Fliegengewicht

Röhren-Amp: König Blue Note

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Ein paar Jahre ist es jetzt schon her, 2012 war es, als ein seltsam-riesiges Sechskanal-Topteil in der Redaktion Aufruhr machte. Eruption hieß das edle Stück, made by „Preuß´n König“. Besonders Merkmal: Eintaktendstufe mit satten 100 Watt! Der Amp-Dino ist mittlerweile Geschichte. Der Blue Note schlägt nun in eine ganz andere Richtung. Ein geringes Gewicht von nur ca. zwölf Kilogramm, kompakte Abmessungen, zwei Kanäle plus ein paar Extras, das ist genau der Stoff, den viele in ihrem Gitarristen-Alltag wünschen und brauchen.

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Preuß’n König lautete der Markenname damals. Eben weil die Macher so hießen, Gunnar Preuß und Harald König. Harald König firmiert inzwischen (wieder) allein unter dem Namen mSW König („mobile Sound Werkstatt“). Als ausgebildeter Radio- und Fernsehtechniker führt er sein Service-Unternehmen für Musikelektronik bereits seit über 20 Jahren. Daneben entwickelt er schon seit Längerem eigene Produkte, u. a. HiFi-Röhrenkomponenten. Interessant für Gitarristen: Neben dem hier vorgestellten Combo/Verstärker ist ein Switcher im Programm, mit dem man vier Amps und zwei Cabinet-Anschlüsse nach Wunsch wechselweise kombiniert in Betrieb nehmen kann (Amp Switcher 4/2, ca. € 469).

Dass der Eruption sich nicht langfristig auf dem Markt würde behaupten können, war eigentlich abzusehen. Obwohl grundsätzlich höchst leistungsfähig, schreckte sicher viele potentielle Interessenten das hohe Gewicht von ca. 33 kg ab. Und für einen solchen Exoten, dessen Wiederverkaufswert schwer abzuschätzen ist, mehr als € 4000 auf den Tisch zu legen, traut sich auch nicht jeder. Harald König ist letzten Endes vielleicht auch gar nicht böse darum, denn der Verstärker war sehr aufwendig in der Fertigung. Der Blue Note schlägt nun, wie oben angedeutet, in eine ganz andere Richtung. Ein geringes Gewicht von nur ca. zwölf Kilogramm, kompakte Abmessungen, zwei Kanäle plus ein paar Extras, das ist genau der Stoff, den viele in ihrem Gitarristen- Alltag wünschen und brauchen.

Solide Substanz

Das Konzept, die Ausstattung ist gewissermaßen Standard für einen auf Vielseitigkeit und hohe Tonkultur ausgerichteten Mehrzweck-Combo. Der gesamte Signalweg ist puristisch in Röhrentechnik gehalten, der integrierte Hall wird von einem digitalen Modul erzeugt, was puristisch veranlagte Gemüter nicht stören sollte, denn der Effektanteil wird ja nur hinzugemischt.

Standard-Ausstattung, Amp-Chassis aus Aluminium (Bild: Dieter Stork)

An der Rückseite sind die Anschlüsse eines seriellen Effektweges zugänglich, eine Buchse für externe Lautsprecherboxen, ein Line-Out bietet das abgeschwächte Signal des Lautsprecherausgangs an. Außerdem befindet sich hier die Footswitch-Buchse, an die der mitgelieferte Zweifach-Fußschalter angeschlossen wird. Das Pedal selbst ist solide, hat aber keine LEDs oder ähnliches als Statusanzeige. Mit nur ca. 3,4 m Länge ist auch das Kabel nicht optimal für die Praxis. Soweit, so normal. Im Detail zeigen sich jedoch spezielle Eigenschaften – hätte mich auch gewundert, wenn Herr König nicht auch dieses Mal mit Innovationsgeist an sein Projekt herangegangen wäre. Ein entscheidendes Merkmal ist in dem Zusammenhang das Tone/Drive-Poti im Channel 2, das auf den Charakter der Verzerrungen Einfluss nimmt.

(Bild: Dieter Stork)

Ungewöhnlich ist auch, dass in beiden Kanälen der Mittenregler so funktioniert, dass, je weiter man ihn aufdreht, die Wirkung der anderen beiden Bereiche schwächer wird. Weiteren Einfluss auf das Sound- Geschehen üben die in beiden Kanälen vorhandenen Schalter Tone und Deep aus. Zu guter Letzt erlaubt der Boost- Schalter die Signalverstärkung ganz vorne im Signalweg grundsätzlich anzuheben. Mit Ausnahme des eben erwähnten Tone/Drive-Potis ist die Ausstattung der Kanäle identisch, d. h. beide haben ein Gain-Poti und einen Volume-Regler. Dass sich Harald König wirklich bis ins Detail Gedanken gemacht hat, wie so ein Combo optimiert werden kann, beweist eine eigentlich simple Vorrichtung an der Rückseite. Die untere schmale Rückwandplatte ist an zwei Leisten befestigt die ausgeklappt werden können. Zwei große Flügelmuttern fixieren den Klappbügel. So kann der Combo mit einer Neigung von ca. 45° aufgestellt werden – kleine Ursache, große Wirkung, geschickt! Mal sehen, wie schnell diese Konstruktion Nachahmer findet. Generös fiel die Wahl beim Lautsprecher auf ein teures Alnico-Modell aus Jensens Jet-Serie, der P 12/100 BB, auch Blackbird- Jet genannt (kostet im Einzelhandel ca. € 230).

Gravierte Frontblende (Bild: Dieter Stork)

Ein Combo mit Vollröhrenverstärker in dieser doch schon recht aufwendige Ausstattung für € 1500, da fragt man sich natürlich, ob die Substanz nicht teilweise aus Asien stammt. Aber nein, Harald König betont, dass der Blue Note wirklich komplett in Deutschland hergestellt wird. Ja, es sind sogar lokale Berliner Firmen, die als Zulieferer fungieren. Wenn man sich das Produkt im Detail ansieht, fallen auch keinerlei Sparmaßnahmen auf. Im Gegenteil: Substanz und Machart können eindeutig mit sogar teureren Boutique- Produkten mithalten. Schön für die Anmutung des Combo ist zum Beispiel, dass die Frontplatte nicht bedruckt ist, sondern die Beschriftung graviert/geätzt wird. Wie inzwischen weit verbreitet bei anspruchsvolleren Produkten, ist das Chassis aus Aluminium gefertigt. Im Inneren befindet sich eine große Platine, die (kostendämpfend) mehr oder weniger alle Bauelemente aufnimmt, inklusive der Röhrenfassungen – allerdings bestückt und gelötet von Hand. Die Trafos (Ringkern streufeldarm im Netzteil) liefert die süddeutsche Tauscher Transformatoren GmbH.

… mit Charakter

Meist charakterisieren und positionieren Amp-Marken ihre Produkte mit vergleichenden Aussagen. Häufig werden dabei Verbindungen zu anerkannten klassischen Vintage-Amps/Combos geknüpft. Harald König tut nichts von dem, sondern spricht lediglich davon, dass der Combo im Ton „sehr durchsetzungsfähig, dynamisch und transparent“ sein soll. Okay, ob das stimmt, und was da sehr dynamisch sein soll, werden wir gleich wissen. Man kann sagen, dass sich die meisten Hersteller aktuell beim Sound-Design des Clean-Kanals nach Kraft und Volumen strecken, wobei oft imaginär Blackface- Fender-Amps oder der (bis zum Erbrechen zitierte) Dumble-Overdrive Pate stehen.

Solchermaßen eingegrenzte Idealvorstellungen bauen natürlich ein gewisses Maß an Ähnlichkeit und Gleichförmigkeit auf. Deutliche Unterschiede tun sich jedoch auf, wenn die Ansprache des Amps und die Wirkungsweise der Klangregelung untersucht werden. Ist die Ansprache betont stramm, ungnädig, ehrlich? Oder schmeichelt der Amp dem Spieler bzw. sucht einen Kompromiss zwischen den beiden Welten? Nun, der Blue Note gehört zu dieser letzteren Fraktion, die zwar mit der Lupe nach den Feinheiten im Spiel und tonalen Eigenheiten des Instruments sucht, aber eben doch eine komfortable Nachgiebigkeit entwickelt.

So klar und deutlich die Sound-Formung im Channel 1 ist, verbreitet sie gleichzeitig Wärme und Personality. Es hat einen charismatischen Touch, wie frisch und präzise Vintage-Strats u. ä. hier ihre Reize ausspielen können. Gitarren mit besonders kraftvoller Tonformung, nennen wir das Klischee Les Paul, kommen nicht minder positiv zur Geltung. Unter anderem weil sich schon hier im Clean-Bereich die Boost-Funktion auszahlt. Indem sie eben entweder Nachschub generiert, oder zu heiße Signale zügeln kann.

Erfreulich ist, dass der kleine Combo im Channel 1 ein sattes Bassfundament entwickelt. Der Deep-Schalter (3 Positionen inkl. Neutralstellung) assistiert bei der Dosierung des Tieffrequenzvolumens. Wahlweise tut er nur dies, breitbandig um 300 Hz die Wiedergabe zu intensivieren (Schalter nach unten), oder es erfolgt zusätzlich eine Presence-Anhebung (Schalter hoch). Der Tone-Switch bietet zwei unterschiedlich intensive Höhenanhebungen. Da nun zusätzlich die Klangregelung selbst überdurchschnittlich effektiv in das Geschehen eingreift, bieten sich im Clean- Kanal diverse markante Klangfarben. Das Aufdrehen des Mid-Reglers bewirkt im Übrigen Betonungen der höheren Mittenfrequenzen, die im Sound tendenziell eine süßlich singende Komponente zum Vorschein bringen. Das kräftige breitbandigere Zunehmen der Mittenanteile am Rechtsanschlag des Potis deutet darauf hin, dass dort das Klangregelnetzwerk aus dem Signalweg ausgeblendet bzw. abgeschaltet wird. Was auch ein Boosten des Signals mit sich bringt.

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Damit nicht genug, betätigt sich dieser Clean-Kanal nicht nur als Clean-Kanal. Da kommt auch gepflegter Crunch bis sogar Overdrive heraus. Sehr gelungen ist, wie die Röhrensättigungen sich zunächst ganz subtil in das Klangbild einschleichen. Es hört sich in dem Grenzbereich eigentlich noch clean an, bläht sich aber schon auf, bevorzugt in den oberen Mitten. Und der Kanal reagiert feinfühlig auf den Attack des Spielers.

Provoziert man intensiveren Overdrive, zeigt der Blue Note klar seine Identität. Heiseres, rauchiges Timbre, transparent, eine grobe Note in den Höhen, offensiv, füllig aber nicht fett, der Tonfall erinnert ein um das andere Mal an Fenders Tweed-Modelle und die nachfolgende Blonde/Brown-Ära. Wenn die Röhrensättigungen deutlicher werden, zeigt sich was Harald König wohl mit „sehr dynamisch“ meint. Im Overdrive sackt die Wiedergabe nicht ein, der Ton zerrt und wird kompakter, komprimiert aber wenig bis gar nicht.

Damit wissen wir auch schon viel darüber, wie sich der Channel 2 benimmt. Die Gain-Reserven liegen ungleich höher, sprich die Distortion kann sehr intensiv sein. Damit streift der Blue Note durchaus die Gain-Ebene des Hard’n’Heavy- Genres. Die Distortion ist aber nicht muskulös und „druckig“ genug, um dort völlig überzeugend zu bestehen. Selbst wenn die Verzerrungen so eingestellt sind, dass sie sehr dicht klingen, wirken die Sounds eher noch luftig und feingliedrig als mächtig. Im Höreindruck liegt indes einige Aggressivität, denn der Blue Note ist insgesamt tendenziell höhenlastig und mit einem „drängelnden“ Hochmitten-Peak abgestimmt (kommt beim Combo wegen des Alnico-Jensen prägnanter zum Vorschein als z. B. an einem Greenback). Eine Kompression, die das Sustain unterstützt, ist, wenn überhaupt, nur sehr geringfügig ausgebildet.

Wie Carlos S. mit lang ausklingenden Lead-Noten zu jonglieren, ergibt sich auf diesem Wege nicht. Der Channel 2 zeigt aber frühzeitig, bei relativ geringen Lautstärken, die Neigung, in Feedback-Obertöne umzukippen. Schön für Gitarristen, die gerne „oldschool“ mit ihrer Tonformung arbeiten. Die Variabilität des Channel 2 gewinnt ansonsten erheblich durch den Tone/Drive-Regler, der mit seiner Fähigkeit, die Verzerrungen schärfer oder weicher wirken zu lassen, durchaus eine Art Alleinstellungsmerkmal darstellt. Das lebendige, maßvoll offensive Naturell des Channel 2 empfiehlt ihn unterm Strich für gemäßigte Stilistiken. Er kommt konsequent und mit viel Kultur auf den Punkt, wenn er den Blues singen darf. Er empfiehlt sicher ferner für Pop, Fusion-Jazz, und Country-Lead-Styles, wie man sie von Brent Mason oder dem legendären Danny Gatton hört.

(Bild: Dieter Stork)

Der digitale Hall des Blue Note ist grundsätzlich qualitativ gelungen, kann die Sounds fein abrunden und wurde in den Kanälen homogen ausbalanciert. Ob er gefällt? Klar, Geschmackssache. Die Ausklingzeit ist relativ lang und nach dem Impuls einer kurz gespielten Note hört man zwei/drei Shatter-Reflexionen. Kann dem einen oder anderen, wenn er den Effekt einfach so für sich hört, etwas künstlich vorkommen. Aber Achtung, man sollte sich von so einer Situation nicht täuschen lassen! Im Kontext einer Band nimmt man den Effekt meistens anders wahr. Zum Beispiel, weil man das Shattern dann als etwas erlebt, das den Ton dicker macht.

Wenn etwas an einem Verstärker keinesfalls Geschmackssache ist, dann ist dies die Funktion eines Einschleifweges. Er sollte neutral funktionieren, den Ton nicht kolorieren und keine Probleme im Signalpegel aufwerfen. Das ist hier der Fall. Als Vorteil zahlt sich aus, dass der FX-Loop das Signal vor den Volume-Reglern des Amps auskoppelt. Pegelunterschiede lassen sich so unproblematisch angleichen. Letzte positive Meldung: Der Blue Note erzeugt in auffällig geringem Maße Nebengeräusche, zum Beispiel auch praktisch null Netzbrummen.

Alternativen

Mehrkanalige Röhrencombos mit 1×12“- Bestückung gibt es zuhauf auf dem Markt. Logisch, wo das doch eine der gefragtesten Produktgruppen sein dürfte. In dem Getümmel hebt sich der Blue Note durch sein Sound-Design ab – und durch die Tatsache, dass er über zwei wirklich separate Kanäle verfügt, während viele Mitbewerber mit einer Klangregelung auskommen müssen.

Resümee

Klein, leicht … großartig. Bei maximaler Transportfreundlichkeit bietet der Combo eine souveräne Tonentfaltung mit markantem, eigenem Charakter. Klangliche Variabilität wird groß geschrieben. Zudem erzeugt das Leichtgewicht einen respektablen Schalldruck. Auch die Verarbeitung punktet satt im Plus. Nur der Fußschalter (keine Status- LEDs, relativ kurzes Kabel) wirft einen kleinen Schatten auf das Endergebnis. So stehen sich Preis und Leistung in einem ganzen und gar vertretbaren Verhältnis gegenüber. Das gilt im Übrigen auch für das Topteil, das nur sensationelle 5,7 Kilogramm wiegt!

Plus

  • Sound, Qualität, Variabilität
  • Dynamik, Ansprache, obertonfreundlich, harmonisches Zerrverhalten
  • Ausstattung
  • sehr geringes Gewicht
  • sehr geringe Nebengeräusche
  • Verarbeitung, Qualität der Bauteile

Soundfiles

Hinweise zu den Soundfiles.

Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, für den Raumklang ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, platziert nahe vor dem Speaker des Combos.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und gemastert.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Signature Les Paul „Lee Roy Parnell“ aus Gibsons Custom Shop.

Zu den Clips gibt es wenig anzumerken, ausser: Wenn man hört wieviel Fülle in seinem Ton zu hören ist, möchte man gar nicht meinen, dass der Blue Note ein in den Abmessungen besonders kompakter Combo ist. Darin liegt eine seiner entscheidenden Stärken.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer!

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.


Aus Gitarre & Bass 06/2017

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Vielen Dank für diesen informativen Test mit aussagekräftigen und geschmackvollen Sound Samples! Ahoi, Mario Stresow

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