Im Interview

Al Di Meola meets The Beatles

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Al Di Meola(Bild: Marian Menge)

Er hat es schon wieder getan. Nach seinem 2013 in den Abbey Road Studios entstandenen ersten Beatles-Tribute-Album ,All Your Life‘ bringt Al Di Meola nun eine zweite Auflage mit Songs der Liverpooler Legenden heraus.

Während sein erster Streich noch rein akustisch und eher kammer-musikalisch angelegt war, hat er auf ,Across The Universe‘ die alte Les Paul wieder ausgepackt. Wobei er das Ganze bei Konzerten wiederum auf einer teils verzerrten Nylonstring umsetzt.

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Ob du es glaubst oder nicht, aber diese simplen Stücke spielen und proben sich weitaus schwieriger als alles was ich bisher gemacht habe. Die Leute denken vielleicht, das wäre einfache Popmusik, aber meine Herangehensweise verlangt mir einiges an harter Arbeit ab…“ Sagt einer, der sich Zeit seiner Karriere nie vor technischen Herausforderungen gescheut und immer höchst komplexe, virtuose, anspruchsvolle Musik abgeliefert hat. Dennoch lässt sich glücklicherweise feststellen, dass man den Versionen von Stücken wie ,Yesterday‘, ,Strawberry Fields Forever‘ oder ,Norwegian Wood‘ die harte Arbeit dahinter zu keinem Zeitpunkt anhört.

Bei Al Di Meolas jüngsten Deutschlandbesuch standen mit Letztgenanntem und ,Hey Jude‘ nur zwei der neuen Versionen auf dem Programm. Ansonsten bot der Amerikaner bei seinem Konzert im Leverkusener Erholungshaus, wo wir ihn im November trafen, einen Überblick über seine fast 50 Jahre umfassende Karriere, inklusive seines wohl größten Hits ,Mediterranean Sundance‘.

Al Di Meola
Roland VG-88 nebst 5-fach-Fußschalter (Bild: Marian Menge)

INTERVIEW

Al, lass uns direkt mit ,Across The Universe‘ anfangen. Warum die Beatles? Und warum schon wieder?

Nun ja, ich musste beim ersten Mal so viele Stücke weglassen, aus denen ich gerne meine eigenen Versionen gemacht hätte. Also habe ich diese Fortsetzung erarbeitet – zunächst wieder auf die Akustik-Gitarre reduziert. Jedoch hatte ich das starke Verlangen, die ganze Produktion irgendwie aufzupeppen und Schlagzeug und Bass und vielleicht ein paar weitere Gitarren hinzuzufügen. Ich wollte, dass das Ergebnis komplett anders klingt als die erste Sammlung. Und das tut es allein schon aufgrund der anderen Instrumentierung. Übrigens, am liebsten würde ich noch ein drittes machen, aber dann halten mich die Leute für verrückt.

Genügend Songs gäbe es aber …

Ja, aber ich muss mindestens zehn Jahre warten, bevor ich überhaupt darüber nachdenken sollte. Es gibt so viele großartige Nummern der Beatles, die auch instrumental gespielt wunderbar funktionieren. Die Beatles haben Melodien und Harmoniefolgen erschaffen, die dich ein Leben lang begleiten. Und auch wenn ihre Musik eher als simpel angesehen wird, wollte ich sie in meinen Versionen genauso komplex arrangieren, wie ich das auch bei meiner eigenen Musik mache. Die Herausforderung war also größer, als man es bei Songs der Beatles vermuten würde.

Was war denn deiner Meinung nach das Besondere an den Beatles? Was unterschied sie von anderen Bands?

Sie waren sehr besonders! Sie waren unfassbar gute Songwriter. Sie hatten einfach ein Händchen dafür, großartige Musik in dieses Popformat zu packen. Selbst Songs, die nur zweieinhalb Minuten lang sind, sind wahnsinnig rund und komplett. Und der Klang dieser zwei Gesänge war einfach die perfekte Mischung zweier einzigartiger Stimmen. Das kann ich aber erst heute so analysieren.

Damals, als die Beatles aktuell waren, konnte ich nicht einmal unterscheiden, wer wer ist, und ich konnte auch nicht sagen, wer welchen Song geschrieben hatte. Das habe ich erst im Laufe der Jahre gelernt. Aber das Großartige ist, dass ich genau die Dinge, die ich als Teenager mochte, heute immer noch genauso mag.

Hast du jemals Mitglieder der Beatles persönlich getroffen? Oder haben Ringo Starr oder Paul McCartney deine Versionen mal hören können?

Ich weiß nicht, ob Paul die Sachen gehört hat, aber er hat eine Kopie meines ersten Beatles-Albums bekommen. Ich war zwischenzeitlich zufällig sein Nachbar, während ich das Album in den Abbey Road Studios aufnahm. Und als es fertig war, hat meine Frau es seiner Haushälterin in die Hand gedrückt. Er weiß also, wer ich bin, aber ich weiß nicht, ob er reingehört hat. Ich habe ihn damals ein paar Mal zufällig getroffen und er war sehr freundlich, aber ich wollte ihn nicht überrumpeln. Schließlich ist er der berühmteste Mensch auf diesem Planeten, und es gibt vermutlich ständig Leute, die etwas von ihm wollen.

Du bist selbst viel auf Tour. Kannst du nachvollziehen, warum die Beatles irgendwann nicht mehr live spielen wollten?

Klar. Das Publikum hat ja nur geschrien, und zwar so laut, dass die Band sich selbst nicht mehr hören konnte. Und obendrein konnte das Publikum selbst nicht hören, was die Band da überhaupt machte. Beides ist für einen Musiker nicht besonders befriedigend. Sie haben also eine sehr ungewöhnliche aber weise Entscheidung getroffen. Denn dadurch hatten sie die Möglichkeit, sich nur noch auf neue Alben zu konzentrieren.

Und die Experimentierfreudigkeit und die Qualität der Produktion auf den Alben, die dann entstanden sind, sind einfach unglaublich. Sie wurden besser und besser. ,Magical Mystery Tour‘ war ein einzigartiger Triumph. Hätten sie zwischen Touren, Proben und Interviews nur kleine Zeitfenster zum Schreiben und Aufnehmen gehabt, hätten sie kein einziges dieser fantastischen letzten vier Alben fertigstellen können.

Ich glaube also, dass die riesige Qualität dieser Alben unmittelbar aus der Entscheidung resultiert, nicht mehr auf Tour zu gehen. So konnten sie sieben Tage die Woche 24 Stunden lang ins Studio gehen.

Bei deiner Musik ist nur sehr schwer auszumachen, wieviel notiert und wieviel improvisiert ist. Kannst du das aufklären?

Ich sehe meine Musik als Puzzle. Im Jazz ist das lustig: Jazz-Musiker können es normalerweise kaum erwarten, dass der ausgeschriebene Teil, also das Thema, vorbei ist und sie endlich mit ihrem richtig langen Solo anfangen können. Dadurch besteht ein Großteil des Songs im Endeffekt aus Soli. Denn nach ihrer Philosophie ist das Solo das wichtigste Element in der Musik.

Ich komme mehr aus der kompositorischen Ecke. Ich meine, Return To Forever bestand aus einer Gruppe von Leuten, die richtig gut improvisieren konnten, aber die Komposition stand bei uns immer an erster Stelle. Ich versuche, meine Musik für ein breites Publikum und nicht nur für Musiker nahbar zu machen. Was für mich als Musiker zählt, ist, dass ich mit der Komposition die Aufmerksamkeit des Publikums aufrecht erhalten kann. Die Soli sind da nur sekundär.

Mit dem Grammy 1975 warst du schon früh sehr erfolgreich. Wie hast du es geschafft, dich nicht darauf auszuruhen?

Am Anfang hat man wahnsinnig viel Energie, und man hat ein recht einfaches Leben. Du hast keine Verpflichtungen, keine Familie und nichts, über das du dir, neben der Musik, Gedanken machen müsstest. Deswegen kannst du der Musik deine volle Aufmerksamkeit widmen. Und die Aufmerksamkeit damals war größer als bei jemandem, der heute anfängt Musik zu machen.

Denn heute hat der ein Handy, auf das er alle fünf Sekunden draufguckt. Ich hatte kein Handy, keine sozialen Netzwerke, musste keine Anrufe beantworten und nicht nach WhatsApp-Nachrichten schauen. Wir hatten nichts, das uns ablenkte, und uns blieb daher nichts anderes übrig, als Musik zu machen. Der Fokus lag immer genau auf dem, was wir gerade taten, sei es Üben oder ein Album aufnehmen. Und auch deswegen war die Platte damals auch so phänomenal. Jeder, der in den Aufnahmeprozess involviert war, war absolut fokussiert auf das, was gerade getan wurde. Das ist heute anders.

Al Di Meola
Der AcoustiCube 3 von AER (Bild: Marian Menge)

TECHNIK

Interessant in deinen Konzerten ist, dass du auch die verzerrten Passagen auf deiner Nylon-Acoustic spielst. Wie bist du darauf gekommen?

Manchmal ist es für eine Nylon-Akustik-Gitarre schwierig, sich gegen ein laut gespieltes, voll klingendes Klavier durchzusetzen. Die klangliche Bandbreite des Pianos vermischt sich zu sehr mit dem Klang der Akustik-Gitarre – und dazu kommen ja noch die Percussions und das Akkordeon.

Alle Instrumente sind auf der Bühne um einiges lauter als die Akustik-Gitarre. Deswegen mische ich von Zeit zu Zeit dem Hauptsignal Effekte hinzu, wie einen Octaver nach oben oder unten für entweder einen 12-String-Effekt oder mehr Bässe, oder eben einen Distortion-Sound. Das gibt mir und der Musik eine größere Bandbreite an Dynamik-Möglichkeiten.

Macht es für dich einen großen Unterschied, ob du verzerrte Sounds auf einer Nylon- oder einer E-Gitarre spielst?

Natürlich. Allein schon, weil man Nylonsaiten nicht auf dieselbe Weise benden kann, wie bei einer E-Gitarre. Das gilt genauso für das Vibrato und die ganze Phrasierung. Es hat schon etwas Frustrierendes, nicht anständig phrasieren zu können. Und auch der Sound an sich ist natürlich anders, als bei einer Les Paul oder einer PRS über einen Marshall-Amp. Aber es ist ein elektrischer Sound, der seine Aufgabe erfüllt. Und ich will schließlich nicht ständig die Gitarren wechseln müssen.

Außerdem ist mir aufgefallen, dass du keine Monitorbox vor dir hast. Wäre da die Feedback-Gefahr zu groß?

Ich bin kein Freund von Monitoren, die direkt auf mich gerichtet sind. Ich mag es lieber, wenn der Klang mich umgibt, anstatt mich direkt anzuspringen. Ich höre auf der Bühne lieber die anderen Musiker direkt von da, wo sie auch spielen. Hinter mir gibt es einen Monitor, auf dem ich aber keinen der anderen drauf habe.

Ich bevorzuge es, meine Lautstärke auf der Bühne so gering zu halten, dass ich alle Instrumente direkt von ihrer Position hören kann. Die anderen Musiker haben ja auch noch ihre eigenen Monitore. Am liebsten ist mir eine 50/50 Mischung aus Bühnen-Sound und dem, was aus der PA in den Zuschauerraum schallt. Dabei entsteht meistens ein größerer, vollerer Klang, als aus einem einzelnen Monitor.


EQUIPMENT

Gitarren (Studio):
Conde Hermanos Signature
Ovation Signature
Gibson Les Paul Custom (Baujahr 1971)
Paul Reed Smith Prism (Signature)
Custom Made 12-String-Mandoline
Rickenbacker 4001
Verstärker:
Marshall JMP Super Lead (Studio)
Fuchs Overdrive Super 100 (Studio)
AER AcoustiCube 3 (live)
Effekte (live):
Roland VG-88
TC Electronic M3000
RMC Poly-Drive II

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2020)

Produkt: Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Gitarre & Bass 2/2023 Digital
Im Test: J&D DX-100 +++ Jimmy Wallace Guitars MT +++ Solar Guitars AB1.4JN +++ Fender Acoustasonic Player Jazzmaster +++ Vintage Historic Series +++ Tech 21 SansAmp Character Plus Series +++ Baroni AFK150 +++ Paul Belgrado NaNo B4 Shortscale +++ Harley Benton MV4-PJ Gotoh BM +++ British Pedal Company Dumble Overdrive Special +++ JHS Packrat

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