Magnus Krempel: Ein persönlicher Nachruf

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(Bild: Roland Kaschube)

Manchmal fühle ich mich im Leben geführt. Das wird mir aber meistens erst viele Jahre später in der Retrospektive bewusst. Es gibt da so einige Wendungen in meinem Leben, die weder geplant noch voraussehbar waren. 1992 zum Beispiel fuhr ich zum Musiker-Flohmarkt nach Ibbenbüren.

Ich schlenderte an Ständen und Tischen vorbei und entdeckte dann einen völlig übermüdeten, hageren (natürlich rauchenden) Mann vor einer Decke stehend, auf der ein paar Instrumente lagen. Ein Hauch von Woodstock schwebte über der Szene. Im Gespräch stellte sich heraus, dass der gute Mann diese Instrumente selbst gebaut hatte. Ich war völlig fasziniert von einem 5-Saiter mit einer wunderschönen Decke. Ich spielte den Bass an und war sofort geflasht. Diese Ansprache, das Handling, der Ton! Der Bass schmiegte sich an meinen Körper und es fühlte sich einfach toll an. Das kannte ich von meinem Instrument zu Hause nicht. Er würde Gitarren und Bässe nach Kundenwunsch bauen, sagte er. Das war mir völlig neu.

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Magnus gab mir seine Karte und von dem Moment an begann eine faszinierende, lange Reise für mich. Meister Magnus führte seinen wissbegierigen Schüler in die Welt des Bassbaus ein. Die Bedeutung von geschraubten oder durchgehenden Hälsen, die aus seiner Sicht immer das Herzstück eines Instrumentes sind. Er philosophierte über die vom Musiker angeschlagene Saite, die dann mit dem Hals moduliert. Ob es dann liegende oder stehende Jahresringe sind und wie sich Hölzer und Halsstreifen auf die Halssteifigkeit auswirken würden. Für mich alles böhmische Dörfer. Aber super spannend.

Magnus baute mir dann meinen ersten deutschen Edel-Bass von dem ich nicht mal wusste, dass es einer war. Mir ging es vor allem um das „Äußere“. Wie soll der Body aussehen, die Kopfplatte und vor allem die bunte Lackierung war mir Dank ‚Passion and Warefare‘ extrem wichtig.

(Bild: Uli Salm)

Magnus ging es nie um Äußerlichkeiten. Der bunte 6-Saiter war das erste von vielen „Projekten“, die wir angegangen sind. Es gab dann noch den Sharkey-7-Saiter, den Sharkey-Single-Cut, diverse Akustik- und Fretless-Bässe. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich eine lange Autofahrt von Hamburg über Recklinghausen nach Weinbach hatte und völlig aufgekratzt in der Weilburger Straße 8 eintraf. Magnus aber erstmal mit mir in aller Seelenruhe auf diverse Hölzer klopfend durch sein Lager ging. Ich die Heißkiste, er der ruhende Pol.

(Bild: Uli Salm)

Legendär sind sicher auch die vielen Musikmessen. Während der Messe wohnten Horden von Gitarrenbauer-Kollegen und Musikern bei ihm. Er hatte für jeden Platz. Und während dann nach einigen Bieren und anderen bewusstseinserweiternden Substanzen alle todmüde ins Bett gefallen sind, ging er noch in die Werkstatt und arbeitete die Nacht durch, weil wieder irgendwas nicht fertig geworden war. Da wurde gerne mal in der Nacht von Montag auf Dienstag noch mal „fertig“ lackiert.

Magnus war ein bescheidener Mann. Immer offen für Ideen, immer neugierig für neue Technologien, hatte immer ein offenes Ohr und ein großes Herz. Er war u.a. der erste, der in Deutschland mit der Piezo-Technik experimentiert hat. Er hatte die S.A.U.S-Idee mit der man dem E-Bass Kontrabass-Sounds entlocken konnte. Und er war ein miserabler Geschäftsmann. Ich glaube, weil es ihm auch egal war. Immer wieder habe ich mit Kollegen oder Schülern gesprochen, denen mal eben etwas repariert oder gebaut wurde. Immer wieder war das Feedback wie günstig er war.

Nicht nur mein bescheidener Werdegang wäre ohne Magnus nie möglich gewesen. Er hat mich ermutigt, mich mit seinem Akustikbass auf die Messe zu setzen und zu spielen. Im Jahr 2000 hat er neben anderen Kollegen z.B. auch Juha Ruokangas Unterschlupf gewährt und somit ihm den Start auf der Musikmesse und in den deutschen Markt geebnet.

Magnus hat Ideen anderer umgesetzt und u.a. die ersten fünfsaitigen „Jazz“-Bässe gebaut, die super klangen, aber auch sehr komfortable zu spielen waren. Für einige Bassbauer-Kollegen hat Magnus auch (im geheimen) Hälse gebaut. Weil diese genau wussten, dass Magnus eine besondere Qualität liefert.

Die Gefahr, dass man eine verstorbene Person positiv verklärt und überhöht ist in einem Nachruf sehr groß. Doch ich kann hier ganz bewusst sagen, dass Magnus in vielen Aspekten zu gut war für diese Welt. Magnus ist am 31.01.2024 im Alter von 63 Jahren gestorben.

Lieber Magnus, die Begegnung auf dem Musiker-Flohmarkt in Ibbenbüren war für mich ein großes Geschenk. Die Nachricht über deinen Tod hat mich sehr getroffen und tief berührt. In den letzten Jahren hatten wir leider wenig Kontakt. Das finde ich im Nachhinein sehr schade. Ich bin dir sehr dankbar und schreibe hier auch im Namen vieler Freunde, Kollegen und Wegbegleiter aus unserer Szene, die ebenso traurig sind.

Die deutsche Bass-Szene hat eine Legende verloren. Wir wünschen dir eine gute Reise. Namaste.


(erschienen in Gitarre & Bass 04/2024)

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