Analoge Problemlösung

Test: Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor (+ Combo)

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(Bild: Dieter Stork)

Schon gut ein Jahr ist es her, dass Hughes & Kettner den Black Spirit 200 als Topteil veröffentlicht haben und nun gibt es gleich zweifachen Zuwachs in der Produktfamilie, wobei vor allem die Floor-Variante aufhorchen lässt und analoge Klangerzeugung mit digitaler Steuerung und Speicheroptionen, Effekten, MIDI, Red Box und Endstufe im Pedalboard-Format liefert.

Zunächst haben es sich die Saarländer natürlich nicht nehmen lassen, den Verstärker auch als 1x12er Combo mit Thiele-Small-Gehäuse und bestückt mit einem Celestion G12H-75 Creamback anzubieten.

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Zudem wurde allerdings gerade auf dem Guitar Summit in Mannheim der uns ebenfalls zum Test vorliegende Black Spirit 200 Floor – als Amp im Pedalboard – vom Stapel gelassen.

Herzstück der Hughes & Kettner Black Spirit Verstärker ist neben der auf Halbleitern basierenden vier-kanaligen „Bionic Tone Generator“-Schaltung und den auch via iPad und Android Handy per Bluetooth steuerbaren, digitalen Speicher-Kontroll- und Effektoptionen, vor allem eine leichte, aber dennoch kräftige Class-D Endstufe mit speziell für Gitarristen entwickeltem, regelbarem „Sagging“ – zu Deutsch Sättigungs-Regelung.

Beim neu zur Produktfamilie hinzugekommenen 1x12er Combo ändert sich im Vergleich zum bereits bekannten und von uns getesteten (Ausgabe 11/2018) Topteil nicht viel und daher wird dieser Testbericht sich eingehend mit dem Black Spirit 200 Floor und einer kleinen, aber feinen konzeptionellen Erweiterung des Neulings beschäftigen.

Hands on

Schon beim Auspacken des Black Spirit 200 wird klar, dass wir es hier mit einem Sonderling unter den Multi-FX-artigen Floorboards zu tun haben. Mit 4,1 Kilo wiegt der Hughes & Kettner schon auffällig mehr als so manch alt hergebrachtes, digitales Effektgerät und auch die Dimensionierungen des Black Spirit Floor sind mit 450 x 70 x 255 mm nicht gerade als überraschend kompakt zu bezeichnen, sondern eher als „erwachsen“.

Diese Kiste verstaut man leider nicht mal so eben in der Fronttasche des Gitarren-Gigbags – das wird nicht passen und ganz ohne Transportschutz sollte man den Black Spirit lieber nicht mitführen, denn leider hat sich an der schon im vergangenen Testbericht (Ausgabe 03/2019) zum Hughes & Kettner Black Spirit 200 Topteil kritisierten „einfachen“ Verarbeitung der Taster und Regler nichts geändert. Zwar regeln die Potis alle sehr gleichmäßig, dennoch leidet die Haptik beim Bedienen der Regler und Taster des Floorboards unter der Verarbeitung.

Bei solch biegsamen Potiachsen und leicht wackeligen Drucktastern ist leider auch das Vertrauen darauf, dass der Black Spirit, der ja nun mal auf dem Bühnenboden liegen soll und dort unweigerlich – auch mal aus Versehen und im Eifer des Gefechts – Tritten und Stößen ausgesetzt sein könnte, diese mechanischen Belastungen langfristig unbeschadet überstehend wird, eher religiöser Natur. Gerade der Drehschalter zur Auswahl der vier Kanäle des Verstärkers könnte sich hier zu einem echten Problemfall entwickeln.

Da der Straßenpreis des Black Spirit 200 Floor noch im dreistelligen Bereich liegt, ist meine Kritik an der Verarbeitung als „Meckern auf hohem Niveau“ zu verstehen, dennoch gibt es hier leider Punktabzug in der B-Note.

(Bild: Dieter Stork)

Bedienelemente

Selbstverständlich ist der Black Spirit 200 als vierkanaliger Verstärker mit einem typischen Kanalzug mit Gain, Channel-Volume und Master-Volume, Treble-, Middle- und Bass-Reglern, sowie Presence und Resonance-Potis für die Endstufe, als auch einem Noise-Gate-Threshold-Regler ausgestattet, und über den schon zuvor erwähnten Vierfach-Drehschalter lassen sich die Kanäle – namentlich Clean, Crunch, Lead und Ultra auswählen.

Eine echte Besonderheit des Black Spirit ist der zusätzliche Sagging-Drehschalter. Hier lässt sich die Kompression, die durch Wechselwirkungen sowohl der verschiedenen Gainstages der Vorstufe als auch der Endstufe entsteht, und somit auch das Spielgefühl des Verstärkers in acht Stufen zwischen „weich und schmierig“ bis hin zu „druckvoll, direkt und tight“ einstellen.

Um das Layout des Verstärkers nicht mit zu vielen Reglern zu überfrachten, haben die Produktentwickler bei Hughes & Kettner vielen Potis eine doppelte Funktion zugeordnet und mit Aktivierung des FX-Access-Tasters lassen sich somit die Effekte wie auch die halb analoge, halb digitale Boxensimulation bedienen.

Entweder Chorus, Flanger, Phaser oder Tremolo als Modulationseffekt, sowie zusätzlich Delay, Reverb und acht verschiedene Simulationen von Lautsprecherboxen stehen zur Auswahl.

Weiterhin stehen ein nicht regelbarer, aber pragmatisch ab Werk abgestimmter und somit gut nutzbarer Gain-Boost, zwei schaltbare serielle Einschleifwege, die sich noch vor dem Boost im Signalweg befinden, und ein serieller Einschleifweg nach der Vorstufe zur Verfügung.

Alle bisher genannten Funktionen bis auf das globale Master-Volume-Poti, sind speicherbar auf einem der 128 Speicherplätze und diese sind wiederum komfortabel über die sieben Fußtaster an der Frontseite des Black Spirit 200 Floor anwählbar.

Der Abruf von Presets kann in drei Betriebsmodi erfolgen. Im sogenannten „Preset Modus“ stehen 32 Bänke à 4 Presets zur Anwahl durch die Bank Up/Down Taster und die Preset Taster A,B,C und D. Zudem steht in diesem Modus ein Tap-Tempo-Taster zur Beeinflussung der Delay-Zeit bereit.

Der „Dircet 7“-Modus macht, was der Name verspricht: Hier können sieben Lieblings-Presets aus den 128 Speicherplätzen auf die sieben Taster verteilt werden und dann direkt ausgewählt werden.

Im dritten, dem „Stompbox Modus“, aktivieren die ersten vier Taster die Kanäle eins bis vier, die anderen drei Taster schalten Delay, Modulationseffekte und den Boost an und aus.

Praxis

Generell orientieren sich bei den Black-Spirit-Produkten die Grund-Sounds der vier Kanäle sowie auch die klangliche Abstimmung der Effekte sehr an der schon seit einigen Jahren erhältlichen Tube-Meister-und Grand-Meister-Serie. Daher teste ich den Floor zunächst mit einer 52er Telecaster und einer PRS Custom 24 neuester Bauart an einer traditionellen 4x12er Box mit Celestion Vintage 30.

Die typischen Clean- und Crunch-Kanal-Low-Gain-Klänge funktionieren so auch in Ultraleichtbauweise mit Halbleitern überraschend authentisch und stehen eigentlich dem Grand-Meister oder Tube-Meister in nichts nach. In den Disziplinen Funk, Soul, Classic Rock und Pop klingt der Black Spirit 200 Floor überraschend musikalisch, ist vielseitig und facettenreich und auch gut über Tonabnehmer-Wahlschalter sowie Volume- und Tone-Potis der Gitarre zu beeinflussen. Der eingebaute Boost verrichtet seinen Job ebenfalls tadellos und mit ein wenig Routine dürften sich hier jede Menge unterschiedliche, aber qualitativ hochwertige Sounds finden und dann als Presets abspeichern lassen.

In den Lead- und Ultra-Kanälen merkt man jedoch, dass die Halbleiterschaltung des Black Spirit 200 nicht ganz die feine Auflösung bei hoher Frequenzbandbreite liefern kann, wie eine ähnlich abgestimmte Röhrenvorstufe. Eine allzu großzügige Nutzung der Gain-Reserven im Lead- oder Ultra-Kanal oder gar des vorgeschalteten Boosts, mündet hier sehr schnell in einem schmalen, dosig, belegt klingenden Sound-Brei. Gerade bei höherem Gain mischt sich jedoch der achtstufige Sag-Drehregler stärker in das Klanggeschehen ein und liefert somit mehr als nur eine Handvoll Alternativen in der Ansprache der Kanäle.

Professionell betrachtet sind diese High-Gain-Kanäle daher durchaus als nutzbar zu bewerten, es fällt jedoch auf, dass der Black Spirit dem Nutzer schon etwas Geschick abverlangt, damit auch Rock- und Metal-Sounds plausibel klingen und im Band-Kontext nicht völlig von Bass, Snare, Hihat und Kickdrum maskiert werden. Eine völlig andere Erfahrung ist es jedoch, den Black Spirit 200 Floor an einen passiven Bühnenmonitor anzuschließen und die eingebaute Redbox AE+ zur Emulation der Lautsprecherbox zu nutzen.

Den Entwicklern bei Hughes & Kettner war es einerseits sehr wichtig, den Black Spirit Amps eine deutlich anders, nämlich weicher und übergangsloser, komprimierende Endstufe einzubauen, als man es von reinen PA-Endstufen kennen würde, die ihrerseits bei hohen Pegelspitzen im Transienten knüppelhart und knacksend in den Einsatzbereich des Limiters gehen würden um einer Überlastung vorzubeugen. Und zudem ist die hauseigene, immer wieder weiter verfeinerte Red Box in der aktuellsten Variante „AE+“ mit nach wie vor analoger Speaker-Simulation, aber zusätzlich digital hinzugemischten Frühreflektionen eine wirklich überzeugend klingende Alternative zum derzeitigen digitalen Standard – nämlich der Lautsprechersimulation durch eine Impulsantwort.

(Bild: Dieter Stork)

Was zuvor gerade in den High-Gain-Kanälen am Gitarrenlautsprecher noch etwas dosig klang, erweist sich nun am „Full Range Flat Response“ (kurz „frfr“) Lautsprecher als eine ganz hervorragende Abstimmung.

Ein exklusiv für den Black Spirit 200 Floor neu konzipiertes Feature ist der regelbare Monitor-In, der via XLR-Kabel direkt mit den für den eigenen Monitormix benötigten Signale gespeist wird und eben diese Signale dem eigentlichen Gitarrensignal beimischt.

Eben genau dieses Feature ist nötig, damit man den Black Spirit 200 Floor vollwertig im Verbund mit passiven Bühnenmonitoren nutzen kann und eben genau so funktioniert das Produkt wirklich überzeugend.

Zu den eingebauten Effekten lässt sich sagen, dass sie, wie man es schon von Hughes & Kettner kennt, pragmatisch gut funktionieren, was sowohl für Hall, Delay, als auch die Modulationseffekte gilt. Einzig verbleibender Kritikpunkt ist das unter Modulation auswählbare Tremolo in der Effektsektion. Hier kann man einfach kein normal klingendes, klassisches 65er-Deluxe-artiges Tremolo finden, sondern muss mit einer recht sonderbar nach Rotary Speaker klingenden Variante leben.

Allerdings funktionieren die beiden eingangsseitigen und auch der serielle Effekteinschleifweg tadellos und nebengeräuschfrei. Da alle drei Loops zudem auch noch innerhalb der Presets als aktiviert oder deaktiviert abgespeichert werden können, ist die Integration der eigenen Lieblingseffektpedale in das Setup überhaupt kein Problem.

Der Combo

Zu dem zeitnah vor dem Black Spirit 200 Floor erschienenen 1x12er Combo sei hier angemerkt, dass es sich technisch tatsächlich mehr oder weniger um das Black Spirit 200 Topteil, eingebettet in ein vorzüglich verarbeitetes, nach Thiele-Small-Parametern konzipiertes Gehäuse mit geschlossener Rückseite handelt. Der vom Hersteller gewählte Celestion G12H-75 Creamback ist sicherlich aufgrund seiner recht attackreichen, präzisen Wiedergabe, nicht jedermanns erste Wahl; gerade in diesem Thiele-Small-Gehäuse, ergibt der Creamback wirklich Sinn, denn gerade die Tiefmitten werden konstruktionsbedingt etwas stärker betont, als bei konventionellen Open-Back-Combo-Gehäusen und insgesamt ergibt sich somit ein musikalisch nutzbarer Grund-Sound auf höchstem Niveau. Wie auch schon beim Black Spirit 200 Head, kommt auch der Combo ohne den regelbaren „Monitor-In“ aus.

Alternativen

Die wohl naheliegenden Alternativen zu den Hughes-&-Kettner-Black-Spirit-200-Produkten kommen beide aus dem Hause BluGuitar. Für den eher Blues, Classic Rock oder Hard Rock spielenden Gitarristen empfiehlt es sich hier einen Blick auf den Amp 1 Mercury Edition zu werfen, wer es eher modern, tight und aufgeräumt klingen lässt, wird beim Amp 1 Iridium Edition fündig. Beide Produkte bieten zu vergleichsweise etwas geringeren Anschaffungspreisen ähnliche Basisfeatures wie der Black Spirit 200 Floor, sind klanglich mindestens auf Augenhöhe und sehr viel kleiner und leichter.

Sofern man bereit ist, etwas mehr Geld zu investieren, ist sicherlich auch ein Kemper Profiling Amp mit eingebauter Endstufe eine hochwertige verarbeitete, aber eben auch knapp dreimal so teure Option. Auch ein Modeler aus der Line-6-Helix-Produktgruppe oder ein Fractal Audio FM3 können im Zusammenspiel mit einer externen Endstufe echte Alternativen zum Black Spirit 200 Floor sein.

Resümee

Hughes & Kettner schafft es, mit dem Black Spirit 200 Floor, den Brückenschlag aus analogem Gitarrenverstärker, Multieffekt, Signal-Routing-Looper- und MIDI-Board zu einem sehr fairen Preis anzubieten. Die Möglichkeit, sowohl mit einer traditionellen Gitarrenbox, als auch mit einem aktiven oder sogar passiven Bühnenmonitor spielen zu können, ist so konsequent von bisher keinem Mitbewerber umgesetzt worden.

PLUS

  • „All in one“-Lösung
  • Flexibilität und Dynamik der Amp-Sounds an einer Monitorbox
  • auch mit passivem Bühnenmonitor nutzbar
  • drei schaltbare, speicherbare FX Loops
  • MIDI tauglich

MINUS

  • sehr spezieller Tremolo-Klang
  • Verarbeitung nicht restlos überzeugend

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)

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