Leicht wie eine Feder

Test: Spector Euro 4 RST und Euro 5 RST

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SUPER DOPPELT GUT

Während der Euro 4 RST perfekt eingestellt aus dem sehr guten, fahrradtauglichen Gigbag kommt, hat der Euro 5 RST noch Spielraum für bessere Bespielbarkeit, also frisch ans Werk! Um die Reiter der Brücke bewegen zu können, müssen zuerst die Madenschräubchen links und rechts gelöst werden, dann kann die Saitenlage komfortabel justiert werden. Die Oktave kann per Schraube eingestellt werden – im Gegensatz zu älteren Versionen, wo das freihändig erfolgen musste.

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Nachdem da alles zur Zufriedenheit geregelt ist und die Böckchen wieder fixiert sind, bekommt der Stahlstab einen Dreh. Das funktioniert an sich auch sehr schön, der Zweiwege-Stab bewegt sich angenehm smooth, nur der Zugang ist bei beiden Bässen etwas mühselig, weil nur eine von drei Schräubchen wirklich frei steht. Naja, erfahrungsgemäß muss man hier nicht oft tätig werden.

Bei so geringem Gewicht stellt sich die Frage nach Kopflastigkeit umso drängender, ich kann aber Entwarnung geben. Der Viersaiter ist in dieser Hinsicht komplett unauffällig, der Fünfsaiter im Sitzen auch und ansonsten mit einem auf der Innenseite etwas angerauten Gurt schnell gezähmt. Beide hängen ausgesprochen angenehm am Körper, der gewölbte Korpus ist so geschickt designt, dass außer einer allgemeinen Abrundung der Bodys keine weiteren Shapings nötig sind.

Wie die Nomenklatur der Farbpalette schon verrät, haben wir es beim RST mit matten Lackierungen zu tun. Die sind sauber ausgeführt und fassen sich extrem gut an. Auch am Korpus, aber beim Spielen hat man doch eher den Hals in der Hand – und der macht richtig Spaß. Im Vergleich zu einem Jazz Bass oder einigen Mitbewerbern in den 80ern hat man etwas mehr in der Hand, beim Viersaiter hat der Sattel eine Breite von 41,6 mm und allzu dünn ist der Hals auch nicht, während es beim Fünfer knapp 46 mm sind. Zudem muss man dank der 35”-Mensur bei ihm den linken Arm spürbar weiter ausfahren.

Trotzdem ist die Bespielbarkeit bei beiden leicht und auf langer Strecke ermüdungsfrei. Dabei hilft die perfekte Bundierung, die schnarrfreies Rasen durch alle Lagen zulässt. Oder fast alle, die letzten sind bei Spector immer schwer erreichbar. Ebenfalls typisch ist, dass die Hälse nach oben nicht weniger in die Breite gehen als die meisten anderen, ein Feature, das in den 70ern noch verbreiteter war. Das bedingt natürlich engere Saitenabstände an der Brücke, was uns zu den Tonabnehmern führt.

Aguilar-Pickups haben sich schon lange etabliert und sind, unabhängig von Firmenzusammenhängen, eine gute Wahl. Aber: Leider passen sie bei beiden Bässen nicht zu den Saitenabständen, bei den Testbässen ist nur die D-Saite exakt positioniert, während vor allem beim Fünfer die tiefste Saite nur über die inneren Magnete des zuständigen Paares läuft. Das Magnetfeld reicht natürlich völlig aus, und im Bandkontext höre ich davon auch nichts. Mit arg gespitzten Ohren, solo mit cleanem Preamp und gutem Kopfhörer wirkt das Attack doch minimal anders als bei den restlichen Saiten. Testweises vorsichtiges Verschieben auf dem Reiter gleicht das aus, dann liegt die Saite aber nicht mehr in ihrer Kerbe.

Aber zu den guten Nachrichten: Die Abnehmer sind fantastisch. Klanglich zwischen klarem Singlecoil und drückendem Humbucker, dabei völlig frei von Nebengeräuschen, merkt man, dass Aguilar sich viele Gedanken über die Konstruktion gemacht hat. Die Magnetlänge zum Beispiel wurde für Attack und Output optimiert, aber immer mit Blick darauf, den magnetischen Zug nicht zu stark werden zu lassen – was auch funktioniert. Witzigerweise kommt am Verstärker bei beiden Bässen erstmal gar nichts, die griffigen Plastikknöpfe scheinen anzuzeigen, dass beide Volume-Regler voll auf sind und der EQ in Mittelstellung, tatsächlich sind die Lautstärkeregler bei beiden Bässen zugedreht. Das lässt sich aber schnell umstecken.

Klar und fett im Ton kommt am Amp auch der resonante Punch an, den die Bässe schon trocken gespielt an den Tag legen. Das Klangbild lässt sich vor dem Equalizer schon über die Volume-Potis beeinflussen, warm der Halsabnehmer, mittenreduziert und klar mit beiden gleichauf, knackigbellend der Steg-Pickup. Mit dem Bassregler wird der Sound bei Anhebung satt und voll, je nach Bassanlage sollte man Vorsicht walten lassen, um es nicht zu viel werden zu lassen.

Der Höhenregler entspricht mit 6,5 kHz der „klassischen“ Einsatzfrequenz der Spector Tone-Pump. Nicht die luftige Glasigkeit mancher anderen Schaltung wird hier bearbeitet, sondern ein Bereich in dem sich viele Spielgeräusche tummeln. Der Ton wird noch lebendiger, Spiel- und Fingergeräusche werden in den Vordergrund geholt, oder bei Absenkungen zugunsten eines glatteren Klangs unterdrückt. Bei entsprechender Spielweise geht es so aggressiv zur Sache, reichlich Durchsetzungsfähigkeit ist leicht abzurufen, so wie auch dezentere, tragende Sounds kein Problem darstellen.

An Varianz im Ton mangelt es mir nicht, eventuelle alternative Pickup-Schaltungen vermisse ich nicht. Was ich allerdings auch klar feststellen muss: Die RSTs klingen nicht wie der gängige EMG/ Euro-Standard. Müssen sie auch gar nicht, die gibt es ja schon, man muss sich nur vorher darüber im Klaren sein.

Tonabnehmer des Euro 4 RST: Aguilar 4SD-D1 (Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Am Gewicht wurde gespart, der Sound bleibt schwer und groß – und anders als der bisherige Quasi-Standard. Schon dadurch sind die neuen Euro RST eine willkommene Addition zur Spector-Familie, die noch rückenfreundlicher ist als die mittlerweile ebenfalls „erleichterten“ Euro Classic und Euro LT. Im Handling fühlt man die Spector-DNA, was, gepaart mit dem hohen Tragekomfort, vor allem beim Euro 4 RST eine extrem gute Bespielbarkeit ergibt.

Die Aguilar-Pickups und -Elektronik drücken den neuen Modellen ihren eigenen Stempel auf und machen einen guten Job, wünschen würde ich mir nur ein auf den Spector angepasstes Spacing. Erleichtert ist nach dem Kauf auch die Brieftasche, ich empfinde den Preis aber als angemessen. In der Verarbeitung bekommt man, von dem kleinen Ausrutscher beim Test-Fünfer abgesehen, allerbeste Qualität.

Die Optik ist aufregend und dank der Holzauswahl immer wieder anders – man vergleiche die Testbässe mit den Fotomodellen auf der Webseite! Persönliches Antesten und Aussuchen empfohlen!

PLUS

● Sound
● Bespielbarkeit
● Optik
● Gewicht
● Pickups & Elektroniken
● Komfort
● Gigbag

MINUS

● Metallspäne an Hals-PU (Euro 5 RST)

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2023)

Produkt: Jack Bruce 1943 – 2014
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