Unkomplizierte Lösung

Grenzenlose Freiheit: Boss Waza-Air Bass

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(Bild: Dieter Stork)

Grenzenlose Freiheit gibt es nicht nur über den Wolken. Boss will mit dem Waza-Air dem Wunsch nach einer unkomplizierten und ortsunabhängigen Übemöglichkeit nachkommen. Mit Funksender und kabellosen Kopfhörern ist das Konzept schlüssig, doch wie steht es um die Umsetzung? Ein Blick auf die Bass-Version.

In Foren taucht sie häufig auf, die Frage nach der perfekten Übe-Möglichkeit. Am besten kompakt, aber dennoch klanglich hochwertig und flexibel. Und außerdem noch kabellos! Bluetooth fällt aufgrund viel zu hoher Latenzen raus. Konventionelle Funkkopfhörer brauchen am Ende des Tages auch wieder eine unpraktische Sendereinheit. Und vom Instrument zum Sender liegt dann doch wieder ein Kabel, das Pedalboard will mit Strom versorgt und ebenfalls verkabelt werden.

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Irgendwie alles nicht das Gelbe vom Ei. Boss hat unser ewiges Fragen und Mäkeln erhört und präsentiert mit dem Waza-Air eine 100% kabelfreie Möglichkeit. Hierbei handelt es sich um einen herkömmlichen Instrumentenfunksender in Kombination mit einem kabellosen Kopfhörer, wobei der Kopfhörer das Besondere des Sets darstellt.

GELUNGENES KONZEPT

Im Hörer selbst befinden sich nämlich sowohl die Empfängereinheit für das Basssignal als auch ein DSP-System zur Verwendung von Effekten und Amp-Simulationen. Clever! Was durchaus grundsätzlich für das Design des Kopfhörers gilt: So befindet sich beispielsweise auf der Außenseite der rechten Hörmuschel ein angenehm schwergängig drehendes Stellrad zum Anpassen der Instrumentenlautstärke. Das über den Hörer ebenfalls empfangbare Bluetooth-Signal vom Smartphone oder Computer bleibt davon unberührt. Zu dessen Steuerung dient eine kleine Wippe an der Außenkante der Hörmuschel. Ein An/Aus-Schalter befindet sich auf der anderen Hörmuschel. Zum Wechsel zwischen speicherbaren Presets dienen zwei große Taster auf der Hörmuschel.

Aufgeladen werden sowohl Hörer als auch Sender über das mitgelieferte Micro-USB-Kabel. Ja, richtig gelesen … Boss, bitte werft doch einmal einen Blick auf die Jahreszahl im Kalender, dankeschön. Weiter im Text. Wer glaubt, die große Klinkenbuchse im Kopfhörer diene der Verbindung mit dem Sender, liegt leider nur teilweise richtig. Nach aktuellem Stand erfüllt sie keinen weiteren Nutzen als den der erstmaligen Kopplung mit der Sendereinheit, das Aufladen geschieht separat. Leider ist nur ein Kabel im Lieferumfang enthalten und auf ein Netzteil wird komplett verzichtet.

Während letztgenannte mittlerweile wohl sowieso im Übermaß vorhanden sind, entwickeln sich viele Haushalte aus gutem Grund zur Micro-USB-freien Zone. Ich jedenfalls musste zum parallelen Aufladen beider Einheiten etwas suchen …

Hier wäre das gemeinsame Laden per USB-C über die Klinkenbuchse eine willkommene Funktion gewesen. Davon ab wirken beide Geräte hochwertig, wenn auch ein Premium-Feeling ausbleibt. Im Vergleich fühlt sich beispielsweise ein ATH-M50x hochwertiger an. Selbiges gilt für den Tragekomfort gleichermaßen, wobei ich hier ausdrücklich betonen möchte, dass das Tragegefühl von Kopfhörern hochgradig subjektiv ist. Damit die Leserschaft eine Referenz hat: In typischen Beyerdynamic-Hörern haben meine Ohren ausreichend Platz, in den genannten ATH-M50x liegen sie leicht in der Muschel an. Bei den Waza-Air werden meine Ohren spürbar zusammengedrückt, weshalb ich sie nie viel länger als 30 Minuten getragen habe. Auch dürfte die Auflage am Kopfband für meinen Geschmack stärker gepolstert sein bzw. eine Aussparung in der Mitte zur besseren Druckverteilung aufweisen.

Praktisch: Für den besseren Transport können die Ohrmuscheln nach innen geklappt werden. Ein passendes Hardcase muss allerdings zusätzlich erworben werden …

(Bild: Dieter Stork)

MODERNE TECHNIK

Wirklich spannend ist doch aber, wie sie klingen. Während ich bei meinen ersten Tests mit normalem Musikmaterial nur mäßig begeistert war, erweisen sich die Waza-Air als gute Monitorkopfhörer. Meinem Testmaterial fehlte es in erster Linie an Weite und sowohl Auflösung als auch Dynamik im Hochtonbereich. Insgesamt klingen sie mit normalen Programmmaterial etwas boxy. Verbunden mit dem Bass präsentiert sich jedoch ein direkter und druckvoller Sound. Zumindest sobald in der Editor-App erst einmal alles an Spielereien deaktiviert ist. Ganz vorn bei diesen Spielereien ist eine Raum-Simulation, deren Ziel es ist, ein Gefühl von räumlicher Ortung zu vermitteln. Realisiert wird dies über einen im Hörer verbauten Lage- und Beschleunigungssensor.

Je nach Drehung und Haltung des Kopfes wird das Musiksignal im Stereobild verteilt und zusätzlich mit einem Halleffekt versehen. Zwar lässt sich die Stärke beider Effekte im Editor anpassen, allerdings leidet auch in Nullstellung des Kopfes die eigentliche Soundqualität bereits spürbar. Der Sound wird flacher, verliert an Druck und Auflösung gleichermaßen. Ich persönlich empfinde es auch als störend, wenn sich der Bass links/rechts um mich dreht, nur weil ich den Kopf zusammen mit der Musik bewege – und das soll beim Spielen durchaus mal vorkommen … Nette Idee, aber in meinen Augen eher Gimmick. Aber ist dieses erst einmal deaktiviert, klingt die ganze Geschichte doch ziemlich gut. Zur Verfügung stehen dabei mehrere Verstärker-Modelle und diverse Effektketten.

ALLES DRIN

Zwei dieser Verstärkermodelle sind insbesondere für cleane bzw. HiFi-Sounds gedacht und tragen die Namen „Flat“ sowie „super Flat“. Hier ist das Signal glasklar, wobei „super Flat“ für meine Ohren etwas aufgeblasen und spitz klingt. Mit einem Griff zum EQ ist der Klang aber schnell an die Bedürfnisse angepasst. Das Ergebnis ist ein Sound mit Punch, Artikulation und je nach Setting des EQs ausgewogenem, knurrigem Mittenbild. Ein astreiner Cleansound eben. Experimentierfreudige können sich in der Effektsektion austoben und gleichzeitig bis zu drei Effektmodule aktivieren, wobei dabei eine Wahl aus etwas über 30 Effekten getroffen werden kann. Vom Kompressor über diverse Verzerrer bis zu tiefen Modulationen und Halleffekten ist wirklich so gut wie alles in guter Qualität dabei. Zwar bietet die Gitarrenversion gut 20 Effekte mehr, dafür ist das Waza-Air Bass mit einem Drum-Computer ausgestattet, über den rudimentäre Loops verschiedener Stilrichtungen zu Übezwecken abgerufen werden können. Songwriting-Funktionen wie Pattern-Chaining etc. bietet das Waza-Air allerdings nicht. Die brächten auch nicht viel, denn eine Möglichkeit zum Aufnehmen des Signals ist leider nicht vorgesehen.

Laut Boss sind die vorhandenen Effekte explizit auf den Einsatz am Bass zugeschnitten. Und gerade bei Octavern, Multiband-Verzerrern und tiefen Modulationen, die dennoch den Bassdruck erhalten, zeigt sich die Erfahrung aus einem halben Jahrhundert des Effektebaus. Allerdings könnte das Einstellen dieser Effekte etwas flüssiger von der Hand gehen. In der Hauptansicht des Effektmenüs lassen sich die drei Blöcke nur in ihrer Intensität verändern und natürlich ein/ausschalten. Bei den Intensitätsreglern handelt es sich im Prinzip um „entweder-oder“-Regler, die ab der Hälfte des Regelwegs zwischen zwei Effekten wechseln (nicht mischen!). Über die darüberliegende Schaltfläche wird zwischen drei Typen durchgewechselt. Jeder Effektblock bietet nämlich drei verschiedene Slots, die farblich markiert sind und im Untermenü detailliert verstellt werden können. Durch „edit“ erreicht man das Auswahlmenü, über dessen Kopfleiste jeweils die Detaileinstellungen eines jeden Effekttyps aufgerufen werden.

Hier bieten sich auf teils mehreren Seiten dann sämtliche Effektparameter zur Feineistellung. Will man mal eben die Parameter an mehreren Blöcken verändern, ist man sehr oft am Wechseln zwischen diversen Untermenüs. Etwas fummelig. Einen Editor mit linearer Übersicht, wie man ihn beim Darkglass e500 oder dem Line 6 Pod Go findet, nehme ich persönlich als übersichtlicher und intuitiver wahr. Einmal eingestellt kann ich über die Qualität der Sounds aber wirklich kein schlechtes Wort verlieren. Sogar die Verzerrer, die ja bei einigen „einfachen“ Modelling-Lösungen oft wenig dynamisch und platt wirken, gefallen mir hier gut. Vom leicht angeknusperten Sound bis zur Djent-Keule ist mit den verschiedenen Algorithmen für alles gesorgt. Auch die Auswahl der anderen Amp-Modelle gefällt mir gut. Hier lassen sich allein über das Spiel aus Gain-Regler und EQ warme Vintage-Klänge realisieren oder rotzige Röhren-Stacks nachahmen.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Dank der vielseitigen und hochwertigen Klangmöglichkeiten, einer unkomplizierten Möglichkeit zum Einspielen von Playbacks und der kabellosen Freiheit bereitet das Waza-Air Bass grundsätzlich viel Spielspaß. Etwas schade, dass es keine Möglichkeit zum Aufnehmen gibt und auch die Lademöglichkeit etwas archaisch anmutet. Für regelmäßiges Üben im Freien, im Tourbus oder Hotelzimmer ist es jedoch eine tolle und unkomplizierte Lösung.

PLUS

  • Konzept
  • Funktionsumfang der App
  • Sound des Instrumentensignals

MINUS

  • Editor etwas unübersichtlich
  • Ohrmuscheln könnten größer sein
  • Laden nur separat und über Micro-USB
  • keine Möglichkeit zur Aufnahme der Sounds
  • kein Transportcase oder Tasche
(Bild: Gitarre & Bass)

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2023)

Produkt: Gitarre & Bass 11/2023
Gitarre & Bass 11/2023
IM TEST: Knaggs Guitars Eric Steckel Kenai T/S +++ Fender Limited Edition Tom DeLonge +++ Stratocaster +++ Cort G290 FAT II +++ Guild D-140 / D-140CE +++ Fender Vintera II 60s Precision Bass +++ Captain Black Betty 1x12 Combo +++ Origin Effects DCX Bass Tone Shaper & Drive +++ Strymon Cloudburst Ambient Reverb +++ Boss IR-200

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