Der Alleingang

Interview: Brittany Howard

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(Bild: Brantley Gutierrez)

Nach zwei Alben, drei Grammys sowie diversen Gold- und Platinauszeichnungen scheinen die Alabama Shakes vor dem Aus zu stehen. Mit ,Jaime’ präsentiert Frontfrau Brittany Howard nicht nur ihr erstes Solo-Werk, sondern auch einen radikalen Stil- und Richtungswechsel: Weg vom rootsy Blues-Rock der Band, hin zu einem modernen Klang-Hybrid, der nicht minder faszinierend ist. Gitarre & Bass sprach mit der Frau, die nicht stehenbleiben will.

Ganz im Gegensatz zu ihrer expressiven, vielseitigen Bühnenpräsenz, ist Brittany Howard im wahren Leben eher sehr leise, bedächtig und fast schüchtern anmutend. Bis jetzt. Denn 2019 präsentiert sich Miss Howard rundum gewandelt. Sie ist vor kurzem 30 geworden und somit, wie sie betont, reifer und erwachsener. Zudem haben sie die zwei extrem erfolgreichen Longplayer (je 800.000 verkaufte Exemplare allein in den USA) selbstbewusst gemacht. Drei Grammys, ein gigantisches Medienecho und Auftritte mit Jack White und Paul McCartney taten ihr Übriges – und haben die Dame aus dem tiefsten Süden der USA zum Vorbild für junge Gitarristinnen gemacht.

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Interview

Brittany, was ist es, das du nur alleine machen kannst, aber scheinbar nicht im Verbund mit den Alabama Shakes? Sprich: Was hat dich dazu bewegt, ein Solo-Album aufzunehmen?

Es war eine persönliche Entscheidung: Ich wollte mehr Kontrolle über die Musik, wollte meine eigenen Fehler begehen, meine eigenen Triumphe feiern und mich neuen Herausforderungen stellen. Ich hatte keine Lust mehr, mehrere Leute nach ihrer Meinung zu fragen, sondern wollte es endlich so machen, wie ich mir das vorstelle. Es ging mir um etwas, das mehr von mir hat – bei dem ich keine Kompromisse eingehen muss.

Und das äußert sich in einem Hybrid aus Jazz, R&B, HipHop, Soul und Blues – aus klassischen Bausteinen, die du auf innovative Weise neu zusammensetzt?

Für mich sind all diese Klangfarben so etwas wie meine musikalische Ausbildung – also Sachen, mit denen ich groß geworden bin. Und auf die ich sehr gerne zurückgreife. Aber dieses Album hatte nie ein übergeordnetes Thema und hat nie eine in sich geschlossene Idee verfolgt. Es war vielmehr eine musikalische Landschaft nach der anderen. Eben ein großes Herumspielen und Spaß haben mit Sounds, die ich mag. Wobei ich die Gitarre nie außer Acht gelassen habe. Ich meine, das ist das Instrument, das ich am besten beherrsche und das mir auch bei der Umsetzung dieser Songs geholfen hat.

Hattest du genug vom Roots-Rock der Shakes? Habt ihr den weitestgehend ausgereizt?

Dieses Album hat nichts damit zu tun, dass ich genug von der Band oder von ihrem Sound gehabt hätte. Ich wollte nur mal etwas Anderes, etwas Neues probieren. Denn es fiel mir zuletzt immer schwerer, mich auf eine ähnliche Weise auszudrücken, wie in den alten Songs. Weshalb ich mit neuen Einflüssen zu experimentieren begann. Und dabei – kombiniert mit der Tatsache, dass ich 30 geworden bin – hatte ich das Gefühl: „Vielleicht ist es das, was ich tun sollte. Vielleicht sollte ich es einfach mal alleine probieren. Wenn es nicht klappt, klappt es halt nicht.“

Wie hat die Band reagiert, als du ihr deine Entscheidung mitgeteilt hast?

Da waren durchaus gemischte Gefühle am Start. Nach dem Motto: „War es das? Ist es das Ende oder nur eine Pause?“ Wir haben uns hingesetzt und das in aller Ruhe durchgesprochen. Und am Ende haben mir alle Mut gemacht: „Mach dein Ding, wenn du es machen musst. Wir unterstützen dich dabei. Wenn du Hilfe brauchst, dann melde dich.“ Ich meine, was könnte ich mehr verlangen? Sie haben toll reagiert. Und das ist auch der Grund, warum wir schon so lange Musik machen, also seit 15 Jahren: Wir sind wie eine Familie.

In Sachen Equipment: Was spielst du auf dem Album?

Für die Aufnahmen habe ich den kleinen Amp benutzt, den ich in meinem Glashaus vorgefunden habe. Aber live habe ich diesen alten italienischen Röhrenverstärker dabei. Im Grunde ist es ein PA-System aus den 70ern, das von einer Firma namens Semprini gebaut wurde. Die findet man nur noch selten. Aber ich liebe den Klang, der einfach super-trocken ist. Also richtig eigenwillig und seltsam. Außerdem verwende ich diese alte japanische Gitarre, die ich in Alabama gefunden habe. Ich liebe sie, weil sie so viele Klangfarbenregler hat. Es ist eine Teisco, und ich weiß bis heute nicht, wie man sie richtig ausspricht.

Aber die sind doch durchaus bekannt – und längst richtige Sammlerstücke, also alles andere als billig.

Ist das nicht bizarr? Ich habe meine für 200 Dollar in einer Pfandleihe gefunden und mich sofort in sie verliebt. Sie sah einfach toll aus. Und als ich sie eingestöpselt habe, war ich erst recht begeistert. Nach dem Motto: „Wow, das Teil behalte ich auf jeden Fall. Es klingt wahnsinnig cool.“ Genau wie meine alten Airline-Gitarren, die ich ebenfalls sehr mag. Vor allem, wenn es ums Aufnehmen geht. Aber ich würde sie nie mit auf Tour nehmen, weil sie zu geräuschempfindlich sind. Da hört das ganze Publikum, wenn du mit dem Arm ans Griffbrett kommst. Ansonsten mag ich sie ebenfalls sehr gerne.

(Bild: Brantley Gutierrez)

Wie erzeugst du deinen charakteristischen Gitarrensound, der immer ein bisschen übersteuert anmutet?

Das ist kein Geheimnis: Ich drehe den Amp einfach richtig auf. Was am besten bei möglichst kleinen Lautsprechern funktioniert. Und diesen natürlichen, übersteuerten Klang eines alten Speakers finde ich viel interessanter als jede Menge Pedale und sonstige Effektgeräte.

Wie umfangreich ist deine Gitarrensammlung mittlerweile?

Oh, ich bin gerade erst eine ganze Menge losgeworden. Momentan sind es also noch etwa zwölf. Was mir vollkommen reicht. Im Ernst: Ich finde es lächerlich, so viele Gitarren zu haben. Ich brauche auch keine zwölf. Aber die meisten von ihnen haben halt einen sentimentalen Wert. Im Sinne von: Jemand hat sie mir geschenkt. Und deshalb kann ich mich nicht davon trennen. Aber ich habe zehn Stück verkauft, als ich aus Nashville weggezogen bin.

Hast du deine allererste Gitarre noch?

Nein. Das war irgendein billiges Mist-Ding, einfach schrecklich. Ich habe es auf der Bühne zerdeppert – wie man das halt so macht.

Was ist das für ein Gefühl, ein Vorbild in Sachen Gitarren zu sein – also junge Frauen dahingehend zu bewegen, dass sie selbst zu diesem Instrument greifen?

Das ist toll – und das mache ich gerne. Ich meine, als Kind hatte ich nie eine Frau mit einer Gitarre in der Hand gesehen – bis ich ungefähr elf war. Da schnallte sich meine Musiklehrerin eine E-Gitarre um, und ich war völlig aus dem Häuschen. Nach dem Motto: „Ich wusste gar nicht, dass Frauen auch Gitarre spielen können.“ Und dann wollte ich es selbst probieren. Lange Zeit kannte ich auch keine anderen Frauen, die das tuen. Aber mittlerweile scheint es, als ob alle jungen Frauen Gitarre spielen. Und ich liebe es, das zu beobachten. Ich finde es so interessant, wie Frauen Musik fühlen oder sich durch ein Instrument ausdrücken. Das ist faszinierend – und ganz anders. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, aber es ist definitiv anders als bei Männern.

Anfang nächsten Jahres gehst du auf Deutschland-Tournee. Wirst du dich dabei auf das neue Repertoire konzentrieren oder bringst du auch Sachen von den Shakes?

Erst einmal konzentriere ich mich auf die neuen Songs – und ich werde mit Sicherheit noch den einen oder anderen bringen, den noch keiner gehört hat. Die alten Sachen würde ich gerne aussetzen – weil ich sie schon so oft gebracht habe. Ich denke, das ist verständlich, oder? Zumal ich auch eine ganz neue Band dabei habe. Natürlich ist es immer schwierig, eine Dynamik mit neuen Leuten aufzubauen, aber bislang ist alles wunderbar. Ich bin so froh, dass ich diese Typen getroffen habe. Ich habe schon jetzt, nach den ersten Proben, so viel von ihnen gelernt.

Wenn man dich auf der Bühne beobachtet, stellt man sich die Frage, wo du gerade bist? Also ob du da völlig wegtrittst…

Ja, ich verlasse regelrecht das Gebäude. Mein Geist ist nicht mehr in meinem Körper, sondern in anderen Sphären. Und meistens ist es ja so, dass man ziemlich müde ist, wenn man auf die Bühne geht. Aber da herrscht dann eine solche Energie, die vom Publikum ausgeht, dass man sich davon mitreißen lässt. Im Sinne von: Die Leute geben dir Liebe und Energie und du gibst ihnen so viel wie möglich davon zurück. Was für ein Glücksgefühl sorgt, das unglaublich ist und locker für ein paar Stunden anhält. Was du aber auf keinen Fall tun solltest, ist zu fokussiert zu sein und alles kontrollieren zu wollen. Dann denkst du zu viel und versuchst zu perfekt zu sein und zu cool oder zu gut auszusehen. Das ist meiner Meinung nach der falsche Ansatz. Also: tut das nicht! (lacht)

Wie siehst du die Chance, dass die Shakes noch einmal zurückkommen?

Gute Frage. Momentan weiß ich nicht, was ich darauf sagen soll, weil ich ganz auf das konzentriert bin, was ich gerade tue. Aber ich würde niemals nie sagen.


Diskografie

Solo:

  • Jamie (Columbia/Sony Music, 2019)

Alabama Shakes:

  • Boys & Girls (ATO, 2012)
  • Sound & Color (ATO, 2015)

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2019)

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