Die Kinder der 90er

Die Wiedergeburt: Marshall Guv’nor, Drive Master, Bluesbreaker, Shredmaster Reissue Pedals im Test

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Bluesbreaker, Drivemaster, Shredmaster: Die drei Nachfolger des Guv’nor spezialisieren sich auf verschiedene Stilrichtungen. (Bild: Dieter Stork)

DIE KINDER DER 90ER

Bereits nach drei Jahren Produktionszeit wurde der Guv’nor 1992 durch eine kleine Serie von Verzerrerpedalen abgelöst. Mit dem Drivemaster wurde er selbst ersetzt, der Bluesbreaker flankierte ihn auf der Low-Gain-Seite, der Shredmaster übernahm die HiGain-Flanke. Das ohnehin schon große Gehäuse des Guv’nors wuchs noch einmal in der Tiefe, die Potis wanderten nach oben und wurden durch die wulstartige Faltung des Stahlblechs trittsicher geschützt. Damit wurde auch der Kritik der schlechten Ablesbarkeit der Reglerknöpfe begegnet. Das Marshall-Logo wurde in das XXL-Gehäuse eingeprägt. Ein Aufwand, der wohl auch den höheren Preis gegenüber der damaligen Konkurrenz, vor allem aus Fernost, rechtfertigen sollte. Die Verarbeitung war Marshall-typisch solide, allerdings krankt die Geräteserie, ebenso wie die damaligen Verstärker der JCM-900-Serie, an den Potis, die mit zunehmendem Alter anfangen zu kratzen und sogar zum Totalausfall neigen.

  • Mit dem Drivemaster ersetzte Marshall seinen Guv’nor nahezu 1:1. Die Schaltung ist identisch – nur die Loop-Buchse wurde eingespart. Er ist der Allrounder des Triumvirats und besticht wie schon sein Vorgänger durch sein breites Gain-Spektrum: Vom Clean-Boost bis an den Rand zu Hi-Gain ist alles über das Drive-Poti abrufbar. Die Dreibandklangregelung greift wirksam in das Geschehen ein, und die Lautstärkereserven sind ziemlich kräftig. Ein komplettes Verbiegen des Sounds schafft der Drivemaster aber nicht. Der Grundklang bleibt immer etwas kratzbürstig und rau, vor allem in den Höhen. Im direkten A/B-Vergleich klingen Reissue und mein altes Original sehr ähnlich. Deutlich ähnlicher als die beiden Guv’norPedale. Auch der Vergleich von Drivemaster-Reissue und Guv’norReissue belegt die Verwandtschaft der beiden eindeutig. Ich muss also davon ausgehen, dass mein altes Guv’nor-Pedal etwas aus der Art geschlagen ist – allerdings im positiven Sinne. Denn klanglich bleibt der 89er-Guv‘nor mein Favorit. Während mein Guv’nor zwar auch kratzig und rau ist, bleibt er doch immer luftig und leicht. Die Drivemaster und der Guv’nor Reissue dagegen klingen etwas dichter und leicht „belegt“ auf der Stimme.

 

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  • Mit dem Bluesbreaker brachte Marshall einen Low-Gain-OD auf den Markt, der den Klang des „1962“-Marshall-Comboverstärkers simulieren sollte. Auch wenn er nicht das halten kann, was sein Name verspricht, nämlich den Sound des durch Eric Clapton berühmt gewordenen Bluesbreaker-Combos in eine kleine Box zu packen, gehört das Pedal mit zum Besten, was man in Sachen Low-Gain-Verzerrung bekommen konnte. Insbesondere, falls man eine Alternative zum mittenlastigen Tube Screamer suchte. Der Bluesbreaker ist der Gentleman unter den Verzerrern. Sorgsam bewahrt er den Anschlag und verbindet sich harmonisch mit Gitarre und Verstärker, um den Ton lebendig „atmen“ zu lassen. Er überzeugt als Booster und Overdrive gleichermaßen und gehört nicht umsonst zu den teuersten Marshall-Effektgeräten auf dem Gebrauchtmarkt. Das Reissue-Pedal spiegelt genau diese Qualitäten auch wider. Im direkten A/B-Vergleich klingt der Reissue allerdings kräftiger und hat auch mehr Gain als mein altes Pedal. Dies wird durch etwas weniger Transparenz und Leichtigkeit im Sound erkauft. Ich kann mich nicht so recht entscheiden, welcher Klang mir besser gefällt. Eigentlich könnte man beide gut gebrauchen.

 

  • Der Shredmaster ist – anders als sein Name vermuten lässt – kein Hi-Gain-Monster, das sich quasi von selbst spielt, sondern ein ausgewogener Verzerrer, der von Classic Rock bis Classic Metal eine breite Palette abdecken kann. Hauptverantwortlich für die Flexibilität ist der Contour-Regler, der ab der Drei-Uhr-Einstellung einen deutlichen „Midscoop“ für die Metalfans anbietet. Die Bässe sind rund und voll und bei rechtem Potianschlag im Übermaß vorhanden, die samtigen Höhen dagegen sind etwas unterdimensioniert. Im A/B-Vergleich finde ich den Shredmaster-Reissue deutlich besser als mein altes Exemplar. Er kommt viel druckvoller rüber und der Gesamtklang ist runder und kompakter, was dem gängigen Einsatzzweck des Shredmaster sehr entgegenkommt. Insgesamt hat mich der Test des Shredmaster-Reissues noch mal daran erinnert, dass es neben den begehrten Klassikern Guv’nor/Drivemaster und Bluesbreaker noch ein weiteres Marshall-Pedal gibt, das hervorragend klingt und sehr variabel eingesetzt werden kann.

TECH-TALK

Den typischen Marshall-Sound erreichte der Guv’nor durch die Nutzung von LEDs als Clipping-Dioden – das gab es vorher noch nicht. Populäre Konkurrenten wie Tube Screamer, Rat und Co. nutzen fast alle Siliziumdioden. Innovativ für einen Verzerrer war zudem die umfangreiche Klangregelung, die der Guv’nor als vollwertige Verstärkervorstufe mitbrachte. Auch einen „Loop“, der es erlaubte ein oder mehrere Effektgeräte in den Guv’nor einzuschleifen und gleichzeitig mit seinem Fußschalter zu aktivieren, war eine neue Idee im Reich der Bodeneffektgeräte. Diese hat sich allerdings nicht weiter durchgesetzt. Bereits der direkte Nachfolger des Guv’nor aus eigenem Haus, der Drivemaster, verzichtet auf den Loop-Anschluss.

Zwei rote LEDs als Clipping-Dioden schaffen den typischen Marshall-Sound. (Bild: Marc-Oliver Richter)

 

Auch das kultige Design des Guv’nor fand keine Nachahmer. Während der Guv’nor eher an einen Fußschalter zum Kanalwechsel denn an ein Effektpedal erinnert, ist die Nachfolgeserie zwar noch im XXL-Format unterwegs, ordnet die Potis aber wieder bedienerfreundlicher auf der Oberseite des Pedals an. Beibehalten wurde die Bypass-Schaltung. Die Fußschalter funktionierten zwar als True Bypass, allerdings nur auf zwei Ebenen: eine für den Ausgang, die andere für die LED. Der Eingang hing immer im Signalweg. Was aber bei den Marshall-Pedalen nicht wirklich störte, da sie hochohmig genug ausgelegt sind.


Vergleich mit den Originalen und Resümee auf Seite 3

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich beziehe mich hier mal direkt auf den alten Marshall Guv‘nor, das damalige Original,und war doch etwas überrascht von eurem Testbericht.

    Was schon recht unverständlich ist,scheint die Tatsache,daß selbst der neue Guv’nor von Marshall mit den identischen Bauteilen 1:1 nachgebaut wurde,und letztendlich dann doch,wenn auch minimal,anders klingt als das alte Original. Ist hier evtl. doch Voodoo,bzw. unheimliche Magie mit im Spiel,oder sind vielleicht doch winzig kleine Bauteile oder Schaltungen bei der neuen Guv’nor anders,als beim Original aus der damaligen ersten Serie?

    Ich besitze noch den alten Original Marshall Guv’nor der ersten Produktionsserie,bei dem die Potis bekanntlich etwas kratzen,das extrem robuste Metallgehäuse schon damals unter Insidern sehr berühmt war,und der amtliche Marshall Sound des besagten Guv’nor bis heute in Erinnerung blieb.

    Und dennoch klingt der neueste Nachbau dieser kleinen „Kiste“ schlußendlich dann doch ganz anders. Ich habe derzeit selbst gar keinen Vergleich,weil ich meinem uralten Guv’nor treu bleibe,und nicht unbedingt den neuen Nachbau kaufen möchte,daher vertraue ich eurem objektiven Vergleichstest,und freue mich,daß ich das originale Relikt aus vergangenen Tagen bis dato mein Eigen nennen darf.

    Vielen Dank für den Testbericht des Marshall Guv’nor.

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    1. Da sind sie wieder… die Korkenschnüffler mit den goldene Ohren.
      Die Zauberworte lauten Bauteiltoleranzen und -alterung.
      Die alten Kohlepresswiderstände hatten damals schon mindestens 10% Toleranz, Kondensatoren üblicherweise 20% und was ein paar Jahrzehnte unsachgemäße Lagerung auf Bühnen und in Probenräumen mit den Bauteilwerten angestellt haben können wir sowieso nur mutmaßen.
      Es dürfte so gut wie unmöglich sein zwei gleich klingende alte Originale zu finden.
      Brian Wampler hat dazu schon vor etlichen Jahren ein nettes Youtube-Video produziert wo er das am Beispiel Tubescreamer vorexerziert wie sich dieselbe Schaltung benimmt, wenn man ein paar Bauteile innerhalb üblicher Herstellertoleranzen verändert.

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      1. Ach,ja,Toleranzen sind super,dies gilt ja z.B. auch für zwei (fast) baugleiche E.-Gitarren aus der Serienproduktion,die kurioserweise häufig völlig unterschiedlich klingen können,-oder scheint dies etwa doch nur Mystic oder gar Voodoo zu sein???

        Klar,es existieren auch bei Effektpedalen stets gewisse Toleranzen,doch sind diese oft viel zu gering,daß man von deutlich gravierenden Unterschieden sprechen kann.

        Ich habe meinen alten originalen Marshall Guv’nor der „First Edition“ aus England auch noch in meiner Bodentretersammlung,und möchte ihn nie mehr missen,denn er ist auch nach all den Jahren weiterhin in Betrieb. Die leicht kratzigen Potiregler geschenkt,kann ja leicht behoben werden,ist definitiv gar keine Tragik.

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