Im Interview

Carl Carlton: Eine Herzensangelegenheit

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(Bild: Martin Huch)

Wie habt ihr dann die Songs ausgewählt?

Melanie ist Fan von Leonard Cohen und erzählte mir die Geschichte zu ‚Dance Me To The End Of Love‘, was mich sehr beeindruckt hat. Darin geht es um den letzten Weg in einem Konzentrationslager. Mein Sohn Max machte mich auf John Prine aufmerksam, den ich ehrlich gesagt bis dahin gar nicht kannte. Als es dann in der Pandemie etwas lockerer wurde, haben wir uns Reiseziele gesucht, zu denen man noch hin konnte und wo nichts los war.

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Wir sind dann auf den Seychellen gelandet. So eine Umgebung färbt auch wieder auf Stimmungen ab. Dort haben wir eine gut betuchte Hippie-Familie kennengelernt und deren 16-jährige Kinder unterhielten sich über Grateful Dead. Die Tochter spielte dann noch ‚Black Muddy River‘, was uns total überrascht und wiederum inspiriert hat. Jedenfalls fügte sich in dieser Weise eine Songauswahl zusammen, die alle das Thema Zweierbeziehung zum Thema hatten – in allen Facetten von traurig bis fröhlich. Der Titel von John Prine ‚Glory Of True Love‘ war dann auch die passende Inspiration für den Albumtitel ‚Glory Of Love‘ und für die ganze musikalische Reise, die Melanie und ich unternommen haben.

Wie wurde dann aus der Idee das Album?

Wir sind in meine alte Heimat Irland gereist und haben dort meine alten Jungs besucht, Musiker von Van Morrison und den Waterboys. Mit Wayne P. Sheehy und Trevor Hutchinson, also Drummer und Bassist, haben wir ein paar Basics aufgenommen. Als wir dann unmittelbar deren begeistertes Feedback bekamen, war nach einem Tag klar: „Let‘s get real“! Trevor hat dann die hochwertigen Mikrofone besorgt und wir sind in ein kleines, aber wundervolles Studio in Cork mit Ausblick auf den Ozean und vielen Schafen gegangen. Dort fing das Album an zu leben!

Wir haben uns über die Songs unterhalten, die beiden haben ihren Input geliefert. Gemeinsam haben wir auf YouTube Songs angehört und hatten diesen inspirierenden Vibe. In uns war der Wunsch so fest gereift, dieses Projekt fertigzustellen. Als wir fünf Songs hatten, war der Aufenthalt in Irland wieder vorbei. Wir hatten jede Menge Takes, teilweise auch schon mit finalem Gesang, Mandoline, Drums, Bass.

Dann hatte ich überlegt, wen man noch dazu holen könnte, damit es nicht zu amerikanisch klingt. Da fiel mir mein Freund Yoyo Röhm aus Berlin ein. Er ist aus meiner Generation, studierter Bassist, ein toller Arrangeur und kommt aus der Indie-Szene. Ich wollte diese unterschiedlichen Einflüsse mischen. Das ist immer interessant. Dann haben wir in Berlin eine zweite Session begonnen und Yoyo hat Marimbas durch Leslies geschickt und sich an Geigenbogen, Sitars und vielem mehr ausgetobt. Meret Becker hat sich an einer singenden Säge in der Berliner Session auch eingebracht…

Interessant, denn das Album klingt homogen und sehr entspannt…

Danke, und das macht ja den Spaß aus. Ich liebe es, diese sehr unter schiedlichen Einflüsse zu kombinieren und daraus einen stimmigen Sound zu entwickeln. Ich hätte auch gar keine Lust zum Beispiel ein eisenhartes, reines Country-Album zu machen. Das wäre mir viel zu eng. Genres zu mischen, ohne dass es gekünstelt wirkt, ist die Herausforderung, die ich suche. Ich bin wirklich froh, so viele Musiker-Freunde zu haben. Das ist wie Familie. Jeder kommt aus einer anderen Ecke, zusammen werfen wir alle unser Herzblut in die Mitte und es kommt etwas Großartiges heraus. Interessanterweise haben wir den Weg zum Ziel erklärt und eben nicht das fertige Produkt schon von Anfang an im Kopf gehabt. Das hat im Laufe der Sessions den Raum gegeben, in dem sich die unterschiedlichen Einflüsse dann auch entfalten konnten.

Du hattest aber schon den Hut des Produzenten auf, oder?

Ja. Ich bin dabei von meinem Mentor Robert Palmer geprägt worden. Der hat sich ja musikalisch auch aus allen Töpfen bedient und vor allem habe ich gelernt, keinen Druck aufzubauen, sich Zeit zu lassen. Musiker sind sensible Wesen. Gerade wenn so viel in der Tiefe sitzt, braucht es die Zeit und den Raum, das herauszukitzeln. Zudem hatten wir in der ganzen Zeit immer wieder Rough-Mixe erstellt. Das habe ich von meinem Kumpel Bob Clearmountain gelernt, der mir das immer empfohlen hatte. Damit meine ich schon ordentlich klingende Mischungen. Das hat den Vorteil, dass jemand schnell dazu spielen und sich direkt wohlfühlen kann.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Der Mann ist ein absolute sympathischer Mensch, Musiker von denen es nicht mehr all zu viele gibt.
    Egoismus ist leider bei vielen aktuellen Akteuren in der Branche angesagt.

    Obwohl ich ein Hard-Rock- Blues- Fan bin hat mir das aktuelle Album der beiden sehr zugesagt.
    Was für mich wiederum die Bestätigung dafür ist, dass gute Musik, gutes Song-Writing keine Schubladen braucht, nur offenen Ohren.

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  2. Drummer 860…, den Carl verfolge ich schon seit der ersten “New Legend” Platte und auch mit den “Song Dogs”! Neben Inga Rumpf der für mich beste deutsche Musiker. Sehr gute Songs, super Klampfer mit sehr geiler Stimme, ein Original halt! Muss man heute echt suchen. Ein echter Handwerker auf seinem Instrument. Danke für die gute Musik…, Carl😎👍!

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  3. Tja. Ich mochte den schon immer.
    Großartiger Handwerker auf Gottes Stahlsaiten.
    Bin auf die Tour gespannt 🙂
    Wünsche Euch alles Liebe und Gesundheit und noch vieleviele Songs und glückliche Jahre 🙂
    eddie

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