„Natürlich kann am Ende in einem fertigen, komprimierten Mix auf Spotify niemand mehr den Unterschied zwischen verschiedenen Pickups hören.“

Der Pickup-Papa: Larry DiMarzio im Interview

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Larry DiMarzio mit John 5 (links) und Joe Satriani (rechts) (Bild: Larry DiMarzio)

Wenn wir über die Entwicklung von Gitarrentonabnehmern reden, gibt es eine Hand voll Namen, die immer genannt werden. Einer davon ist Larry DiMarzio. Wie kaum ein anderer, hat er die Welt der Pickups geprägt und den Austausch von Tonabnehmern salonfähig gemacht. Anlässlich des 50. Geburtstages des DiMarzio-Super-Distortion-Humbuckers, hatten wir die seltene Gelegenheit, mit seinem Entwickler zu sprechen.

Trotz seiner mittlerweile 75 Jahre ist Larry DiMarzio sein Alter kaum anzumerken. Aufgeweckt, freundlich und überaus redselig treffen wir Larry über eine Video-Schalte, auf einem Sofa sitzend, bei bester Laune an. Zu Beginn unseres Gespräches wird zunächst einmal ein Hund geherzt – so viel Zeit muss schließlich sein! Schnell wird deutlich: Larry DiMarzio ist nicht nur ein enorm begabter Tüftler, wenn es um Tonabnehmer für elektrische Gitarren geht – er ist auch ein gefragter Fotograf, Autor und hat einen schier unendlichen Fundus an spannenden Geschichten zu erzählen, weshalb unser Gespräch auch ein paar wilde Kurven und Abzweigungen nimmt. Dass Larry DiMarzio nach wie vor bis in die Haarspitzen motiviert ist, sich mit Gitarrentonabnehmern auseinanderzusetzen, zeigt sich vor allem daran, dass wir bereits nach einigen Minuten knietief in technischen Details stecken.

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INTERVIEW

Hi Larry, danke, dass es geklappt hat.

Oh, ich habe zu danken, dass ihr euch so spät abends noch Zeit für mich nehmt. Nur so aus Neugier: Wie ist das bei euch in Deutschland mit den Print-Magazinen? Hier in den USA ist es mittlerweile sehr ausgedünnt. Es wird immer schwieriger, vor allem wegen der hohen Produktionskosten.

Das ist hier natürlich auch ein Problem, aber so weit geht es uns noch okay.

Ich mag Print-Magazine sehr gerne. Früher habe ich selbst manchmal für Guitar World Artikel geschrieben, aber die waren oft sehr lang. Heute veröffentliche ich so etwas Langes eher auf unserer Website. Ich meine, welches Heft kann denn einen 70-Seiten-Artikel unterbringen?

Wir hatten vor einiger Zeit mal ein ziemlich umfangreiches Feature über Billy Sheehan und sein Equipment, das war tatsächlich ziemlich lang. Da waren übrigens auch einige Fotos dabei, die du gemacht hast.

Oh, das kann tatsächlich sein. Billy und ich arbeiten schon sehr lange zusammen. Er ist ein fabelhafter Bassist und ich bin wirklich glücklich, denn das Projekt, das wir etwa 2018 begonnen haben, kam 2020 endlich auf den Markt. Wir haben die Form des Precision-Bass-Pickups überarbeitet und ich habe mir dann natürlich auch die Jazz-Bass-Tonabnehmer noch einmal vorgenommen und sie ebenfalls angepasst. Die haben jetzt alle die neuen, gerundeten Metal-Cover. Hattet ihr schon die Gelegenheit die mal auszuprobieren?

Noch nicht alle, aber wir konnten den Relentless-Middle-Pickup bereits testen. Ein toller Tonabnehmer, aber auch ziemlich extrem in seiner Ausrichtung. Sehr viel Output und unglaublich fette Mitten. Die Architektur des Tonabnehmers ist mit Sicherheit die größte Innovation im Bereich passiver Bass-Pickups seit ich denken kann.

Oh, danke! Schön, dass dir der Tonabnehmer gefällt. Unser P-Pickup war ja der weltweit erste Replacement-Tonabnehmer für den Precision-Bass überhaupt, speziell entwickelt für die Reihe von Problemen, die das Original mit sich brachte. Die Lösung war unter anderem die Konstruktion mit den zwei Magneten und den verstellbaren Pole-Pieces, um etwas mehr Balance zwischen den Saiten zu haben. Es ging mir darum, eine Art Piano-Qualität zu bekommen, bei der jede Saite gleich laut zu hören ist. Billy hat damals diesen Tonabnehmer getestet und benutzt, und zusammen haben wir ihn dann so modifiziert, dass er die Saiten benden kann, ohne die Lautstärke zu verlieren (Anm. d. Red.: Das Ergebnis war der DiMarzio-Will-Power-Tonabnehmer).

Wann ist denn der Original-Model-P-Tonabnehmer erschienen?

Ohhhh, warte mal … Das ist eine gute Frage. Das war so um 1977, würde ich sagen … Nach bestem Wissen und Gewissen. Aber ganz sicher weiß ich es nicht mehr.

DiMarzio in seinem Shop, 1974 (Bild: DiMarzio)

Im Vergleich zu diesem alten Tonabnehmer haben der Will Power und vor allem Billy Sheehans neuer Relentless-Tonabnehmer aber noch einmal gewaltig mehr Output.

Ja, auf jeden Fall. Beim Relentless-Pickup ist es zudem so, dass die Spule des Tonabnehmers näher an den Saiten ist, so dass du fast schon eine Art Nahbesprechungseffekt wie bei einem Mikrofon hast. Meine Philosophie ist, dass du das Signal ja immer recht einfach leiser machen kannst. Lauter wird ab einem gewissen Punkt deutlich schwieriger. Außerdem mag ich es, viel dynamischen Headroom bei einem harten Anschlag zu haben. Eine 9V-Batterie beispielsweise limitiert die Transienten von vorne herein.

Eigentlich wollte ich das erst später fragen, aber wenn wir schon so tief einsteigen, frage ich jetzt einfach mal: Bei deinen Bass-Tonabnehmern hast du ja über die Jahrzehnte viele Innovationen und Neuerfindungen geliefert – ist bei den Gitarren-Pickups eine ähnliche Entwicklung absehbar?

Bei den neuen Bass-Pickups war es ja so, dass wir die Rundung des Griffbretts mit der Form des Tonabnehmers verfolgen wollten. Ich war sehr zufrieden damit, wie die Relentless-Tonabnehmer geworden sind und ich dachte mir: „Warum machen wir das nicht auch bei den Jazz-Bass-Pickups“. Die ersten Versionen waren dann aber einfach nicht so gut, wie die finale Version. Das lag vor allem an den parallelogrammförmigen Spulenkörpern. Ob wir das Gleiche bei den Gitarrentonabnehmern versuchen? Wer weiß …

Solche Dinge entstehen ja oft durch Gespräche. Ich habe beispielsweise lange mit Billy Sheehan darüber gesprochen, der bereits mit den Kollegen von Yamaha an diesem Thema zu Gange war. Wenn man ein solches Projekt in Angriff nimmt, sind viele Dinge zu berücksichtigen. Beispielsweise mussten wir neue Formen für die Tonabnehmer-Kappen anfertigen lassen. Je mehr ich mich damit beschäftigte, desto mehr dachte ich mir: „Warum nehmen wir nicht gleich Metallkappen und nutzen den zusätzlichen Abschirmungseffekt?“ In dem Zuge haben wir uns auch gleich die Bohrungen für die Pole Pieces gespart und alles unter dem Cover versenkt. Nachdem Billys Relentless-Pickup fertig war, haben wir das ganze Konzept dann auf die Jazz-Bass-Pickups übertragen. Das ist der Grund, warum ich der Meister des Offensichtlichen bin. (lacht)

Mehr über Design, Signature-Pickups und Larrys Meinung zu Kölsch auf Seite 2

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ein sehr interessantes und aufschlussreiches Interview mit Larry DiMarzio!
    In meiner alten Fender Classic Floyd Rose Stratocaster (made in U.S.A.) wurde werksseitig ein DiMarzio „The Fred Humbucker“ in der Bridge Position eingebaut,der wirklich sehr gut klingt.

    Die zwei originalen DiMarzio Humbucker in meiner 1982er B.C.Rich Mockingbird (made in Japan!) mit aktiver Elektronik,bedienen hingegen die vollen satten Heavy Metal Riffs,für die B.C.Rich Gitarren bereits damals sehr bekannt waren. Wer jedoch glaubt,daß besonders die besagten alten B.C.Rich E.-Gitarren mit den DiMarzio Humbuckern ausschließlich nur extrem brachial und höllisch laut klangen,der liegt hier (leider) völlig daneben.
    Ich war doch selbst sehr überrascht darüber,daß meine B.C.Rich Mockingbird (Longhorn/durchgehender Hals/obligates „R“-Logo auf dem Headstock) aufgrund der zwei DiMarzio‘s mit bestimmten Einstellungen (und B.C.Rich war stets berühmt für die etlichen Einstellungs-Möglichkeiten seiner Elektronik) ein Klang-Repertoire der Superlative zu erschaffen. Fast identische Klänge einer Geige sind mit den DiMarzio Pickups in meiner Mockingbird durchaus möglich. Mir ist es deshalb unverständlich,daß Larry DiMarzio himself im Interview nicht weiter auf die aktive Elektrik eingeht. Aber es liegt wohl eher daran,daß er ihm aufgrund seiner Kompetenzen im Pickupbereich anscheinend leider nie wirklich bewußt war,wie dynamisch und ausgewogen seine Tonabnehmer in den vornehmlich alten B.C.Rich Gitarren klangen.

    Es scheint auch maßgeblich seine Bescheidenheit zu sein,denn,egal,wie man zu dem Markenlabel B.C.Rich in Verbindung der DiMarzio Humbucker steht,diese Kombination funktioniert bis dato sehr gut!

    Ich bin jedenfalls überaus glücklich,Larry DiMarzio ist für mich der Pickup Pionier,der mit seiner Erfahrung und Innovation weltweit für positive Schlagzeilen sorgt,und somit uns Gitarristen mit absolut top klingenden Tonabnehmern versorgt.

    Herzlichen Dank ❤️ dafür!

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  2. Scheint ja ein richtig netter Typ zu sein. Am besten gefällt mir (als Kölner) natürlich, was er über das Kölsch gesagt hat. Dem kann ich nur vollinhaltlich zustimmen! 🤩

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