgen alle Drei erfolgreiche Soloprojekte, zu den bekanntesten dürfte das Brian Setzer Orchestra zählen.

Und 2019? Startet der Hype erneut! Zum 40-jährigen Bandjubiläum kommen die Stray Cats auf Tour, im Juli spielen sie dann auch in Deutschland. Und vorher, mit dem Erscheinen dieser Ausgabe, kommt das neue Album ,40‘ raus – das erste mit neuen Songs seit 26 Jahren. ,Cat Fight (Over A Dog Like Me)‘ ist bereits seit Längerem online, eine schneller Rocker der ganz typisch nach den Stray Cats der Frühphase klingt und der Großes erwarten lässt.

 

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2019)

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