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Test: Orange Brent Hinds Terror

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Orange Brent Hints Terror
(Bild: Dieter Stork)

Tiny Terror. Der Name sagt alles. Böser Ton aus zierlicher Kiste. Ein Volltreffer, den Orange da gelandet hat. Inzwischen mutiert zu diversen Versionen. Erfolgreich seit mehr als einer Dekade. Hier nun der neueste Coup, ein Signature Modell gemacht für und mit Brent Hinds, Gitarrist bei Mastodon, einer der einflussreichsten Metal-Bands der letzten Jahre.

Die Jungs aus Atlanta/Georgia haben eben erst einen Grammy-Award eingesackt. In der Kategorie „Best Metal Performance“. Parallel dazu war ihr 2017 erschienenes Album ‚Emperor Of Sand‘ nominiert als „Best Rock Album“ – die müssten ja jetzt so richtig gute Laune haben. Ein besonderes Erkennungszeichen der Band sind die ausgedehnten Instrumental-Parts. Da werden nicht nur die dicken fetten Low-End-Power-Chords abgedrückt, sondern auch virtuose Gitarren-Parts. Mal sehen wie die beiden Extreme in Brents Terror zusammenfinden.

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analog

Orange war Vorreiter, wenn nicht gar einer der Wegbereiter, als die Industrie begann, hyperkompakte Verstärker-Topteile auf den Markt zu bringen. Wir schrieben das Jahr 2006. Kaum zu glauben, es ist schon zwölf Jahre her, dass wir dem ersten Tiny Terror im Test auf den Zahn fühlten. Ich selbst hatte das Vergnügen. Mit den geringen Abmessungen gingen/gehen logischerweise Kompromisse einher. Extrem sogar, der erste TT bot dem Nutzer lediglich einen Kanal und drei Regler – Gain, Tone und Volume.

Doch mit dem Erfolg des Produkts setzte die Evolution ein, Orange entwickelte weitere, neue Modelle. Und plötzlich erschien dann auch ein Zweikanaler auf der Bildfläche. Die kompakten Abmessungen forderten jedoch immer noch bzw. erst recht Kompromisse im Konzept. Die Klangregelungen wurden abgespeckt.

So kommt der Dual Terror – quasi zwei Tiny Terror in einem – in jedem Kanal mit nur einem Tone-Regler aus. Beim Modell Rocker 15 findet sich eine andere Lösung. Neben Gain und Volume hat der für Distortion zuständige Dirty-Kanal mit Bass, Middle und Treble die typische Dreiklangregelung zu bieten. Dafür mimt der Normal-Channel (Clean) den absoluten Asketen: ein Volume-Poti, nichts weiter, das allein muss reichen. Im Übrigen ist die Ausstattung aber durchaus nicht spartanisch. Die Leistung des Amps kann auf die Hälfte reduziert werden (Full/Standby/Half-Schalter). Mit dem Schalter Headroom/Bedroom an der Rückseite lässt sich die Endstufe weiter zähmen, auf 1 Watt und 0,5 Watt.

Der Amp hat außerdem einen seriellen Einschleifweg, dessen Signalpegel von einer Röhre auf das richtige Niveau gebracht wird. Eine Buchse für die Fernbedienung der Kanalumschaltung ist ebenfalls vorhanden. Zum Anschluss von Lautsprecherboxen stehen drei Buchsen zur Verfügung (16, 8, 8 Ohm). Warum ich diesen Rocker 15 so genau beschreibe? Man ahnt es schon, er bildete die Ausgangsbasis für den Brent Hinds Terror. Bis auf das Design der Front sind die beiden äußerlich und in den Features identisch (innen auf der Platine ist sogar Rocker 15H aufgedruckt).

Den offiziellen Infos nach ist an dem Signature-Modell allerdings wirklich Entscheidendes anders. Charakter und Klangfarbe wurden umgestaltet und vor allem soll eine neue Konzeption der Gain-/Vorverstärkung den Amp „völlig einzigartig“ („complete unique“) machen. Weiter heißt es, dass dem Normal-Channel mehr Bassvolumen spendiert wurde.

Was die Technik angeht, ist wichtig festzuhalten, dass es sich um eine konsequente Vollröhrenbauweise handelt. Nicht ein IC oder Transistor ist an der Sound-Formung beteiligt. Drei ECC83, eine ECC81, und zwei EL84, die ihren Arbeitspunkt über den Kathodenbias automatisch einstellen, bilden das Rückgrat der Schaltung. Typisch für Orange, ist der mechanische und elektrische Aufbau durch und durch solide. Es werden hochwertige Bauteile verwendet. Der Amp sollte insofern lange Zeit zuverlässig funktionieren.

Orange Brent Hinds Terror
Gedrängter, aber hochwertiger Aufbau (Bild: Dieter Stork)

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Klären wir zuerst den vordergründig kritischsten Punkt, der da lautet: Wie bewährt sich der minimalistische Normal- /Clean-Kanal? Nun, der Grund-Sound ist kraftvoll und hat einen eigenen Charakter. Obwohl transparent, legt er keinen Wert auf Chime/Glanz in den oberen Treble-Bereich. Statt dessen dominiert ein Peak, eine Überhöhung der Frequenzkurve in den oberen Mitten. Eigentümliches Gemisch, der Sound beißt nicht, ist aber betont präsent. Angenehmer Nebeneffekt ist, dass der Kanal bei höheren Lautstärken nicht (zu) bissig wird. Ist der Volume-Regler weit aufgedreht, verfällt der Normal-Channel in offensive Overdrive-Verzerrungen. Dank der vier Leistungsebenen kann diese Klangqualität auch bei moderater Lautstärke genutzt werden.

Mehr, vollere Bassanteile verspricht Orange. Ja, sie sind satt ausgeprägt, ausbalanciert, aber zu schlank um einer dünnen Singlecoil-Gitarre Fundament zu verleihen. Ich denke, man muss bei dem Thema berücksichtigen, dass Brent Hinds Les Paul spielt bzw. Humbucker-Gitarren. Und in solchen Kombinationen gibt der Normal-Channel eine satt genährte Figur ab. Was natürlich auch eine Frage des verwendeten Cabinets ist. Sprich die verwendete Box sollte ein adäquates Bassvolumen liefern.

Normal ist auch wichtig, aber Dirty ist, was wirklich reizt, nicht wahr? Bei der machtvollen Art von Musik, die Mastodon auszeichnet, würde man in dem Kanal wohl auf überfette Distortion tippen. Aber nein, extrem heftig geht es hier nicht zu. Erst ab ca. 85% Gain verdichten sich die Verzerrungen intensiv. Powerchords erreichen dadurch eine sehr dichte, harmonische und raumgreifende Textur mit energischem Bassdruck. Passt voll ins Metal-Klischee.

Zu den höheren Lagen hin magert die Distortion-Intensität deutlich ab. Für moderne Solo-Techniken nicht unbedingt die optimalen Voraussetzungen. Hält man allerdings den Dirty-Volume-Regler nahe am Maximum bzw. bestimmt unter Zuhilfenahme der Leistungsumschaltung die Lautstärke, gewinnen die Verzerrungen für Soli an Tragfähigkeit hinzu, weil sie kräftiger, dichter werden.

Unter der 85%-Gain-Marke verschlankt sich die Basswiedergabe und der B.H. Terror benimmt sich eher wie ein Retro-Rocker, der sogar bei Blues-Linien überzeugen kann. Zugegeben bedingt, denn die Sound-Farben sind tendenziell ziemlich aggressiv. Der Dirty-Kanal beißt nämlich in den oberen Mitten und den Höhen auf eine eigentümlich Art heftig. Das prägt den Charakter und macht den Ton sehr sensibel für Obertöne. Sie lassen sich leicht provozieren und treten schön in den Vordergrund, besonders bei hohem Gain natürlich.

Der Dirty-Channel ist also durchaus, wie es Orange verspricht (siehe oben), in spezieller Weise markant im Ton. Und obendrein ziemlich variabel. Denn die Klangregelung packt beherzt zu. So kann mit dem Treble-Regler die bissige Attitüde erheblich gemildert werden. Auch das für den Gitarren-Sound so wichtige Mittenband lässt sich effektiv beeinflussen. Und der Bassbereich bietet reichlich Nachschubreserven, die man mehr oder weniger permanent nutzen wird, wenn der B.H. Terror stilgerecht intonieren soll. Ohne Bassanhebung ist das Klangbild doch eher schlank.

Wenn Leisespielen das Thema ist, funktioniert der Amp auch schon im Full Power-Modus ganz gut. Die anderen Leistungsebenen setzen die Aufgabe jedoch letztlich klanglich eleganter um. Half Power macht bereits einen deutlichen Schritt, dünnt aber auch die Bässe etwas aus. Dezent, sehr dezent im Schalldruck arbeitet der Bedroom-Modus. Schön, wie sich hier Farben von Endröhrensättigung entfalten und ein lebendiger „Big-Stack-Sound“ entsteht.

Klangliche Unterschiede sind zu verzeichnen, ja, ganz klar – allein schon wegen der physiologischen Hörkurve unserer Ohren – aber grundsätzlich bleibt in hohem Maße die Tonalität des B.H. Terror erhalten. Okay, wir verbuchen einen weiteren Pluspunkt. Bleibt noch der FX-Weg. Nun, das wird ein kurzer Exkurs. Weil dieser serielle Einschleifweg schlicht tadellos funktioniert. Erfreulicherweise auch noch auf einem niedrigen Pegelniveau, sodass zum Beispiel auch Pedalgeräte, die im Signalpegel bei -10dB spezifiziert sind, ohne Weiteres verwendet werden können.

Orange Brent Hinds Terror
(Bild: Dieter Stork)

alternativen

Das Angebot an fähigen Topteilen ist in dieser Preisregion im Grunde recht üppig, aber die Kombination „kompakt, zweikanalig, Vollröhre mit Leistungsumschaltung, Metal-orientiert“ gibt es dann letztlich doch nicht allzu häufig. Und dann zeigt sich der B.H. Terror ja auch noch eigen im Sound. Schwierig, Alternativen zu nennen. Infrage kommen auf jeden Fall der Metalmaster und der Ironball von Engl, die etwas mehr kosten, aber deutlich großzügiger ausgestattet sind.

resümee

Vollröhren-Sound, so analog wie hochgezüchtet, stark im Distortion-Charakter und voll im Metal-Klischee – der Brent Hinds Terror macht zumindest im Dirty-Kanal alles richtig. Laut ist natürlich nicht sein Ding, logisch. Dafür zeigt er das Gegenteilige gekonnt: „martialische“ Ton-Power auf Flüsterlautstärke reduziert. Die Möglichkeiten der Leistungsumschaltung sind jedenfalls ein gewichtiges Pro-Argument. Wie auch der quasi perfekt funktionierende Einschleifweg. Die Zielgruppe wird sich freuen, auch wenn der B.H. Terror für den artgerechten Bühneneinsatz nur bedingt taugt. Der Preis liegt für das Gebotene hoch, er bewegt sich gemessen am Marktgefüge aber durchaus noch im grünen Bereich.

Orange Brent Hinds Terror

Orange Brent Hinds Terror


Hinweise zu den Soundfiles

Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, Typ C414 von AKG.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Gibson-CS-Les Paul „Leroy Parnell Signature“ und eine Steinberger GL4T.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)

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(erschienen in Gitarre & Bass 08/2018)

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