Bahnbrechend

Test: Joyo Dualklonz

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Joyo Dualklonz
(Bild: Tom Schäfer)

Dieses Topteil vollführt einen ungewöhnlichen Auftritt. Nein, nicht wegen der eigenwilligen Optik, sondern wegen seines geradezu verwegenen technischen Konzepts. Der Dualklonz ist nämlich eine Art modularer Röhren-Amp. Seine Schaltung ist so angelegt, dass der Anwender den Signalweg vielfältig modifizieren kann. Klingt nach Tone-Nirvana.

Die erklärenden Vorworte des chinesischen Herstellers zum Produkt geben interessante Einblicke. Joyo gibt ein Statement zur digitalen Modeling-Technik ab und begründet damit Ursprung und Sinnhaftigkeit des Dualklonz. Ja, Modeling werde immer besser, weniger und weniger unterscheidbar vom „real thing“ (also den analogen Vorbildern), aber es sei nicht wirklich echt, nicht „real tube“. Und es gäbe daher keine physische Interaktion zwischen Verstärker und Spieler. Vielen Gitarristen sei der Unterschied sehr deutlich und sie bevorzugten grundsätzlich Vollröhren-Amps. Leider hätten die aber nun Nachteile in Sachen Variabilität. An diesem Punkt setzten die Hebel des Dualklonz an.

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Aufhorchen lässt diese (ehrliche) Argumentation, weil Joyo selbst einige Erfahrung mit der digitalen Technik vorweisen kann bzw. diverse entsprechende Produkte entwickelt und im Programm hat. Urheber des technischen Designs ist Joyo indes nicht. Zwei Italiener, die Ihr Unternehmen „Klonz Labs“ nennen, haben das Ganze ausgetüftelt.

Sophisticated

Extrem variable Vorstufenschaltungen, obendrein fernsteuerbar mit dem Handy (s.u.), wie machen die das bloß?! Nun, der Aufwand wirkt einerseits immens, wenn man von 27 Relais hört, andererseits sieht das Ganze beim Blick auf das Innenleben des Dualklonz gar nicht ausufernd aus. Zwei relativ kleine Platinen bilden die Basis der beiden Vorstufenkanäle. „Vintage“ heißt der eine, „Modern“ der andere. Sie unterscheiden sich natürlich im Gain-Niveau und der Ausstattung. Der Vintage-Channel nutzt zum Vertiefen und Abgrenzen seiner Sound-Formung neben einer ECC83S/JJ eine 12AY7- Röhre wie sie in Verstärkern der 1950er- Jahre zum Einsatz kamen. Die Modern-Sektion wird allein von drei ECC83S/JJ getragen. Derselbe Röhrentyp findet in der Phasentreiberstufe Verwendung, die Endstufe ist ab Werk mit zwei 6L6GC/JJ bestückt.

Maximale Flexibilität stand bei der Planung im Lastenheft? Klar, dass auch in der Power-Sektion Veränderungen möglich sind. Je ein Duett von Oktal- und Noval-Fassungen erlauben dem Anwender wahlweise folgende Röhrentypen zu verwenden: EL34, KT66, KT88, 5881, 6V6, EL84. Hier muss man aber wirklich selbst Hand anlegen, und die Pärchen nach Bedarf wechseln/einsetzen. Damit das leicht und schnell vonstattengehen kann, ist die Rückwand mit Rändelschrauben befestigt, die in Einschlaggewinden fassen. Die Endstufe birgt auch einen besonderen Luxus: Sie erlaubt den wechselweisen Betrieb von zwei Cabinets. Der Umschaltvorgang kann per Fußschalter gesteuert werden oder über die Handy-App (s.u.). Ansonsten umfasst die Ausstattung noch den obligatorischen Einschleifweg, der seriell vor der Endstufe angeordnet ist. Die Send-Signalstärke ist an der Rückseite regelbar.

Joyo Dualklonz innen
Relais en gros, sauberer Aufbau (Bild: Tom Schäfer)

Bleibt noch, die Regelmöglichkeiten aufzulisten. Zur Linken an der Frontplatte befinden sich die Potis des Modern Channel: zwei in Kaskade geschaltete Gain- Regler (G1, G2), eine Dreibandklangregelung und Volume. Rechts im Vintage- Kanal sind die separaten Input-Module Normal und Bright einzeln abstimmbar, darauf folgen hüben wie drüben drei Tone-Potis und Volume. In der Mitte des Frontpanel liegen Presence und Cut. Letzterer entspricht in der Funktion dem gleichnamigen Regler am Vox AC30. Zum Lieferumfang gehören zwei Endröhrensätze (2x EL34/EH, 2x EL84/Sovtek), ein Boxen- und ein Netzkabel sowie ein Dreifachfußschaltpedal mit Status-Anzeigen.

Seine Funktionen sind: Kanalwahl, Cab (Boxen umschalten), und Low Gain (Modern- Ch.). Das Pedal ist mechanisch solide, leider misst das Anschlusskabel aber nur knapp drei Meter. Zu wenig, um es auf der Bühne weiträumig außerhalb des Aktionsradius zu verlegen. Wie oben schon angedeutet, ist die Technik im Inneren weniger aufwendig als man zunächst annehmen möchte. Netzteil, Vorstufe, Endstufe, Steuereinheit usw. sind als einzelne Platinen-/Baugruppen ausgeführt und größtenteils über Steckkontakte miteinander verbunden. Der Aufbau wirkt mechanisch solide und absolut vertrauenerweckend. Im Signalweg finden Kohlewiderstände und Kondensatoren von Wima Verwendung. Ein Ringkerntrafo sorgt für geringe Streufelder, im Netzteil findet man zugunsten optimaler Brummsiebung eine Drosselspule, wie man es eben von einem „erwachsenen“ Vollröhren-Amp erwartet. Alles in allem hinterlässt die Hardware somit einen sehr guten Eindruck.

Steuerung

Der Dualklonz hat mehrere Schnittstellen. Bluetooth in Verbindung mit Handys oder Tablets bietet den größten Komfort, da die Verbindung kabellos arbeitet. Sowohl für iOS (ab 8.0 aufwärts) wie Android (ab 4.3 aufwärts) steht eine App zum Download bereit. Unter Android ist eine USB-OTG Verbindung möglich. Firmware- Updates erfolgen über USB. Die Editierfunktionen sind ansonsten auch noch via MIDI adressierbar. Dazu gehören im Endeffekt mehr als nur die Vorstufenparameter. Je Kanal stehen zusätzlich dreizehn verschiedene Endstufen-Presets zur Wahl, die, soweit ersichtlich, in erster Linie die Bias-Spannung verändern. Genauer kann ich nicht Auskunft geben, da präzisere Infos zu Funktion und Bedienung nur in der App zur Verfügung stehen und die Infos dazu dort leider eher mager ausfallen.

Aha-Erlebnis

Zu gern würde ich loslegen und davon schwärmen, dass der Dualklonz mal wie ein AC30 klingt dann wie ein Blackface Deluxe, als nächstes wie ein Rectifier, dann wie ein Superlead-Plexi, dann … Aber nein, so läuft das nicht. Verständlicherweise, denn wenn auch nur ansatzweise so etwas im Bereich des Möglichen sein sollte, müsste ein ungleich höherer technischer Aufwand betrieben werden. Mit diversen wirklich unterschiedlichen Funktionsgruppen (Preamp, Phasentreiber, Endstufe usw.), die wechselweise in Aktion treten. Denn diese – in der jeweiligen spezifischen Zusammensetzung – machen mit ihren Interaktioden den individuellen Charakter musikalisch wertvoller Amps aus. Vorstellbar, aber praktisch eigentlich nicht realistisch. Man muss das Klonz- Konzept vielmehr so verstehen, dass der Anwender in die Technik so eingreifen kann, als würden am Grundkonzept eines Amps Custom-Modifikationen vorgenommen. Wie Bright-Anhebung, Mid- Boost, Umgehen/Hinzufügen einer Röhrenstufe, usw. An einem Labor-Objekt hätte man dafür dann eine Unmenge an Schaltern vor sich, bei Dualklonz befiehlt das Handy/Tablet die Umschaltungen oder MIDI-Daten.

Joyo Dualklonz innen
(Bild: Tom Schäfer)

So, jetzt wollen wir aber darüber reden, was wirklich geht. Anwerfen, Gitarre anschließen … äähh, aber bitte wo? Tja, der Dualklonz ist auch in der Hinsicht anders. Die Wippschalter Power und Standby sind rechts an der Seite platziert, der Input links, montiert an einem Stratocaster-Buchsenblech. Ist praktisch und macht die Frontplatte clean, die übrigens in den Genuss einer Flutlichtbeleuchtung kommt. Die ersten Töne. Aha, stramme Rückmeldung, impulsive Dynamik, zurückhaltende Nachgiebigkeit beim Anschlag. Das bleibt beim Dualklonz in allen Lebenslagen so. Also ein Amp, der ehrlich antwortet. Das trifft auch auf das Klangverhalten zu. Die tonalen Eigenschaften des angeschlossenen Instruments kommen klar und deutlich zur Geltung. Was dadurch unterstützt wird, dass der Dualklonz in den oberen Mitten und den Höhen viel Transparenz entwickelt. Gesund ausbalanciert, denn es entsteht dadurch keine unangenehme Härte. Da wird nichts übergiftig, man kann getrost das Topend forcieren, es wirkt allerdings etwas kühl, nüchtern.

Der Sound-Charakter der Verzerrungen wandelt sich wenig. Im Kern sind sie durchsichtig und harmonisch, in den Mitten bratzig-grob, rau, also eher offensiv/ aggressiv, wenn überhaupt nur ansatzweise weich singend. Das betrifft beide Kanäle. Kompression bildet sich selbst bei High-Gain in Beteiligung beider Gain-Stufen/-Regler wenig aus. Die Distortion- Intensität dagegen kann sehr intensiv sein. Schön zu hören z. B. in dem für Soli angenehm tragfähigen Preset M.06 „Fast Eddie‘s VIVO“.

Joyo Dualklonz nah
(Bild: Tom Schäfer)

Trotz dieser gewissermaßen statischen Grundanlagen entwickeln sich mithilfe der vielen Umschaltparameter variantenreiche Klangfarben. Die Verzerrungen erinnern so in einem Extrem an Fenders Tweed-Ära, im anderen an hochgezüchtete, sehr heiße (Vintage-) Marshall-Derivate und Artverwandtes. Das weite Feld der moderaten Gain-Ebenen, Overdrive, Crunch, erzeugt immer wieder Assoziationen zu berühmten Klassikern. So ahmt der Vintage-Channel z. B. geschickt den Vox AC30 nach. Man muss bei alledem allerdings bedenken, dass wir es nicht mit einem vollprogrammierbaren Konzept zu tun haben. Das heißt, es ist zwingend notwendig, die Regler geeignet nachzustellen, um markante Klänge zu erreichen. Mit dieser Aufgabe lässt Joyo den Anwender erfreulicherweise nicht alleine: im Preset-Menü helfen grafisch dargestellte Einstellvorschläge dabei, ans Ziel zu kommen. Und darüber lernt man dann schon das gezielte Vorgehen. Das Klangspektrum ist letztenendes auch deswegen sehr weit gefasst, weil die Klangregler nachhaltig arbeiten und im Vintage-Channel Brightund Normal-Volume nicht nur separat, sondern auch parallel in Funktion gehen.

In der Natur der (hochkomplexen) Sache liegt, dass die Umschaltvorgänge zwischen zwei Presets zuweilen einen Moment dauern, ab und an auch einmal gut 2 Sekunden. Dann handelt es sich um einen komplexen Crossfade, vermutlich wegen hoch und runter laufender Spannungen sowie zur Vermeidung von laut hörbaren Schaltgeräuschen. Durch das Auswechseln der Röhren, aber noch mehr bei der Verwendung von zwei Cabinets erhöht sich das Sound-Potential noch weiter. Die Umschaltung klappt wunderbar. Und der Fußschalter ist übrigens so gebaut, dass man beide, den Channelund den Cab-Switch gleichzeitig betätigen kann. Da auch der FX-Weg seine Funktion einwandfrei verrichtet, arbeitet der Dualklonz in sich stimmig (noch besser wäre er allerdings, wenn im Return eine Aufholverstärkung vorgesehen wäre). Es gibt dennoch Erkenntnisse, die die Freude trüben. Zumindest derzeit ist kein Manual-Download zu finden. Man muss im Handy nach Hilfe suchen, was parallel zur Arbeit mit der Bluetooth-Steuerung doch nicht maximal komfortabel ist. Die Bluetooth-Konnektivität sorgt gar für einen Minuspunkt. Das Koppeln gelingt nicht mit jedem den Spezifikationen entsprechenden Android-Gerät zuverlässig.

Joyo Dualklonz
(Bild: Tom Schäfer)

Resümee

Der Dualklonz ist ein beeindruckendes Stück Technik. Sein Konzept zur Serienreife zu bringen, ist eine wahre Glanztat, wenn nicht Pionierleistung. Und der Aufwand zahlt sich aus. Denn obwohl der Dualklonz voll analog und in Röhrentechnik arbeitet, sich keiner digitalen Modeling- Hilfsmittel bedient, stellt er eine ausufernde Vielfalt an Klangfarben bereit. Easy, voll komfortabel mit der sinnvoll organisierten App zu handhaben – eine grandiose Spielwiese, was ausschließlich positiv gemeint ist. Doch man darf bei aller Begeisterung für die Ergebnisse nicht außer Acht lassen, dass der Charakter der Verzerrungen im Grunde immer gleich bleibt und absolut gesehen die grundlegenden Wiedergabeeigenschaften zwar höchst respektabel sind, aber nicht auf den Niveau der Ober- bis Spitzenklasse liegen. Richtig, wenn man auf das Preisschild guckt, kann einem das ziemlich egal sein. Ganze ! 1298 kostet der Dualklonz, und damit ist er absolut fair angesetzt.

Plus

  • Sound, extreme Variabilität in den Klangfarben
  • gute Dynamik, recht obertonfreundlich, harmonisches Zerrverhalten
  • Transparenz, Detailtreue
  • Lieferumfang: zwei Röhrensets u. Schaltpedal inbegriffen
  • Verarbeitung/Qualität d. Bauteile

Minus

  • Bluetooth-Koppelung nicht an jedem Handy/Tablet zuverlässig

Joyo Dualklonz Übersicht

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Hinweise zu den Soundfiles

Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, beide nahe platziert vor einer konventionellen 4×12-Box bestückt mit Celestion Vintage 30.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und (clean) eine Steinberger GL4T.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.


(Aus Gitarre & Bass 05/2018)

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