Brass in Pocket?

Test: Fender Chrissie Hynde Telecaster

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(Bild: Dieter Stork)

Schon bald nach Gründung ihrer Band The Pretenders sah man Chrissie Hynde mit jener blauen Telecaster auf der Bühne stehen, der sie bis heute die Treue hält. Im Jubiläumsjahr hat Fender der legendären Frontfrau jetzt ein Signature-Modell auf Grundlage ihrer legendären 1965er Tele gewidmet.

Die in Akron/Ohio geborene amerikanische Rocksängerin Chrissie Hynde wurde mit ihrer 1978 gegründeten Band The Pretenders quasi über Nacht berühmt. Bereits das erste Album der Gruppe stieg zu einem Klassiker der Rockgeschichte auf. Hynde kaufte ihre geliebte Telecaster vor 40 Jahren in New York. Das aktuelle Remake mit Erlenbody und Ahorn/Palisander-Hals hält sich eng an das Mitt-60er-Vorbild. Ein authentisches Aging und das verchromte Spiegel-Pickguard sorgen für die optische Annäherung.

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Chrissie, die unbedingt wollte, dass dieses Modell so originalgetreu wie möglich ist, sagt: „Mein Gitarrentechniker David Crubly hat mich davon überzeugt, eine Fender Signature Telecaster auf den Markt zu bringen, indem er mir sagte, dass es mehr Leute dazu ermutigen könnte, sich für Bands und Musik zu interessieren. Ich hoffe, dass das stimmt, und ich weiß, dass diejenigen die das tun, es nicht bereuen werden.“

STOP YOUR SOBBING

The Pretenders waren prägender Bestandteil des Stils und des Sounds der 80er-Jahre. Vorneweg die coole Chrissie mit ihrer blauen 1965er Telecaster. Wie dieses charakteristische Modell verfügt auch die Signature-Ausführung über einen Korpus aus Erle von 45 mm Stärke. Aktuell wurde der Body in ein annähernd authentisches Ice Blue Metallic mit Road-Worn-Finish gekleidet. Dem silbrig schillernden Nitrolack hat man dezente Altersrisse künstlich beigebracht.

Der über eine Neckplate (mit eingekratzter CH-Prägung) aufgeschraubte Hals aus Ahorn mit Griffbrett aus Palisander verfügt über ein Mid-60s-C-Profil. Der Griffbrettradius von 7,25″ folgt, wie die Verwendung von 21 schlanken Vintage-Tall-Bünden auch, der Mitt-60er-Bauweise. White-Perloid-Dot-Inlays markieren die Lagen. Der parallel herausgeführte Kopf mit Spaghetti-Logo ist mit Vintage-Style-Locking-Tunern ausgestattet; so viel praxisorientierte Moderne darf sein.

Strings-thru-body Tele-Bridge mit sechs Einzelreitern aus Stainless Steel (Bild: Dieter Stork)

Im verspiegelten Chrom-Pickguard – ebenfalls einem Aging unterzogen, und auch den durch Chrissies jahrelanges Strumming entstandenen blassen Fleck vergaß man dabei nicht – finden wir in der Halsposition einen Fender Vintage-Style ’50s Singlecoil Tele Pickup und als dessen Gegenpart einen offenen Vintage-Style ’50s Tele Pickup auf der Strings-thru-body-Tele-Bridge mit sechs individuellen Stainless Steel Saddles. Die ursprünglich dreiteiligen Saitenreiter beim Originalmodell hatte Hynde schon bald nach Anschaffung gegen einzeln justierbare getauscht.

Der Rest der Elektrik umfasst ganz geheimnislos einen Dreiwegeschalter zur Anwahl der Pickups (mit schwarzem Strat Switch Tip) und generelle Volume- und Tone-Regler – simpel und traditionell! Geliefert wird das sauber in Mexiko gefertigte Signature-Modell – da gibt es nichts zu schluchzen – in einem Gigbag.

Vintage-Style ’50s Singlecoil Tele Pickups auf verspiegeltem Pickguard (Bild: Dieter Stork)

DON’T GET ME WRONG

Die Chrissie Hynde Telecaster ist erst mal auch nur eine Telecaster. Versteht mich nicht falsch, eine gute Tele ist eine gute Tele! Die alte kleine Brettgitarre, im Grunde profan konstruiert, hat also immer noch nichts von ihrer rudimentären Symbol- und Strahlkraft verloren, Eigenschaften, die natürlich auch diesem professionell nachempfundenen Hynde-Signature-Modell zu eigen sind. Trotz des unkonturierten Bodys fühlt sich so eine Tele ja keineswegs unkomfortabel an, eher stellt sich ein Gefühl von Vertrautheit unmittelbar ein.

Wesentlicher ist da schon die Frage nach dem Halsprofil und der Bundierung. Der Halszuschnitt der Chrissie Hynde mit bemerkenswert fluffigem Mid-’60s-C-Profil – knapp 42 mm Sattelbreite, nicht zu dick, aber gut verrundet ausgebaut – wird vielen Spielern gefallen. Auch sind die schlanken Vintage-Tall-Bünde im rundlichen Griffbrettradius von 7,25″ keineswegs so hoch, wie der Name suggeriert. Das Spiel geht dank tadellos eingestellter Saitenlage einfach leicht und locker von der Hand.

Die Gitarre zeigt ihr akustisches Potential mit offen abrollenden Akkorden und absolut lobenswerten Schwingeigenschaften. Klar definiert, aber bei Mehrklängen auch harmonisch geschlossen im Ausdruck und mit über alle Lagen hinweg ausgeglichen lang anhaltendem Sustain gesegnet, erfüllt die Kandidatin die in sie gesetzten Erwartungen mit Auszeichnung.

Bezüglich der Pickups lässt sich sagen, dass diese Tonabnehmer den klassischen Tele-Vintage-Ton liefern: Der Hals-Pickup überzeugt mit knackig runder Tonumsetzung von erfreulichem Tiefgang. Obwohl sonor und voll, zeigen die zugleich kernigen Bässe doch bemerkenswert stramme Kontur. Akkorde federn leicht vom Griffbrett und rollen über griffige Mitten und freie Höhen mit einer schönen Transparenz aus. In Overdrive-Positionen bleibt der Bassbereich ebenfalls recht kompakt, sorgt für guten Schub ohne Mulm, legt festes Fundament. Linienspiel profitiert von der perkussiv markanten Darstellung von durchaus vokaler Kraft. Damit ist bei erfreulich leichter Tonentfaltung gut Singen!

Wechseln wir auf den Steg-Pickup, so springt der Ton dynamisch vor, wird schneidender, zeigt aufreizenden Biss. Bei klar eingestelltem Amp lässt sich darüber knochentrocken glitzerndes Rhythmusspiel präzise inszenieren. Chords kommen wie angespitzt. Den klassischen Tele-Twang mit bemerkenswert aggressiver Präsenz erzielen wir dann in etwas heftigeren Settings. Die Powerchords pressen sich quiekend aus den Speakern. Da ist dem Spieler von leicht aufmüpfiger Haudraufattitüde bis hin zur brutalen Perforation des Trommelfells das willige Besteck an die Hand gegeben. Sehr schön, diese abgefeimte Giftigkeit!

Kombi-Sound? Wie immer bei der Tele klingeln die zusammengeschalteten Pickups auch in der Chrissie-Hynde-Ausführung sehr schön glockig und offen. Dieses leicht glasige im silbrigen Ton macht sich freilich auch in Crunch-Einstellungen einfach gut: Keef lässt grüßen!

 

RESÜMEE

Die stimmig reproduzierte Chrissie Hynde Telecaster ist unbedingt mehr, als nur eine optisch gelungene Anlehnung an die originale 1965er Tele der The-Pretenders-Frontfrau. Schönes mittleres Halsprofil, lockere Handhabung und die auf das Vorbildmodell ausgerichteten Pickups sorgen für das der Telecaster eigene authentische Lebensgefühl. Tele-Spieler kennen das und nur wenige davon pflegen auch eine Beziehung zur Humbucker-Welt. Alles gesagt?

Okay: ‚I go to Sleep‘ – aber bevor ich mich jetzt wieder hinlege: Klassische Tele-Sounds clean oder mit Chorus, wie in ‚Precious‘ und ‚Private Live‘, oder auch mit knarzigem Brett wie bei ‚The Phone Call‘ sind mit Chrissies Tele jedenfalls sehr leicht zu realisieren. Die Gitarre lässt sich aber durchaus auch gern auf andere Genres und Spielweisen ein. Wie schon gesagt: eine gute Tele ist eine gute Tele und das Chrissie-Hynde-Signature-Modell erfüllt in diesem Sinne auch hohe Erwartungen. Dank der Herstellung in Mexiko ist dann auch noch der verlangte Preis als erfreulich günstig zu werten!

PLUS

● gut gemachtes Remake
● dezente Relic-Optik
● Schwingverhalten
● Pickups
● scharfe Sounds
● Halsprofil
● Handhabung, Spielbereitschaft
● tadellose Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2021)

Produkt: Fender Sonderausgabe
Fender Sonderausgabe
Das FENDER-SONDERHEFT von GITARRE & BASS mit Stories, Workshops und Testberichten rund um das legendäre Instrument.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Also,mal wieder eine Signature Gitarre mit extra beigefügten Kratzern und anderen diversen Fake Abnutzungserscheinungen zu einem Kaufpreis von rund 1.400,- €uro inklusive eines Deluxe Gigbags.Ich frage mich ernsthaft,wer so etwas wirklich braucht? Mag ja gut sein,daß Chrissie Hynde rein zufällig ein ähnliches Fender Telecaster Gitarrenmodell während ihrer ersten musikalischen Erfolge besaß,und nun so naiv ist,zu glauben,daß ausgerechnet dieses besagte Tele-Modell aus mexikanischer Fertigung ihren Fans unbedingt gut gefallen wird.Aber das „lustigste“ an diesem extrem lobhudelnden Bericht ist das folgende Zitat: „…sehr schön,diese a b g e f e i m t e Giftigkeit“.So etwas hatte ich bislang zuvor noch nie gelesen.Interessant,was es so alles an „völlig neuartig-modernen“ Wortspielereien gibt.Zugegeben,eureTestberichte sind manchmal schon recht „gewöhnungsbedürftig“.Ich hingegen,bin schon mit einer einfachen Standard Tele vollends zufrieden,die weder absichtlich zugefügte Beschädigungen ab Werk besitzt,und für unter 1.000,-€uro bei meinem Gitarrenhändler direkt vor Ort zu haben war.Schöne Lesergrüße.

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  2. Die 3 ursprünglichen Saitenreiter kann sie nicht einfach gegen 6 Einzelreiter ausgetauscht haben. Da wird dann wohl eine neue Grundplatte nötig gewesen sein. Ansonsten müssten neue Löcher für die Gewindeschrauben gebohrt werden, was hässlich aussehen würde.

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    1. Vielleicht kann sich eine Pop – Millionärin auch einfach einen fachmännischen Umbau leisten, der nicht zu erkennen ist. Ein ordentlicher Gitarrenbauer ist dazu wohl in der Lage. Auf nahezu allen Bildern ist Chrissie mit einer Telecaster zu sehen, die sechs Einzelreiter besitzt.

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  3. Ein „synthetischer Knochen“ für den Sattel,ist ja faktisch überhaupt kein echter Knochen,sondern aus einfachem Kunststoff gefertigt,aber erstere Betitelung klingt wohl nicht gar so billig.Zu viele Signature Telecaster werden hier in Abständen vorgestellt,die in Wahrheit kein Mensch braucht,denn eine günstigere Standard Tele ohne diesen ganzen unnötigen „Signature Hype“ klingt auch nicht schlechter! Daran wird eine Chrissie Hynde ebenfalls absolut nichts ändern können.Und Schrammen bekommt die Tele durch den normalen Gebrauch sowieso irgendwann,das braucht man nicht extra bezahlen,das wäre unsinnig.

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  4. Sie braucht ja nur eine G&L Bridge genommen haben!

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