Gitarrist, Komponist, Performer und Produzent 

Chuck Loeb: Alles, was ich über Musik weiß, kommt von der Gitarre

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Die Musikwelt trauert um Chuck Loeb. Der US-amerikanische (Jazz)-Instrumentalist ist am 31. Juli im Alter von 61 Jahren verstorben. 

 

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Vor einigen Jahren sprach der Gitarrist, Komponist, Performer und Produzent mit uns über seine Anfänge, Jazz und Jim Hall…

 

Chuck Loeb über seine Anfänge:

Als ich 10 oder 11 war, haben meine Eltern meiner Schwester eine Gitarre gekauft. Zu der Zeit war Folk-Musik sehr angesagt, und meine Schwester liebte Joan Baez und Buffy Sainte-Marie. Deshalb wollte sie unbedingt eine Gitarre zum Geburtstag haben. Sie konnte ein bisschen spielen, ein paar Akkorde, C und F und so, aber jedesmal, wenn sie die Gitarre weggelegt hat, da habe ich sie mir unter den Nagel gerissen.

Meine Schwestern, die beide älter als ich sind, waren mit Rock-’n’-Roll-Musikern befreundet, und die waren ab und zu bei uns und haben natürlich auch Gitarre gespielt. Und ich – wie kleine Kinder halt so sind – habe die dauernd genervt: „Show me this! What’s this? I wanna learn that chord …“

Zu der Zeit hatte ich keinen Unterricht, ich habe mir Sachen zeigen lassen oder von meinen Platten gehört: Beatles, Rolling Stones, Cream, Jimi Hendrix und natürlich Bob Dylan! Die Platten habe ich angehört, und ich habe mitgespielt. Um ehrlich zu sein – ich habe alle meine Platten ruiniert, weil ich dauernd zurückgesetzt habe, um eine bestimmte Stelle noch mal zu hören.

 

 

Bis zu meinem 15. Lebensjahr hatte ich höchstens ein paar Stunden, in denen ich ein bisschen Folk- und Blues-Gitarre gelernt habe. Mit 15 wurde mir klar, dass ich Musik studieren muss. Ich wollte über das, was ich konnte, hinausgehen. Deshalb bin ich zu einem Freund meiner Eltern gegangen, Tommy Goodman, der Arrangeur und Pianist ist. Und der sagte mir: „Check these out!“ – und gab mir ein paar Jazz-Pianoplatten und auch eine WesMontgomery-Scheibe.

 

Chuck Loeb über seinen allerersten Kontakt mit Jazz:

Pretty much. Dass man so etwas auf der Gitarre spielen konnte, war neu für mich. Zur gleichen Zeit habe ich auch John McLaughlins ,The Inner Mounting Flame‘ kennengelernt; gleichzeitig, auf der einen Seite Wes, bei dessen Sachen ich keine Ahnung hatte, was er macht, und John McLaughlin auf der anderen Seite, wo deutlich Rock-’n’-Roll-Einflüsse zu hören waren.

Deshalb habe ich studiert, bei Richie Hart, der Wes-Montgomery-Fan war und mich unter seine Fittiche nahm. Ich habe auch in seiner Band gespielt. Dennis Sandole war meine nächste Unterrichtsstation, der in Philadelphia lebte. Meine Eltern haben mir einen Schultag in der Woche freigegeben, damit ich von New York nach Philadelphia fahren konnte, drei oder vier Stunden im Zug, um dort Unterricht zu nehmen.

Aber die Fahrerei wurde mir doch zu viel und ich fragte ihn, ob er mir nicht jemanden in New York empfehlen könnte. Und er sagte: „Ja, da ist ein ganz guter Gitarrist in New York, sein Name ist Jim Hall …“ Er hat mir einfach Jims Nummer gegeben. Zu dem Zeitpunkt war ich 16 …

Ich war eigentlich noch gar nicht so weit, bei Jim Hall zu studieren, aber ich habe ihn angerufen, habe ihm gesagt, wer mir seine Nummer gegeben hat, und aus was für Gründen auch immer hat Jim Hall eingewilligt, mir Unterricht zu geben. Ich hatte anderthalb Jahre Unterricht bei ihm, bin nach der Schule zu seinem Apartment gegangen, und er hat mir unglaubliche Chord-Voicings gezeigt. Er ist so gut in Stimmführung, Akkorden und Harmonielehre, und er hat mit mir Bach-Violinstücke analysiert.

Ich habe dann den Sommerkurs am Berklee College gemacht, und habe danach auch „richtig“ als Student dort angefangen. Und das hieß: spielen, spielen, spielen – und nicht nur im Unterricht …

 

Chuck Loeb über seinen musikalischen Background:

Ich habe meine Jimi Hendrix/Eric Clapton/Beatles-Seite, und Wes Montgomery, Pat Martino und Jim Hall auf der anderen Seite. Aber das ist nur auf die Gitarre bezogen. Ich habe – was Jazz betrifft – immer auch Soli anderer Instrumente transkribiert. Ich bin genauso von Herbie Hancock, Miles Davis, Lee Morgan und John Coltrane beeinflußt. Das gehört für mich dazu wie Vokabeln lernen. Den Wortschatz des Jazz.

 

Chuck Loeb über seine verschiedenen Tätigkeiten: 

Als ich angefangen habe, Gitarre zu spielen, habe ich auch angefangen zu komponieren. Kennst du die boyscouts? (Pfadfinder; d. Verf.) Ich bin einmal mit ins Ferienlager gegangen und fühlte mich hundeelend. Offensichtlich war ich ein schlechter Pfadfinder. Für mich war alles fürchterlich, aber ich hatte meine Gitarre dabei und habe meinen ersten, ganz traurigen Song geschrieben. Den habe ich nach dem Lager meinen Eltern gezeigt, und die fanden ihn gut.

Ich habe also immer schon komponiert. Das zieht sich als roter Faden durch meine Laufbahn. Wenn ich in einer Band war, habe ich nie „nur“ Gitarre gespielt. Und als ich aktiver Jazz-Musiker wurde und zur „audition“ für die Stan Getz Band ging (Jazz-Saxophonist, der u. a. den Bossa Nova populär gemacht hat; d. Verf.), fragte mich Stan, ob ich auch schreiben würde und ob ich Noten dabei hätte.

Wir haben ein Stück gespielt und später sagte er zu mir, dass das der Grund für die Zusammenarbeit war. Er komponierte nämlich nicht. So haben wir Hand in Hand gearbeitet. Ich habe seine Band verlassen, weil ich meine Frau Carmen Cuesta geheiratet hatte und nicht mehr dauernd auf Tour sein und in New York bleiben wollte.

 

So bin ich Studiomusiker geworden, um ein angenehmes Leben zu haben. Ich liebe Studiomusiker, ich war immer schon derjenige, der auf den Plattencovern gesucht hat, wer denn mitspielt – David Spinozza, Cornell Dupree … Und es war – wie im Jazz eigentlich auch – oft so, dass ich bei den Jobs sagen konnte: „An der Stelle wäre es aber besser, wenn wir das so machen könnten!“

Deshalb haben mich Leute gefragt, ob ich nicht auch Jingles schreiben könnte. Der Schritt zum Arrangieren und Produzieren ist dann nicht mehr so groß … Ich habe sieben Jahre lang in einem Studio gearbeitet, das auf Fernsehmusik spezialisiert war, das „39th Street Music“. Da habe ich 14, 15 Stunden am Tag gearbeitet. Ich meine das absolut ernst! Da habe ich die Abläufe einer Produktion in- und auswendig gelernt. Mikrophone, Mischpulte, Effekte … – das war mein „College“ fürs Produzieren!

Auch wenn wir in erster Linie für das Fernsehen gearbeitet haben, habe ich doch versucht, meinen ganzen Jazz-Hintergrund in die Arbeit mit einfließen zu lassen. Die Leute, die ich im Musikbusiness am meisten bewundere, sind die, die alles machen können. Musiker, Komponisten, Produzenten, Performer.

Marcus, Dave Grusin, Chick Corea, Bob James, Herbie Hancock … – das ist genau, was ich gerne sein möchte. Nicht nur „Chuck Loeb – Gitarrist“, sondern „Chuck Loeb – Gitarrist, Komponist, Performer und Produzent“.

Es ist irgendwie lustig: Alles, was ich über Musik weiß, kommt von der Gitarre her. Der Rhythmusgitarrist David Spinozza sagte mir, als ich das erste Mal für Bläser geschrieben habe: „Ich erzähle dir ein Geheimnis – alles, was du auf der Gitarre spielen kannst, klingt bei Bläsern gut.“

 



 

Facts!

Chuck Loebs Biographie in Stichworten: 1952 in Nyack/New York geboren, schon als Schüler Mitglied in Soul-Bands, Gitarrenunterricht bei Dennis Sandole und Jim Hall, Musikstudium am Berklee College of Music, ab 1976 Studio- und Live-Jobs mit u. a. Hubert Laws, Ray Barretto, Stan Getz, seit Beginn der 80er Jahre schwerbeschäftigter Musiker, Komponist und Produzent in New York.

Band-Projekte: Steps Ahead, Metro (mit Mitch Forman, Wolfgang Haffner, Victor Bailey), Petite Blonde (mit Bill Evans, Mitch Forman, Victor Bailey und Dennis Chambers), Loeb/HaffnerUnit (mit Wolfgang Haffner, Roberto diGioia, Patrick Scales und Till Brönner).

Produzenten-Jobs: u. a. für George Garzone, Larry Coryell, Nelson Rangell. Kompositionen: u. a. Titelthemen für CNN-Sendungen, USTV-Shows wie „Nightline“, CBS-News etc.

Auswahldiscografie: mit Metro: Metro (1994, Lipstick), Tree People (1995, Lipstick); mit Petite Blonde: Petite Blonde (1992, Lipstick); mit Blüth: Garbanzobean (NYJG); unter eigenem Namen: The Music Inside (Sanachie), The Moon, The Stars And The Setting Sun (1998, Sanachie/Lipstick)

 



 

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