Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Laney Pro-Tube AOR 30

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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(Bild: Laney)

Laney Pro-Tube AOR 30

Ungeliebt, übersehen oder einfach nur zu schwach auf der Brust? Was auch immer dem 80er-Jahre-Briten aus dem Hause Laney den großen Erfolg verwehrt hat, dürfte heute obsolet sein. Denn tatsächlich liefert besonders der kleine AOR Vieles, wonach heute Gitarrist:innen suchen …

Aber lasst uns einen kleinen Zeitsprung zurück in die 70er/80er-Jahre machen: Marshall und Fender dominieren den Gitarrenverstärkermarkt, als in den USA eine kleine Firma einen Fender Princeton so modifizierte, dass Carlos Santana begeistert ausrief „that thing boogies“. Damit bescherte er dem ersten Verstärker der jungen Firma Mesa seinen bis heute verwendeten Namenszusatz. Technisch war der Boogie damals innovativ, weil er den cremigen Hi-Gain-Leadsound aus zwei kaskadierten Vorstufen generierte. Das muss wohl Lyndon Laney, der bereits seit 1967 Verstärker baute, inspiriert haben, ein ähnliches Konzept auf Basis eines Plexis zu versuchen.

Anfang der 80er kam Laney dann mit der AOR-Serie auf den Markt. Das AOR stand für Advanced Overdrive Response und deutete darauf hin, dass hier mehr Gain verfügbar ist als bei normalen Röhren-Amps. Erreicht wurde das – ähnlich wie bei Mesa – durch eine zusätzliche zuschaltbare Verzerrungsstufe. Der kleinste Vertreter der Reihe war der AOR-30-Combo, der zwei 6V6-Endstufenröhren ziemlich kräftige 22 Watt entlockte. Die großen Brüder mit 100 bzw. 50 Watt arbeiteten traditionell mit EL34-Röhren und wurden überwiegend in den Head-Versionen verkauft.

Anders als heute war vielen Musikern in den 80ern noch nicht bewusst, dass kleinere Wattzahlen nicht unbedingt auch kleineren Sound bedeuten, und unter 50 Watt wurden Verstärker nicht so richtig ernst genommen. So erging es wohl auch dem AOR 30, obwohl er werbewirksam im Gerätenamen mit dem Zusatz „30“ bei der eigentlichen Leistung etwas übertrieb. Heute sind kleine Wattzahlen gesucht und das macht den alten AOR 30 wieder ziemlich interessant.

PUSH-PULL

Während die großen Brüder auf dem Gebrauchtmarkt zu etwas höheren Preisen gehandelt werden, wird der AOR 30 zum Teil schon unter 200 Euro angeboten. Diese Missachtung wird dem Potenzial des Kleinen aber definitiv nicht gerecht. Auch die „falsche“ Röhrenbestückung mit den Fender-typischen 6V6 hält den AOR 30 nämlich nicht davon ab, wie ein gemoddeter 2203 zu klingen.

Zumal er selbst für eine Rockband mit selbstbewusstem Schlagzeuger laut genug sein sollte und eine vollwertige Ausstattung mit Einschleifweg, Federhall und Fußschalteranschluss mitbringt. Allerdings muss man beim Cleansound Abstriche machen, denn der AOR ist kein echter Zweikanaler, sondern arbeitet mit nacheinander geschalteten Vorstufen, die interaktiv über die beiden Gain-Potis eingestellt werden. Dafür kann die Verzerrung aber noch durch einen Push-Pull-Poti in einen für damalige Verhältnisse fast unglaublichen Hi-Gain-Bereich gebracht werden.

Auch die Klangregelung bot jeweils mit Push-Pull-Potis die Möglichkeit, den Frequenzbereich zu boosten. Das ist vor allem im Bassbereich ziemlich spektakulär: Was bei gezogenem Bass-Poti an Tiefdruck aus dem AOR kommt, lässt den kleinen kompakten Combo gefühlt auf Half-Stack-Größe heranwachsen. Fairerweise muss man aber sagen, dass das Einstellen des AOR etwas Zeit erfordert. Denn trotz der vielen Regelmöglichkeiten hat der Laney letztendlich doch nur ein paar Sweet-Spots, wo er richtig gut klingt.

Und ein bisschen Toleranz bei der Lautstärke sollte man auch mitbringen. Denn leise gespielt kann er sein Potenzial nicht entfalten. Die Combo-Version profitiert außerdem ungemein von einem Lautsprecher-Upgrade – besonders der klassische Greenback von Celestion steht dem Amp wirklich gut.

Die Combo-Version hört auf den Namen Laney AOR A3012. (Bild: Laney)

WARUM SO BILLIG?

So richtig auf dem Mark angekommen ist der AOR 30 damals nicht. Trotz des Werks-Moddings konnte er sich vor allem gegen die übermächtige Konkurrenz von Marshall nicht behaupten. Ob es an den „nur“ 30 Watt lag oder die Einstellmöglichkeiten den Nutzer überforderten oder daran, dass er einfach billiger wirkte als die ikonischen Marshall-Verstärker, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall sollte man dem AOR heute eine zweite Chance geben, denn wer einen klassischen britischen Sound mit kompakten Ausmaßen und erträglicher Lautstärke sucht, liegt hier genau richtig.


(erschienen in Gitarre & Bass 06/2022)

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