Master Of The Acoustic Universe

Interview: Andy McKee

Anzeige
Andy McKee
(Bild: Bill Ellison, CGP Sounds)

Wie ein Buddha sitzt Andy McKee auf dem Cover seiner letzten Veröffentlichung ‚Live Book‘ im Schneidersitz zwischen seinen Gitarren: In sich ruhend, in blaues Licht getaucht, hinter ihm Sternenhimmel. Der Herrscher der Welt bittet zur Messe, könnte man meinen. Und was er auf der Gitarre macht, mag für viele wie von einem anderen Stern sein; im Interview ist Andy McKee jedoch einer wie du und ich.

Der mittlerweile 38- Jährige ist in der Gitarrenszene längst eine feste Größe. Und vielleicht sogar mehr, denn er war einer der ersten dieser spektakulären Akustikgitarristen, die ihre Kunst auf You- Tube zu vermarkten wussten und damit erstmals weltweit ein großes Publikum für sich gewinnen konnten. Geboren 1979 in Tupeka im amerikanischen Bundesstaat Kansas lud er 2006 die ersten Videos von sich im Internet hoch und machte sich schnell mit seiner atemberaubenden Hybrid-Technik aus Fingerpicking und Percussion- Elementen einen Namen. Heute, zwölf Jahre und einige Alben später, ist er regelmäßig auf Tournee, gibt Workshops und versucht – wie im Interview zu erfahren ist –Menschenmit seiner Musik zu vereinen und die Welt ein Stückchen besser zu machen. Also doch irgendwie ein Buddha …

Anzeige

Interview

Ich habe gelesen, dass du in den vergangenen Wochen bewusst die Gitarre im Koffer gelassen und nicht gespielt hast, um Platz für neue Inspiration zu schaffen. Hat das funktioniert?

Andy McKee: Ja, absolut. Meiner Meinung nach unterscheiden sich musikalische Ideen die im Kopf entstehen sehr von denen, die du beim Spielen auf der Gitarre entwickelst. Wenn du dein Instrument in die Hand nimmst, verfällst du schnell in vorprogrammierte Formen, Muster und Techniken, an die du dich gewöhnt hast. Wenn du die Gitarre jedoch beiseitelässt, bist du freier für musikalische Ideen, die nichts mit der Technik oder der Spielweise auf der Gitarre zu tun haben. Deshalb ist es schön, ab und zu eine solche Pause einzulegen, Ideen zu entwickeln und sie anschließend auf die Gitarre zu übertragen.

In welche Formen und Muster verfällst du denn, wenn du die Gitarre in die Hand nimmst? Was ist typisch Andy McKee?

Andy McKee: Naja, als Fingerstyle-Gitarrist habe ich einen modernen Ansatz auf der Gitarre und einige sehr spezifische Techniken entwickelt, wie Slap-Harmonics, verschiedene Tapping-Techniken und Percussion-Elemente. Diese Dinge sind immer in meinem Repertoire und bilden oft den Ausgangspunkt, wenn ich mit dem Instrument komponiere. Wenn ich Ideen ohne die Gitarre entwickle, muss ich mir hingegen später teilweise neue Techniken ausdenken oder bestehende verändern, um die Musik umsetzen zu können.

Andy McKee Live Book Album Cover
(Bild: Bill Ellison, CGP Sounds)

Wann hast du in deiner Entwicklung gemerkt, dass dir die althergebrachten Spieltechniken auf der Akustik- Gitarre zu wenig waren?

Andy McKee: Zum ersten Mal überhaupt mit dem Thema konfrontiert wurde ich, als ich ein Video von Preston Reed sah, in dem er Tunings und Techniken verwendete, die ich vorher noch nie gehört oder gesehen hatte. Damals beschäftigte ich mich noch eher mit der E-Gitarre, aber mich hat es sofort fasziniert, dass man mit einer Akustik- Gitarre so klingen kann wie eine ganze Band. Damals war ich 16 und recht schüchtern und mir gefiel auch die Tatsache, dass man sich mit diesen Techniken alleine auf eine Bühne stellen kann und keine Band hinter sich braucht.

Eine wahrscheinlich hypothetische Frage: Wie würdest du denn klingen, wenn du eine Band hinter dir hättest?

Andy McKee: Das habe ich nie wirklich gemacht. Klar, ich hatte ein paar Bands, als ich noch zur Highschool ging und E-Gitarre spielte. Aber seit ich mich diesem Solo-Approach und der Akustik-Gitarre verschrieben habe, habe ich fast nie mit anderen Musikern zusammengespielt, außer vielleicht im Duett mit Gitarristen-Kollegen.

Denkst du denn, dass du innerhalb einer Band funktionieren würdest?

Andy McKee: Ich weiß es nicht. Es gibt da eine Seite in mir, die ich als Control-Freak bezeichnen würde. Ich will auf direktem Weg das ausdrücken, was ich in mir fühle und ich möchte zu jeder Zeit die Kontrolle darüber haben, wie ich das tue. Das ist auch, was mich – neben den technischen Aspekten – zu dieser Art Musik geführt hat. Ich hörte Michael Hedges und Pierre Bensusan und merkte, dass sie einen wirklich eigenen Sound haben, den du sofort wiedererkennst. Ihr Spiel hat Aussage, und zwar eine sehr persönliche und direkte, da sie da ganz alleine auf der Bühne stehen.

Du hast trotzdem ein Endorsement bei Music Man, von denen du E-Gitarren bekommst. Was machst du damit?

Andy McKee: Ich spiele sie von Zeit zu Zeit, aber ich muss zugeben, dass ich sie schon länger nicht mehr aus dem Koffer genommen habe. Ich beschäftige mich dann doch lieber mit der Akustik- oder der Harp- Gitarre. Und ein bisschen mit dem Klavier.

Du kommst ja ursprünglich aus dem Metal. Sind Aspekte wie die Energie dieser Musik immer noch in deinem Ansatz an der Akustik-Gitarre hörbar?

Andy McKee: Naja, das hat sich ein bisschen gelegt. Früher hatte ich eine aggressivere Herangehensweise. Jetzt bin ich ruhiger und älter geworden, habe Familie und interessiere mich nicht mehr so sehr für den aggressiven Kram. Metal höre ich inzwischen gar nicht mehr, aber es mag sein, dass ein paar meiner Percussion-Grooves ein bisschen an Iron Maiden erinnern.

Von Zeit zu Zeit gibt es auf deiner Facebook- Seite einen politischen Kommentar von dir. Ist das etwas, das dir, weil du instrumentale, also textlose Musik machst, fehlt?

Andy McKee: Ich versuche, mich da nicht zu sehr aus dem Fenster zu lehnen, aber die Politik der letzten paar Jahre war für meine Begriffe ziemlich verrückt. Die Welt verändert sich in vielen Aspekten und mit vielen Veränderungen fühle ich mich nicht wohl. Als Musiker versucht man, Leute mit seiner Musik zusammenzubringen und ihnen ein gutes Gefühl zu geben. Denn viele Leute wissen nicht mehr, was sie fühlen oder denken sollen über andere Menschen oder andere Länder. Ich glaube daran, dass wir alle gleich sind, Brüder und Schwestern, und wir unser Bestes geben sollten, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und da ist es nicht von Nutzen, die Leute durch Religion, Politik oder Ländergrenzen voneinander zu trennen. Es ist natürlich schwierig jeden zu erreichen und ich weiß auch nicht, wie ich ihr Denken ändern kann. Ich versuche einfach ihnen gute Musik zu präsentieren. Mehr kann ich nicht tun.

Gear

Wie wichtig ist der perkussive Klang des Holzes bei einer Gitarre für dich?

Andy McKee: Wichtiger ist natürlich der Sound, wenn du die Gitarre normal spielst. Ich mochte schon immer mehr dunkle Tonhölzer, wie Rosewood, das ich früher verwendet habe. Heute spiele ich Gitarren von Michael Greenfield aus Montreal in Kanada, mit Zargen und Rücken aus Ebenholz. Dadurch haben sie eine bessere Ansprache in den Bässen und mehr Resonanz. Aus demselben Grund bevorzuge ich auch die Jumbo-Form. Meine Harp-Gitarre ist aus Koa gefertigt. Bei allen Gitarren wird ein spezielles kreisförmiges Bracing angewandt, aber ich kann dir nicht erklären, was daran besonders gut ist. Ich finde, dass es gut klingt und vertraue Michael da voll und ganz.

Andy McKee Harp-Gitarre
Andys Harp-Gitarre von Michael Greenfield ist fast komplett aus Koa gebaut und bietet mit ihrer tiefen Bass-Saiten unglaubliche Kompositions- Möglichkeiten. (Bild: Bill Ellison, CGP Sounds)

In den Internet-Videos sieht man, dass du mal Gitarren mit und mal ohne Fanned Frets verwendest.

Andy McKee: Ja. Inzwischen haben aber alle meine Gitarren Fanned Frets. Mit den Maßen haben wir eine Zeit lang herumexperimentiert, denn das Spielgefühl leidet, wenn die Bünde zu sehr gefanned sind. Wir haben jetzt eine gute Balance gefunden zwischen angenehmem Spielgefühl und guter Intonation auch in den höheren Griffbrettpositionen.

Wann hast du die Harp-Gitarre für dich entdeckt?

Andy McKee: Zum ersten Mal gesehen habe ich sie bei Michael Hedges, wie das wahrscheinlich bei vielen anderen auch war. Er hat sie in den frühen 80er-Jahren populär gemacht. Irgendwann bekam ich eine kleine Schallplatte als Beilage eines Gitarrenmagazins und darauf spielte er die Harp-Gitarre. Ich war von diesem Sound fasziniert. Ich wollte das auch, wusste aber nicht, wie ich an ein solches Instrument kommen sollte. Dann traf ich den wundervollen Musiker Steven Bennett, sah ihn spielen, freundete mich mit ihm an und kaufte ihm 2003 eine Harp-Gitarre ab.

Wie verstärkst du deine Gitarre, wenn du live spielst?

Andy McKee: Jahrelang war es ein großes Problem für Akustikgitarristen, einen schönen natürlichen Akustik-Gitarrensound auf der Bühne hinzubekommen, ohne dass einen ein Mikrofon in der Beweglichkeit einschränkte. Ich habe vor Jahren schon dieses System namens Pure Mini von K&K kennengelernt. Einige Kollegen verwendeten es und ich fand, dass es gut klingt. Es besteht aus drei kleinen Kontakt-Pickups, die in der Gitarre angebracht werden. Dadurch bekommt man einen sehr warmen Akustik- Gitarren-Sound, kann aber auch die Percussion-Elemente hervorragend abnehmen. Mit der Gitarre gehe ich dann in den D-Tar Solstice Preamp. Insgesamt habe ich zwei davon auf der Bühne. Einen für meine normale und meine Baritongitarre und einen für die Harpguitar, da sie zwei Kanäle benötigt. Effekte verwende ich gar nicht, außer ein wenig Reverb vom FOH-Pult.

Danke für das Gespräch!

www.andymckee.com

[4814]


(Aus Gitarre & Bass 05/2018)

Produkt: Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Im Test: J&D DX-100 +++ Jimmy Wallace Guitars MT +++ Solar Guitars AB1.4JN +++ Fender Acoustasonic Player Jazzmaster +++ Vintage Historic Series +++ Tech 21 SansAmp Character Plus Series +++ Baroni AFK150 +++ Paul Belgrado NaNo B4 Shortscale +++ Harley Benton MV4-PJ Gotoh BM +++ British Pedal Company Dumble Overdrive Special +++ JHS Packrat

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren