Videogame Jazz

Jazz & Spiele: Endgegner im Interview

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(Bild: Lothar Trampert)

Videogame Jazz nennt die Kölner Band Endgegner ihre instrumentale Musik, in der Melodien aus beliebten Videospielen mit eigenen Arrangements versehen und neu interpretiert werden. Mal jazzig, mal rockig oder auch funky. Das Beste: Gamer grinsen und werden Jazz-Fans, und wer mit Computer-Spielen noch nie was anfangen konnte, merkt nicht, woher diese Melodien stammen.

Hört man auf dem schön gemachten Silverkey-USB-Stick von Endgegner, der ihren kompletten Back-Katalog enthält und über www.endgegnerjazz.com erhältlich ist, u.a. die allererste Single der Band, ,Lost Woods‘‚ dann entdeckt man eine locker, swingende Jazz-Rock-Band, die noch ein wenig an Chick Coreas Return To Forever erinnert. ,B and Up‘, das erste Endgegner-Album, liefert dann schon das komplette Programm dieser Band, die absolut unverkrampft ihr Ding zwischen allen Stühlen durchzieht. Von eingängig swingendem Jazz über sehr freie Ausflüge bis zum krachenden Metal kann man hier so einiges erleben.

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„Unser Repertoire deckt die gesamte Bibliothek an Konsolen- und PC-Spielen ab, von früher C64-/Amiga-Musik bis hin zu moderner Nintendo-/Playstation-/Indie-Spielemusik“, beschreibt Schlagzeuger und Band-Gründer Ramon Keck die Crossover-Idee hinter Endgegner.

Neben Ramon (*1989), der bei Endgegner als Leader, Arrangeur, Booker und extrem dynamischer und energetischer Drummer die Fäden in der Hand hat, sind mit dem immer geschmackvoll und virtuos agierenden Keyboarder Johannes Still, dem cool tragenden Bassisten Dario Schattel und Gitarristin Christina Zurhausen drei weitere spannende Künstler in dieser Band, die neben Club-Gigs auch auf Veranstaltungen wie der Gamescom und bei den Xperion Days in Köln oder dem Gamefest Berlin aufgetreten ist.

Ramon Keck studierte von 2008 bis 2012 an der Musikhochschule Köln Jazz-Schlagzeug, seit 2017 ist er Leiter des Schlagzeugbereichs an der Städtischen Musikschule Meerbusch. „Als ich die Band Endgegner für mein Abschlusskonzert an der Musikhochschule Köln gegründet habe, ging es für mich um die Verbindung von zwei Leidenschaften: die Videospielmusik und der Jazz. Erste Versuche mit Konzerten in Jazz-Clubs wurden zum Teil eher belächelt und so konzentrierten wir uns mehr auf Videospiel-Veranstaltungen, wo wir schon immer ganz gut angenommen wurden.“

Ramon Keck und Christina Zurhausen haben sich beim Studium kennengelernt. Die heute als freischaffende Gitarristin, Dozentin und Komponistin in Köln lebende und arbeitende Musikerin aus dem Ruhrpott hat 2005 am Münchner Gitarren Institut MGI ein Diplomstudium absolviert. Weiter ging es ab 2007 an der Musikhochschule Köln mit Jazz-Gitarre, und von 2010 bis 2014 studierte Christina am Institut für Musik (IfM) der Musikhochschule Osnabrück bei den Gitarristen Frank Wingold, Joachim Schoenecker, Philipp van Endert und Saxophonistin Angelika Niescier, wo sie mit dem Bachelor of Arts abschloss. Parallel absolvierte sie Masterclasses und Workshops mit Kurt Rosenwinkel, Philip Catherine, Lionel Loueke, Bassist Christian McBride und Saxophonist Dave Liebman.

(Bild: Lothar Trampert)

Interessant ist, dass Christina (*1981 in Bottrop) als Jugendliche in den 90ern nur an Punk, Rock und Grunge interessiert war: „Mit 12 waren The Doors meine erste absolute Lieblingsband. Jahrelang war ich von Jim Morrison begeistert und habe inspiriert von ihm Gedichte geschrieben. Als Jugendliche habe ich viel Punk wie Wizo oder Slime gehört, später dann Bands wie Nirvana, Sonic Youth oder Rage Against The Machine. In dieser Zeit habe ich auch erst angefangen Gitarre zu spielen. Erst mit Anfang 20 habe ich den Jazz für mich entdeckt, und zwar als ich das erste Mal den Gitarristen John Abercrombie gehört habe. Eines meiner ersten Lieblings-Alben im Jazz-Bereich war ,Spectrum‘ von Billy Cobham. Scofield, Monk, Bill Evans sind einige meiner Favoriten …

Jim Hall, finde ich auch super, er war nur nie mein absoluter Hero. Aber es gab ein Live-Album von ihm, ,Jim Hall Live’ von 1975 mit Don Thompson und Terry Clarke, welches ich oft gehört habe. John Scofield war schon immer ein ganz großer Jim-Hall-Fan, er hat damals viel von ihm transkribiert, wie ich gelesen habe … Seit einigen Jahren bin ich auch Fan von Gitarrist Gilad Hekselmann, Drummer Jim Black und Saxophonist Chris Speed. Aber klar, die Liste ist lang: Ich höre seit ein paar Jahren auch viel Free Jazz. Und ich bin ein Mega-Fan von Queens Of The Stone Age, eine sehr gute Live Band übrigens. ,Songs For The Deaf‘ könnte ich jeden Tag hören.“

Christina gründete 2015 das Jazz-Grunge-Quartett „Ausfahrt“, in dem sie die Musik ihrer alten Rock-Idole mit freien, improvisatorischen Ansätzen des Jazz verbindet – sehr schön zu hören auf dem 2018 erschienenen Debüt-Album ,Vergessene Möglichkeiten‘ und dem Nachfolger ,The End Of The World‘ (2021). Aktuell ist ein neues Ausfahrt-Album in Planung, für das Christina Zurhausen, Ramon Keck, und ihre beiden Mitmusiker Yaroslav Likhachev (sax) und Torben Schug (b) eine Crowdfunding-Kampagne bei www.startnext.com gestartet haben und sich über jede Unterstützung freuen.

Neben Christinas Solo-Projekt – 2023 erschien ihr Album ,See You In The Trees‘ – und dem Trio By The Way mit Sängerin Emese Mühl und Pianist Frank Wunsch, haben sie und Ramon Keck auch einige gemeinsame musikalische Projekte am Start: Das Freestyle-Duo Dialectical Flow, das jazzige Zurhausen Trio, die Band Breeze und eben ihre Band Endgegner, von der nach dem 2022 erschienenen Album ,Endgegner Goes Indie‘ zuletzt im vergangenen Jahr auf YouTube die Video-Album-Produktion ,Zelda N64 Dungeon Music‘ veröffentlicht. Hier zeigen sich Endgegner dann von ihrer ruhigeren Seite, mit sehr schönen Ambient-Sounds und sphärischen Improvisationen. Eine weitere und ganz andere Seite dieser großartigen und vielseitigen Band: absolut beeindruckende Musik mit abgefahrenen Bildern!

Zur jetzt anstehenden Tour von Endgegner spielt die Band Material ihrer aktuellen Veröffentlichung ,FF7 – A Musical Journey‘. Da ist wieder eine andere Art von Musik zu hören: Hymnische Themen, rockige Gitarren-Riffs, großartige Basslines, rollende Grooves, schmatzige Hammond: Hier erinnert mancher Track schon fast an den progressiven Art-Rock der 1970er-Jahre – aber mit ganz eigenem Flair. Aber dann wird‘s wieder straight-ahead jazzig, mal traditionell wie in ,Shinra Inc‘, dann krautiger in ,Cinco De Chocobo‘, das an beste ECM-Klänge erinnernde ,Main Theme‘ zeigt die beeindruckende New-Jazz-Kompetenz dieser Band, und in ,Jenova‘ wird’s dann wieder prog-rockiger. ,FF7‘ ist wirklich eine musikalische Reise mit vielen Überraschungen. Originell: Das neue Album ist als Musikkassette erhältlich, allerdings ohne Tape: Denn aus der „MC“ kann man einen USB-Stick ausklappen, der die 19 Stücke als wav und mp3 enthält. Dazu gibt‘s ein schönes, buntes Booklet als PDF. ,FF7 – A Musical Journey‘ endet übrigens mit dem Track namens ,Prelude‘. Was für eine coole Band!


(erschienen in Gitarre & Bass 03/2024)

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