Liebling, ich habe den Bias geschrumpft

Test: Positive Grid Bias Mini Guitar/Bass

Anzeige
Positive Grid Bias Mini Guitar Bass(Bild: Dieter Stork)

Liebling, ich habe den Bias geschrumpft… könnte der Werbeslogan der neuen Produkte von Positive Grid sein. Nach dem eher Toaster-förmigen Bias Head kommen nun mit Bias Mini Guitar und Bias Mini Bass zwei Miniaturversionen auf den Markt.

Diese verfügen über dieselbe Sound-Engine und die gleichen Möglichkeiten, per PC oder App gesteuert zu werden. Gespart wurde hingegen beim Gewicht, der Leistung und den Anschlüssen. Seit dem letzten Test ist auch die zweite Version der Software „Bias Amp“ auf den Markt gekommen, also lohnt sich ein Test gleich doppelt.

Anzeige

Konzept und Aufbau

Der Postbote klingelt und übergibt mir zwei Pakete, die so leicht sind, dass ich sie jeweils ohne Probleme mit einer Hand tragen kann. Und da sollen Amps drin sein? Tatsache! Sowohl von den Abmessungen, als auch vom Gewicht, sind die Bias Minis völlig Rucksack-tauglich. Ein bisschen zusätzlicher Schutz wäre für einen Transport sicher wegen der vorstehenden Potis wünschenswert, aber generell wirken die Amps gut verarbeitet und robust. Durch ihr Gewicht von nur rund 2,5 kg hat man in Zukunft auch keine Ausreden mehr, sein Equipment nicht mit zur Probe, bzw. wieder zurück nach Hause zu nehmen.

Im Gegensatz zum großen Bruder, dem Bias Head (oder auch dem Bias Rack) verzichtet man bei den Mini Versionen auf die Hälfte der Leistung und kommt so bei den vorliegenden Geräten auf je 300W @ 4 Ohm. Für Bassisten sind 4 Ohm nichts ungewöhnliches, als Gitarrist sollte man sich im Klaren darüber sein, dass Guitar-Cabs oft andere Impedanzen haben und daher gegebenenfalls nicht die volle Leistung zur Verfügung steht.

Konnte man beim Bias Head noch viele Sound-Charakteristiken direkt am Gerät einstellen, schrumpft das Angebot hier auf das Allerwichtigste zusammen. Ganz links finden wir den Input und einen Miniklinken-Anschluss für die Kopfhörer. Daneben liegt der Preset-Regler, mit dem man 16 verschiedene Voreinstellungen abrufen kann. Diese lassen sich nun mittels Gain, Bass, Mid, Treble und Master bearbeiten.

Positive Grid Bias Mini Guitar Bass
Bei der Bass-Variante lässt sich mittels ALT-Taster die Funktion der Mittenregelung wählen: So ergeben sich Potis für High- und Low-Mids oder für die Mitten und deren
Frequenz.
(Bild: Dieter Stork)

Für die Bassisten bietet der Middle-Regler noch das Schmankerl, auf eine alternative Funktion umgestellt werden zu können. Hier lassen sich also – je nach EQ-Topologie – Hochmitten und Tiefmitten, oder Mitten und deren Frequenz regeln. Ganz rechts am Gerät befindet sich noch ein Output-Regler, der sozusagen den „echten“ Master darstellt und mit dem man auch wählen kann, welcher Output (Speaker, Line-Out, FX-Send, Kopfhörer) geregelt werden soll.

Die Rückseite gestaltet sich ebenso spartanisch und bietet neben den Anschlüssen für Strom und einen Lautsprecher (bei der Gitarrenversion: Klinke. Beim Mini Bass: Speakon) noch FX-Send und – Return, sowie MIDI-Anschlüsse (hier als Miniklinken mit beigelegtem Adapter), einen Anschluss für einen Fußschalter und ein Line-Out. Da Positive Grid ja in erster Linie eine Software-Firma ist, darf natürlich ein USB-Anschluss nicht fehlen.

Über diesen kann man die Firmware aktualisieren oder die Presets mittels Bias Amp 2 Pro ändern. Sollte man das Gerät lieber per iOS App steuern, so nutzt man den Bluetooth-Button um das Pairing durchzuführen.

Positive Grid Bias Mini Guitar Bass(Bild: Dieter Stork)

bias amp 2 software

Da ein Großteil der Funktionalität über die Software geregelt wird, wollen wir uns diese auch genauer anschauen. Erwirbt man das Gerät, so erhält man automatisch eine Lizenz für Bias Amp 2 Pro im Wert von € 169 dazu. Diese kann auch alleinstehend genutzt werden, so ergibt sich natürlich ein netter Anreiz und man kann die Hardware vielleicht doch mal im Proberaum stehen lassen. Im Test stand mir sogar die „Elite“-Version zur Verfügung, welche einzeln € 259 kostet und sich dadurch unterscheidet, dass hier die Celestion Classic Cabs enthalten sind.

Positive Grid Bias Mini Guitar Bass

Wie beim letzten Test auch (in Ausgabe 04/2017), ist die Software leider etwas buggy. So öffnet sie sich teilweise außerhalb des sichtbaren Bereichs meines Monitors und lässt sich auch nicht verschieben. Nach einer Neu-Skalierung der Darstellung geht es dann, aber das ist natürlich immer ein wenig nervig. Zunächst möchte die Firmware des Geräts aktualisiert werden, was natürlich erfreulich ist. Leider gibt dieser Prozess keine Rückmeldung darüber, wann er fertig ist und so breche ich ihn nach ca. 15 Minuten ab. So geht es dann noch eine Weile weiter.

Sobald man das Ganze dann jedoch zum Laufen kriegt, öffnet sich einem die Welt der virtuellen Amps. Insgesamt 36 Verstärker quer durch die Musikgeschichte (Fender, Marshall, Mesa, Orange, Soldano, Diezel … ) plus die Expansion Packs für Blues und Bass (Blue Line, GK 800, British AD 20 und Super Bass) stehen einem zur Verfügung. Dazu als nettes Add-On ein Noisegate und ein Reverb.

Das Tolle an Bias ist die Detailverliebtheit, mit der man hier vorgehen kann. Preamp-Röhren von 12AX7 auf 12AU7 wechseln und Bias etwas kälter einstellen? Das Tone-Stack eines Marshalls durch das eines Hiwatts ersetzen? Mehr Sag in der Endstufe durch eine 5Y3GT Röhre im Transformer? Alles möglich und dank toller grafischer Nutzeroberfläche schnell umgesetzt. Hier werden einem auch immer kurze Hilfetexte angeboten, welche grob den zu erwartenden Sound umreißen.

Als letztes Glied der Kette kommt dann natürlich das Cab. Zu jedem Amp wird gleich eine passende Box vorgeschlagen, die man aber auch gerne und einfach tauschen kann. Insbesondere die beigelegten Celestion Cabs klingen wirklich richtig gut und werten so manche Simulation noch mal zusätzlich auf. Durch die angebotene Vielfalt und Detailtreue könnte ich mir auch gut vorstellen, dass sich hier eine erste Vorauswahl für den nächsten „echten“ Speaker-Kauf treffen lässt.

Bassisten haben indes etwas das Nachsehen und können aus nur vier Simulationen (Bass Blue, Bass Superb Six, Bass Super und Bass Superb 8) wählen. Zwei hiervon bieten sechs, die anderen beiden je acht 10“ Speaker.

Positive Grid Bias Mini Guitar Bass

bedienung und sound

Wo habe ich bloß meinen Miniklinken-Adapter für den Kopfhörer? Und ist das Gerät wirklich so klein, dass man keinen normalen Anschluss hätte verbauen können? Vielleicht ja sogar wirklich. Sei es drum, starten wir mit den Sounds an einer Box. Die acht „grünen“ Presets sind mit Clean- und Crunch-Sounds belegt, bei den acht „roten“ Einstellungen geht es deutlich härter zur Sache. Viel Spaß hat es mir hier gemacht, zunächst ohne Software zu spielen und zu versuchen herauszuhören, um welchen Amp es sich handeln könnte. Und das klappt erstaunlich gut. Ich werte das ganz klar als Anzeichen, dass die Modelle sehr gut und originalgetreu getroffen sind. So ist es deutlich, wenn man von einem Marshall auf einen Orange, oder gar auf einen Mesa wechselt.

Natürlich fragt man sich nun, was man denn mit 16 Presets an der Bass-Version des Minis soll, wenn es doch nur vier Bass-Amps im Gerät gibt. Hier kommt noch deutlicher der Software-Aspekt zum Tragen. Durch die Möglichkeiten, so vieles im Preamp, Power-Amp, Tonestack und Transformer anpassen zu können, kann man sich ja jede Menge eigene Amps bauen, die es so zuvor noch nie gegeben hat. So kombiniert man sich schnell einen Blue Line zu einem SVT II mit ordentlich Drive um, oder benutzt ganz einfach Gitarren-Preamps mit Bass-Power-Amps oder worauf auch immer man Lust hat. Natürlich kann man auch Bass-Presets auf dem Mini Guitar speichern und umgekehrt.

Hat man mal keine Idee für einen guten Sound, kriegt es selber einfach nicht hin, oder möchte sich nur ein wenig Inspiration holen, so steht einem die Bias-eigene Cloud zur Verfügung. Hier gibt es beispielsweise Amp-Matchings direkt von Positive Grid (Bogner, Orange, Fryette) oder auch anderen Usern.

resümee

Positive Grid geht hier einen interessanten Weg und verbindet umfangreiches Modeling mit der einfachen Bedienung eines klassischen Amps. Durch die Fußschalter- und MIDI-Buchsen, sowie die eingebaute Endstufe, sind die beiden Mini-Tops voll Gig-tauglich und lassen sich dennoch ebenso einfach bedienen wie jeder beliebige klassische Amp. Die App ist leider an diversen Stellen buggy, lässt sich aber mit etwas Geduld dennoch bedienen und liefert dann tolle Resultate. Insbesondere die Komplexität unter der Haube lässt das Spielkind-Herz höher schlagen. Alle, die es einfacher mögen, kriegen tolle Voreinstellungen geliefert.

Zu diesem Preis erhält man ein sehr faires Angebot, insbesondere wenn man bedenkt, dass die Software auch ohne Gerät zu nutzen ist. Alle die lieber mehr direkt am Top einstellen wollen, können auch gerne zum großen Bruder, dem Bias Head oder Bias Rack greifen. Hier wird einem noch mehr Power für gar nicht mal so viel mehr Geld geboten. Wenn Positive Grid noch etwas an der Software arbeitet, haben sie hier ein tolles Paket mit sinnvollen Features geschnürt.

PLUS
• Gewicht/Größe
• Minimalismus
• Sounds
MINUS
• App mit Bugs
• Miniklinke als Kopfhörbuchse

Positive Grid Bias Mini Guitar Bass

Produkt: Kemper Amp Special
Kemper Amp Special
Der große Kemper Amp Testbericht! Kemper Amp – High-Tech in neuer Evolutionsstufe

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Das könnte dich auch interessieren