Im Interview

Kris Barras Band: Kämpfernatur

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(Bild: Matthias Mineur)

Wer Kris Barras zum ersten Mal persönlich trifft, dem fallen vor allem seine voluminösen Oberarme, der durchtrainierte Körper, sein muskulöser Stiernacken und die grimmig wirkenden Tattoos auf seiner Haut auf. Hätte er nicht gerade eine Gitarre in der Hand, man könnte den Briten auch für einen Kampfsportler halten.

Okay, zugegeben, die Öffentlichkeit weiß bereits seit geraumer Zeit, dass Barras tatsächlich ein erfolgreicher Mixed-Martial-Arts-Kämpfer ist und rund um den Globus an renommierten Turnieren teilgenommen hat, von denen er den weitaus überwiegenden Teil sogar gewinnen konnte.

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Aber Barras ist eben auch Bluesrock-Musiker. Der 34-Jährige spielt erstklassig Gitarre, singt mehr als nur passabel und ist ein ausgesprochen ideenreicher und geschmackvoller Komponist. Dass seine großen künstlerischen Talente nach bislang zwei Alben (,Lucky 13’, 2016; ,The Divine And Dirty’, 2018) nicht verborgen bleiben würden, war schon früh abzusehen. Kein Wunder also, dass Supersonic Blues Machine den Engländer als Gitarristen und Sänger für ihre erste Europatournee verpflichteten, auf der er mit keinem Geringeren als ZZ-Top-Ikone Billy Gibbons die Bühne teilte.

Seit Mitte August steht nun sein drittes Studioalbum ‚Light It Up‘ in den Läden, eine erstklassig produzierte und mit tollen Songs ausstaffierte Scheibe. Natürlich nutzten wir bei einer Show der Kris Barras Band in Hamburg die Gelegenheit, uns mit dem charismatischen Musiker zu verabreden und einiges Wissenswertes über ihn und die neueste Studioproduktion zu erfahren.

Interview

Kris, mit welchem Ziel und welchen Visionen hast du die Vorarbeiten zu deinem neuen Album ,Light It Up? begonnen?

Es gab mehrere verschiedene Ideen und Vorgaben, an denen ich mich bei ‚Light It Up‘ orientiert habe. Bei meinen beiden vorherigen Alben basierten die Songs vor allem auf Riffs, von denen ausgehend ich die Strophe, die Bridge, den Refrain und am Ende die Gesangsmelodie mit dem entsprechenden Text schrieb.

Diesmal habe ich weitaus häufiger mit einer Gesangsmelodie oder einem Textbaustein angefangen und den Rest des Songs um diese Idee herum entwickelt. Oder aber ich habe ganz gezielt mit dem Refrain begonnen, um sicherzustellen, dass dieser möglichst stark klingt, und dann daraus einen Song entwickelt. Insofern gab es verschiedene Ansätze, um zu gewährleisten, dass die neue Scheibe möglichst vielschichtig ausfällt.

Ich sammle ständig Ideen, sei es eine gute Melodie oder eine griffige Textzeile, die mir beim Soundcheck oder Zuhause vor dem Fernseher einfallen, und speichere sie auf meinem Handy.

Was ist für dich der wichtigere Teil: die allererste Idee oder das Ausarbeiten einer Idee zu einem kompletten Song?

Das Arrangieren eines Songs ist zumindest der mühsamere Prozess. Allerdings nicht immer: Bei ‚Rain‘ beispielsweise hatte ich innerhalb von nur 20 Minuten die gesamte Nummer arrangiert, von der ersten Idee bis zum fertigen Song. Bei ‚Counterfeit People‘ war es dagegen ziemlich mühsam. Mehr als ein Jahr lang ging ich mit der Idee schwanger, es gab immer wieder neue Versionen des Stückes, mit denen ich aber nie komplett zufrieden war.

Man kann so etwas nicht erzwingen, also ließ ich den Song für eine gewisse Zeit ruhen, schrieb zehn weitere Stücke, und nahm ihn mir immer mal wieder zwischendurch vor. Als ich dann eine zündende Idee hatte, wurde ‚Counterfeit People‘ fertiggestellt. Und ich finde, die Mühe hat sich gelohnt, denn für mich ist dies eine der stärksten Nummern der neuen Scheibe.

Gibt es zu jedem Stück eine fertige Demoversion, bevor du ins Studio gehst?

Ja, überwiegend. Alles fängt mit einer kurzen Voicemail-Idee an. Mit ihr arbeite ich in meinem kleinen Homestudio, suche nach einem geeigneten Rhythmus, füge ein paar Ideen hinzu und stelle diese Idee dann meiner Band vor. Anschließend wird im Proberaum an der Nummer gearbeitet, und wenn es ins Studio geht ist das meiste fertig. Natürlich kann dann der Produzent auch noch den einen oder anderen Vorschlag machen, eine kleine zusätzliche Slide-Gitarre, ein bestimmter Orgel-, Klavier oder Fender-Rhodes-Part; Dinge, die ich gerne aufgreife, um die Sache abzurunden.

Kris Barras
Nagelneu: die Baccus Baritone mit Sparkle Finish, Baujahr Juli 2019 (Bild: Mineur)

Wie und mit welchen deiner Gitarren hast du ‚Light It Up’ im Studio aufgenommen?

Wir haben die Rhythmusspuren gedoppelt, die meisten Parts wurden mit meiner Custom Baccus Nautilus und meiner Custom Fender Telecaster eingespielt, um den Sound etwas breiter zu machen.

Die Telecaster hast du modifizieren lassen, richtig?

Ja, das stimmt. Eigentlich basiert sie auf einer 68er-Tele und hatte ursprünglich Humbucker. Aber der Typ, der sie für mich modifiziert hat, tauschte sie gegen Singlecoils und schraubte ein schwarzes Pickguard drauf, weshalb sie jetzt wie eine 52er aussieht. Dass es sich eigentlich um eine späte 68er handelt, kann man noch immer am Headstock erkennen.

Ich habe sie vor fünf Jahren auf Ebay entdeckt und sofort gekauft. Neben ihr und der Baccus Nautilus kamen im Studio auch noch meine Gibson ES-335 und eine PRS-Baritone-Gitarre zum Einsatz. Die PRS spiele ich seither aber nicht mehr, weil Baccus mir ein eigenes Baritone-Modell gebaut hat. Sie ist in C gestimmt, heute ist erst die zweite Show, bei der ich sie spiele.

Kris Barras
Fender 68er Telecaster, Baujahr 2003, modifiziert mit Singlecoil (Bild: Mineur)

Mit welchen Verstärkern hast du das Album aufgenommen?

Etwa 95% wurden mit meinem Kemper Profiler eingespielt, die Sounds, die ich verwende, stammen von einem Typen aus Nashville namens Michael Britt, von ihm kommen einige der besten Profiles der Welt. Britt betreibt in Amerika ein großes Studio und hat viele Freunde, die Verstärker bauen. Meine Sounds basieren auf einem 69er-Marshall-50- Watt-Plexi und einem Dumble ODS, für die Soli nahm ich das Profile eines 3rd Power Amp, einer Boutique-Amp-Company aus Kalifornien, die ich vorher gar nicht kannte, bis ich ihr Sound-Profile entdeckte, plus ein paar Fender Twin-Profiles.

Hast du mit dem Kemper direkt ins Pult gespielt?

Nein, ich habe eine Orange-4x12erBox dazwischengeschaltet, die wir mit einer ganzen Reihe hochwertiger Mikrofone in einem sehr gut klingenden Aufnahmeraum aufstellten.

Kris Barras
Seit einem Jahr schwört Kris Barras auf Kemper Profiling Amps. (Bild: Mineur)

Weshalb Mikrofone anstatt direkt ins Pult zu spielen?

Ehrlich gesagt gibt es keinen allzu großen Unterschied, sondern nur den, dass wir mit einer Box halt auch noch zusätzlich den Sound dieser Orange-Box hatten. Es gab zwar auch ein entsprechendes Profile von Michael Britt, aber dadurch, dass wir unsere eigene Box verwendeten, hatten wir mehr Kontrolle über den Sound, da wir unsere eigenen Mikrofone und auch deren Platzierung im Raum wählen konnten. Vor allem die Raummikrofone geben dem Gesamt-Sound ein sehr schönes Live-Feeling.

Hast du ausschließlich auf die Kemper-Effekte zurückgegriffen oder kamen auch externe Stompboxes zum Einsatz?

Die meisten Effekte stammen vom Kemper. Es gibt lediglich ein paar zusätzliche Fuzz-Sounds, die aus einem Wampler-Pedal namens Fuzztration stammen, das wir in einen kleinen Morgan AC 20 stöpselten.

Der Kemper ist noch nicht allzu lange in deinem Besitz, oder?

Nein, erst seit Juni 2018. Ehrlich gesagt war ich jahrelang außerordentlich skeptisch. Ich dachte, dass ein richtig guter Gitarrensound nur aus einem klassischen Röhrenverstärker kommen kann. Mein Produzent Josiah Manning war dagegen immer schon Fan von Kemper-Amps und er drängte mich, mal einen zu testen. Eigentlich wollte ich es nicht, aber eines Tages kam einer seiner Freunde ins Studio, der sich gerade einen Kemper gekauft hatte. Er schloss ihn an, stöpselte meine Gitarre ein, und schon nach den ersten Akkorden war ich restlos überzeugt.

Also lieh ich ihn mir für ein paar Wochen aus, testete ihn immer wieder und verlor komplett meine Skepsis. Heute liebe ich ihn, auch weil es durch ihn viel einfacher geworden ist, auch hinsichtlich der Shows, zu denen ich fliegen muss und Transportprobleme bekäme, wenn ich ihn nicht hätte. In meiner Zeit bei Supersonic Blues Machine mussten wir jeden Tag fliegen, immer mit meinem Kemper im Gepäck.

Wie sieht es bei deinen Gitarren aus? Was muss eine Gitarre mitbringen, damit sie dir gefällt?

Ich erkläre dir lieber, was mir bei einer Gitarre nicht gefällt, das ist einfacher. Ich mag zum Beispiel keine allzu flachen Hälse, allerdings dürfen sie auch nicht zu dick sein, irgendwo in der Mitte. Ich stehe nicht auf Les Pauls, keine Ahnung weshalb. Die Position des Halses, das hohe Gewicht, ich habe mich nie an Les Pauls gewöhnen können. Andererseits kann ich dir gar nicht so genau sagen, wonach ich bei einer Gitarre suche. Ich nehme sie in die Hand, und entweder sie gefällt mir oder sie gefällt mir nicht. Reine Bauchentscheidung. Aber so bin ich nun einmal, auch als Songschreiber.

Kris Barras
Baccus Nautilus Custom, Baujahr 2018 (Bild: Mineur)

Du bist also auch nicht nur auf Bluesrock festgelegt?

Ich mag unterschiedliche Stile, ich hatte in meinem Leben Metal-, Jazz- und Fusion-Phasen, aber vor allem mochte ich immer schon Blues und Rock. Mein erstes großes Vorbild war Gary Moore, ich entdeckte in der Plattensammlung meines Vaters die Scheibe ‚Wild Frontiers‘, ein echter Klassiker! Mein Vater ist selbst Musiker und besitzt eine große Sammlung, in der ich tolle Alben unter anderem von den Rolling Stones, Deep Purple, Rainbow, Boston oder Status Quo entdeckte. Durch Gary Moore und seine Zusammenarbeit mit B.B. King oder Albert Collins kam ich dann zum Blues.

Später stand ich auf Joe Satriani, Steve Vai, Greg Howe und Mike Stern, also auch jazzigere Spielarten. Und immer wenn ich eine neue Gitarre bekam, bewirkte sie etwas in mir. Ich lasse mich von neuen Gitarren inspirieren, finde neue Riffs, neue Akkorde, ohne mich jedoch komplett zu verändern. Das gilt übrigens nicht nur für neue Gitarren,sondern für neues Equipment generell, also beispielsweise auch für den neuen Kemper. Als ich ihn bekam, übte ich sofort deutlich mehr, fand unterschiedliche Sounds und Melodien.

In welchen Tunings sind deine Gitarren gestimmt?

Die meisten meiner Gitarren sind in Es-Standard gestimmt und von da ausgehend sind ein oder zwei meiner Instrumente auch in Drop-Cis gestimmt. Mir gefällt der Sound in diesen Tunings einfach besser, er klingt etwas dunkler und dreckiger.

Vielen Dank Kris, für das nette Gespräch, und viel Erfolg weiterhin!

Produkt: Gitarre & Bass 1/2023 Digital
Gitarre & Bass 1/2023 Digital
Im Test: Mooer GTRS W 800 WH Headless +++ Soldano Super Lead Overdrive Pedal +++ Epiphone Noel Gallagher Riviera +++ Fender American Vintage II 1975 Telecaster Deluxe +++ LTD Phoenix 1000 Fishman +++ Orange Sustain, Distortion & Phaser +++ Ibanez Tom Quayle Signature +++ Maestro Sustainer, Envelope Filter, Phaser, Tremolo +++ Fender American Vintage II 1960 Precision Bass +++ Eventide H90 Harmonizer

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