Power Pedal

Kammer Tiny K im Test

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Handliche Soundtools haben Hochkonjunktur? Scheint so, wie oft höre ich seit einiger Zeit von Kollegen, dass wenig rumschleppen von Gig zu Gig ein wesentliches Kriterium ist. Okay, wenn es denn so sein soll, bitteschön, hier haben wir etwas Passendes für sie: Ein zweikanaliger Verstärker nicht größer als ein Mon Cherie-Karton. Und trotzdem soll der 40 Watt abliefern.

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Kammer? Wenig bekannter Name, ja, doch Dr. Hans-Jürgen Kammer ist mit seinem Einmannbetrieb durchaus schon eine Weile im Geschäft. Seit 2013, um genau zu sein. Wie so oft, ist das Zusammentreffen zweier Passionen der Ursprung des Unternehmens. Einerseits Ingenieur, andererseits leidenschaftlicher Gitarrist, wurde es ihm mit der Zeit ein Anliegen, die elektronische Seite der Tonformung selbst in die Hand zu nehmen. Das derzeitige Endergebnis seiner Forschungen und Entwicklungen sind zwei Preamps, K1 und K2, sowie eine Monoendstufe, alle drei im 19-Zoll-Format mit einer Höheneinheit. Ja, auch die Endstufe baut so flach, obwohl sie mit zwei EL34 bestückt ist.

Kammers Produkte entstehen von Hand in Einzelanfertigung. Angesichts dessen liegen die Preise nicht allzu hoch (ca. € 399 für die Preamps, ca. € 700 für die Endstufe). Allerdings wird zurzeit nur der K2 angeboten, und das auch nur auf Anfrage, denn momentan liegt der Fokus ganz auf dem hier vorgestellten Pedal-Amp Tiny K.

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Der Verstärker ist im Grunde nicht anders konzipiert als z. B. 1×12″-Combos der Einsteigerklasse. Heißt, nur das Nötigste ist vorhanden. Zwei Sound-Sektionen-Clean und Overdrive-, eine (Gain-) Boost-Funktion mit ca. 14 dB, ein serieller Einschleifweg. Zwei Fußschalter kontrollieren den Status des Kanalwechsels und des Boosters. Fertig.

Die Sound-Kanäle können in der Gain-Intensität (Vorverstärkung) separat abgestimmt werden und teilen sich eine gemeinsame Klangregelung. Das Volume-Poti liegt hinter dem Einschleifweg und kann so bis zu einem gewissen Grad Signalpegeldifferenzen ausgleichen bzw. – wie Kammer angibt – dazu genutzt werden die Endstufe in die Sättigung hinein zu übersteuern. Die Aussage lässt aufhorchen, denn es handelt sich bei der Endstufe nicht um einen konventionellen analogen Schaltkreis, sondern um eine Class-D-Schaltung. Die Vorstufe dagegen bearbeitet die Gitarrensignale analog, natürlich, bei den Platzverhältnissen, in Halbleitertechnik, no Tubes.

So, damit haben wir die Spezifikationen bereits erfasst. Stellt sich als nächstes die Frage, wie das Projekt substantiell umgesetzt ist. Das Gehäuse ist schon einmal mechanisch stabil und wird damit seinem Einsatzweck gerecht. Das mit mattweißem Strukturlack beschichtete Oberteil ist aus Aluminium, die verzinkte Bodenplatte aus Stahlblech. Nach dem Öffnen des Tiny K sieht man erst einmal gar nichts, es guckt einem nämlich die Lötseite der Platine entgegen. Allerdings müssen nur die Muttern der Klinkenbuchsen gelöst werden und eine Stützschraube im Inneren, dann lässt sich das Printboard hochklappen und man sieht nun die Bauteile. Wie zu erwarten alles SMD-Elemente, also ICs, Widerstände etc. in Miniaturbauweise. Logisch, wenn es die nicht gäbe, wäre der Funktionsumfang auf so kleinem Raum gar nicht umsetzbar. Und obwohl ich so was ja fast täglich sehe, gibt es noch Momente, da ich mir quasi die Augen reibe und doch noch staune, dass mit so kleinen und wenigen Bauteilen eine so leistungsstarke Endstufe realisiert werden kann. Verarbeitung und Qualität der Elektronik sind absolut einwandfrei. D. h. diesen Teil der Testprüfung hat der Tiny K zur vollsten Zufriedenheit bestanden. Und noch eine erfreuliche Nachricht: Kammer gewährt drei Jahre Garantie auf das Gerät.

Kammer Tiny K -1
Nur das Nötigste vorhanden. Mehr passt halt nicht rein?

zweckmäßig

Der eine oder andere Leser hat oben wahrscheinlich schon gestutzt, als die Rede von der Zweibandklangregelung war. Kein Mid-/Mittenbereich? Nun, das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Nicht wenige Vintage-Amps, zum Beispiel aus der Brown- und der Blackface-Ära von Fender, waren auch so konzipiert und haben dennoch einen hohen Stellenwert. Wie auch Puristenverstärker aus aktueller Boutique-Produktion. Man bedenke in diesem Zusammenhang: Passive Klangfilter arbeiten in der Regel interaktiv, und zwar in einer Weise, die auch im Mittenband Erhöhungen/Absenkung der Frequenzkurve bewirken. Das trifft auch hier beim Tiny K zu, und es resultiert daraus eine für die Gegebenheiten respektable Variabilität. Absolut gesehen.

In der Praxis wird man den Bassregler vermutlich tendenziell in Nähe des Maximums stellen, denn das braucht das Pedal, um einen kraftvoll voluminösen Ton zu formen. Zumindest im Live-Einsatz ist man so gesehen nur beschränkt flexibel. Bei Recording sieht die Sache günstiger aus. Um beim Thema zu bleiben, wollen wir auch gleich die Frage klären, wie viel Kraft die Endstufe tatsächlich entwickelt. Messtechnisch, an einem 1 kHz-Signal und optimaler Ausgangsanpassung, Klangregler in der Mittelstellung, bestätigt sich die Leistungsangabe von 40 Watt.

Subjektiv bewertet, wirkt die maximale Leistung jedoch deutlich weniger laut als bei gleich spezifizierten Röhrenverstärkern. Mit dem Tiny K kommt man (ohne Monitorunterstützung) in einer Rockband nicht aus, bei Blues vielleicht gerade so. Der Haken bei der Sache ist in dem Zusammenhang vor allem, dass der Clean-Modus mit seinem Druck früh am Ende ist bzw. sein Gain-Regler eigentlich permanent weit aufgedreht sein muss. Es erweist sich außerdem als ungeschickt, dass der Overdrive-Kanal kein eigenes Mastervolume hat. Unpraktische Lautstärkesprünge beim Wechseln der Sound-Kanäle sind die Folge.

In der entscheidenden Disziplin, der Sound-Formung trumpft der Tiny K umso mehr auf. Die Clean-Sektion verstärkt die Gitarrensignale transparent ohne analytisch zu wirken. Raumgreifend, warm, schlank im Volumen, aber kompakt durchsetzungsstark. Dank des Boosts ist auch feiner, „haariger“ Overdrive möglich, der sich primär in den oberen Frequenzen ausbildet. Auch die Endstufe atmet – wie von Kammer versprochen – nahe der Vollausteuerung etwas mit.

Zum allgemeinen Wohlklang trägt vor allem bei, dass die oberen Mitten und die hohen Frequenzen tendenziell weich und unaufdringlich zu Ohren kommen. Ja, der Tiny K ist alles andere als ein Aggro-Amp. Das gilt auch für die Overdrive-Sounds. Die schlagen, wenn ich mich zur Verdeutlichung mal an gängige Klischees halten darf, mit ihrem singenden Charakter mehr und reichlich in Richtung Mesa Boogie MKIII als zu Marshalls JCM800-Modellen. Die Verzerrungen bilden sich bei Akkorden schön harmonisch aus. Gedämpft gespielte Figuren auf den Saiten E6 und A5 haben nicht gerade ultimativen Punch, drücken aber im Tongefüge doch ordentlich. Aus Leadlines macht die OD-Sektion kleine Highlights. Satt, schmatzend im Attack, gesund komprimierend, sodass sich der Spieler wohl fühlt, der Sound aber nicht indifferent wird, bieten die Verzerrungen das Potential für expressiven musikalischen Ausdruck.

Ein Delay im Einschleifweg, und die Sonne geht auf. Genau, das ist ein Stichwort, der Einschleifweg, unser letzter Prüfungspunkt. Eine 1:1-Verstärkung und ein nominaler Pegel von ungefähr -10dB, das macht ihn universell, sprich es werden auch viele Pedaleffektgeräte in diesem FX-Loop gut aufgehoben sein, ggf. sogar ein ganzes Pedalboard. Damit nicht genug, eignet sich das Send-Signal für die D.I.-Abnahme. Offenbar hat Kammer hier einen Low-Pass-Filter integriert. Die Signale sind jedenfalls in der Klangqualität dem Speakersound bei Verwendung eines Vintage 30 recht ähnlich. Das macht den Tiny K zu einem praktischen Recording-Amp.

resümee

Das Konzept des Tiny K ist verlockend. Ein Amp mit den Grundfunktionen so klein und leicht, dass er ins Gigbag passt – so etwas gibt es sonst (fast) gar nicht auf dem Markt. Die Rechnung geht insofern günstig auf, als der Tiny K mit gepflegten Soundqualitäten aufwartet und ein gesundes Maß an Variabilität bietet. Im Bereich Recording kann er diese Stärken voll ausspielen. Für den Live-Einsatz bildet leider der Lautstärkesprung zwischen den Kanälen eine gewisse Barriere.

Die Leistung der Endstufe ist beachtlich, der Tiny K kann durchaus laut sein, es reicht aber sicher nicht in allen Situationen bzw. stilistischen Anwendungen – als Minus kann und darf man dies einem solchen auf Kompaktheit ausgelegten Pedalgerät aber sicher nicht ankreiden. Im Großen und Ganzen ist das Testergebnis also positiv. Das insofern eigentlich lukrative Preis-/Leistungsverhältnis wird allerdings dadurch negativ beeinflusst, dass der Tiny K den Live-Einsatz mit dem oben genannten Lautstärkeproblem behindert/einschränkt.

Kammer Tiny K -2

Kammer Tiny K -3


Hinweise zu den Soundfiles:

Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, platziert vor einem Vintage 30/Celestion in einem konventionellen 4×12-Cabinet.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und gemastert. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuerte die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4-T.

Clips 1 bis 3: Der Clean-Kanal tönt tendenziell eher schlank als voluminös und verbindet Wärme mit Transparenz. Clip 3 zeigt, dass auch respektable OD-Sounds möglich sind.

Clips 4 bis 6: In der Distortion-Sektion entwickeln sich die Verzerrungen harmonisch, u. a. wegen der deutlichen Kompression mangelt es absolut gesehen etwas an Plastizität/Tiefe im Ton. Rein klanglich bewertet ist die Wiedergabe charakter- und ausdrucksstark.

Die Clips 7 und 8 stellen den Tiny K mit meinem Referenz-Riff (RefRiff) vor, das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den (Zerr-) Charakter der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann. 

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

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(erschienen in Gitarre & Bass 11/2017)

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