That great Gretsch Sound

140 Jahre Gretsch: Jubiläum einer Legende

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DIE BALDWIN-ÄRA

1967 endete die Ära Gretsch als Familienbetrieb durch den Verkauf an die Baldwin Piano Company. Unter neuer Leitung gewann man Jazz-Gitarrist George van Eps als Endorser, baute ihm ein 7-saitiges Signature-Modell und zeigte damit frisches Engagement. Van Eps hatte bis dahin eine Epiphone-Deluxe-Sonderanfertigung mit 7 Saiten gespielt.

1970 verlegte man die Produktion von Brooklyn nach Booneville in Arkansas. In der Baldwin-Phase unternahm das Management vornehmlich in den 70er Jahren noch einmal Anstrengungen, um dem alten Ruhm gerecht zu werden und Chet Atkins – immer noch im Dienste der altehrwürdigen Firma – entwarf noch einmal ein neues repräsentatives Modell.

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1973 wurde die Super Chet und eine kleine, etwas schlichtere Schwester, die Deluxe Chet vorgestellt. Was aber bei der White Falcon noch als extravagantes Diva-Gehabe durchging, wirkte nun wie aus der Zeit gefallen. Von allem ein wenig zu viel, hing das Design einer längst vergangenen Zeit nach, in der die Firmen sich noch mit immer mächtigeren Korpusgrößen zu übertrumpfen suchten (battle of width). Dennoch handelte es sich bei der Super Chet natürlich um ein originelles und funktional durchaus hochwertiges Instrument.

1976 folgten dann zwei „richtige“ Solidbody-Gitarren, im Gegensatz zu den lediglich so genannten früheren Jets, die in Wirklichkeit Hohlkammerfräsungen im Korpusblock aufwiesen. Die Modelle Atkins Super Axe und Atkins Axe versuchten sich nochmals an neue Kundschaft in der jüngeren Spielerszene heranzumachen und gaben sich als ultimative Gitarren für den Rock-Musiker aus. Beide Instrumente wurden mit den angesagten neuen DiMarzio-Pickups ausgestattet, und die Super Axe hatte sogar eine Effekt-Bank an Bord, die neben der üblichen Klangregelung noch Zugriff auf die Effekte Kompressor, Phaser und Sustain bot.

Zu dieser Zeit war die Programmpolitik aber kaum mehr in Kontinuität zu der berühmten Firmengeschichte zu sehen und nun folgten auch noch einige besonders unglückliche, teils hässliche Design-Irrtümer, die zu Entgleisungen wie die der TK-Reihe, der Broadkaster-Solidbody, der Comittee und der BST-Modelle führten. Dazu kam die durch Sparmaßnahmen immer weiter nachlassenden Fertigungsqualität der Instrumente, die das Ansehen der Firma nahezu ruinierte. Das Ende der in die Beliebigkeit und Gesichtslosigkeit abdriftenden Firma bahnte sich an.

1981 stellte Baldwin schließlich die Produktion von Gretsch-Instumenten in Booneville ein.

1984: Siebzehn Jahre nach dem Verkauf kauft Fred W. Gretsch, der Urenkel des Firmengründers, das Unternehmen zurück. (Bild: Gretsch)

FRED GRETSCH IV

1985 jedoch gelang es Fred Gretsch, dem Ur-Enkel des Firmengründers, die Rechte am altehrwürdigen Firmennamen zurückzuerwerben.

1990 kehrte dann eine in Japan gefertigte neue Modellreihe auf den Markt zurück. Obwohl es sich bei diesen Gretsches um keine detailgenauen Replikas der berühmten Klassiker handelte, versuchte man doch mit nun wieder deutlich verbesserter Fertigungsqualität die Annäherung an die große Zeit und den klassischen Gretsch-Sound der goldenen Jahre zu erreichen.

1991 kauft Gretsch mit Bigsby den langjährigen Partner und Hersteller von Vibratos, mit dem man bereits seit 1951 zusammengearbeitet hat.

1993 wird der Rockabilly-Gitarrist Brian Setzer der erste Gretsch-Künstler seit Chet Atkins.

1993: Brian Setzer wird erster Gretsch-Signature-Artist seit Chet Atkins (Bild: Tony Nelson)

GRETSCH UND FENDER

2003 schließt Gretsch mit Fender einen Vertrag über die Produktion und den Vertrieb von Gretsch-Gitarren zu beidseitigem Nutzen. Gretsch freute sich über einen engagierten Partner für die hochklassige Wiederbelebung und Verbreitung seines Erbes und Fender hatte endlich eine Firma im Portfolio, um der ewigen Gibson-Dominanz im Markt um Halbresonanzgitarren ernsthaft etwas entgegensetzen zu können.

(Bild: Gretsch)

2004 wird der Gretsch Custom Shop für die handgefertigten Linien von Gretsch Guitars ins Leben gerufen.

2007: Nach 28 Jahren Abwesenheit ziert Chet Atkins‘ Name wieder 28 neue Gretsch-Gitarrenmodelle.

2016: Die Country Music Hall of Fame and Museum eröffnet mit der Ausstellung American Sound & Beauty, in der 75 alte Gretsch-Gitarren zu sehen sind, die bislang größte Sammlung von Saiteninstrumenten, die das Museum je ausgestellt hat.

Dinah und Fred W. Gretsch (Bild: Gretsch)

2021: Die Georgia Southern University gründet auf Basis großzügiger Spenden von Fred und Dinah Gretsch im Februar 2021 die Fred and Dinah Gretsch School of Music. Durch eine besondere Partnerschaft dieser Schule mit der Georgia Southern University und der Kessler Collection wird im November 2021 dann auch noch das That Great Gretsch Sound! Museum mit der Gretsch-Sammlung historischer Schlagzeuge, Gitarren und Firmenarchive in Savannah eröffnet.

(Bild: Gretsch)

FAMOUS GRETSCH GUITAR PLAYERS

Dass die glamourösen White Falcons auch jenseits des mit Gretsch assoziierten Rockabilly von nicht gerade Bling-Bling-verdächtigen Country-Rockern wie Neil Young und Stephen Stills gespielt werden würden, war zum Zeitpunkt ihrer Einführung noch keineswegs absehbar. Dass John Frusciante bei den Red Hot Chili Peppers oder Billy Duffy bei The Cult mit diesem Modell auf der Bühne stehen, dass Bono sich bei U2-Konzerten gerne mit einer Variante schmückt, zeigt letztlich, wie langlebig klassische Designs wie die von Gretsch sind. Obwohl Gretsch-Gitarren heute fast schon wie Fossilien längst vergangener Zeiten wirken, so ist ihre Faszination also doch noch längst nicht verblüht. Ein Foto der Travelling Willburys in den 80ern schien – just um die Zeit, in der Fred Gretsch sich für eine Wiederbelebung der Firma ins Zeug warf – genau das gefordert zu haben, und es wirkte wie eine Verbeugung vor den stilbildenden Klangschöpfern, wenn Roy Orbison, George Harrison, Bob Dylan und Tom Petty sich demonstrativ mit Gretsch-Gitarren zeigten.

Solange also elektrische Gitarren erklingen, solange wird auch immer eine Gretsch zu hören sein, und das nicht nur in Retro-Stilen wie bei Rockabilly-Star Brian Setzer, nein auch die Einbindung in zeitgemäßere Musikrichtungen kann u. a. bei Musikern wie The Edge (U2), Joe Perry (Aerosmith), Bryan Adams & Keith Scott, Dave Steward oder gar Guns N‘ Roses‘ Richard Fortus und Rancids Tim Armstrong beobachtet werden. Wer käme auch nur auf die Idee, Chris Cornell von Soundgarden würde im ‚Black Hole Sun‘-Video mit der Duo Jet ein unzeitgemäßes Instrument nutzen? Und inzwischen hat sich längst eine ganze Garde junger Musiker vollkommen unbefangen und abseits alter Klischees Gretsch-Gitarren zu eigen gemacht.

2014: Der Gretsch Custom Shop feiert sein 10-jähriges Bestehen. (Bild: Gretsch)

CODA

Gretsch-Gitarren gehören auf jeden Fall und ohne Frage zu den großen unverwechselbaren Klassikern der elektrischen Gitarrengeschichte, und so werden sie zwar mit den inzwischen ebenfalls klassischen Genres Country, Rock, Rockabilly und Rock ’n’ Roll untrennbar verbunden bleiben, haben aber mittlerweile auch einen festen Fuß ins Lager aktueller Musikgenres setzen können und damit den Staub der Geschichte abgeschüttelt, ohne die eigene Historie zu schmälern oder gar zu leugnen. Wir können sogar behaupten, dass Gretsch sich heute im Canon der großen Hersteller wieder in einer bemerkenswert starken Position befindet. Zum 140-jährigen Jubiläum gratulieren wir darum herzlich und freuen uns auf die nächsten Jahre und Jahrzehnte der Fabulous Gretsch Guitars!


(erschienen in Gitarre & Bass 08/2023)

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Wie wäre es mit einem Gretsch-Sonderheft? Würde sich gut in seine Vorgänger einreihen, als sammelwürdiges Nachschlagewerk.

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    1. Ja, das fände nicht nur ich gut, sondern sicher viele andere Fans von edlen BGitarren. Die bewegte Familien-und Firmengeschichte bietet sicher genug Material für ein Sonderheft, indem auch umfassender auf die legendären Produkte eingegangen werden könnte.

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  2. Gretsch Gitarren gelten auch heute noch als Edelprodukte, die allerdings oft für viele unerschwinglich sind, in vielen Musicshops in geschlossenen Vitrinen zu besichtigen sind, dem Publikum nur dann zugänglich gemacht werden, wenn zuvor eine ernsthafte Kaufabsicht versichert wird. Wer immer diese Gitarren inzwischen baut, sie haben eine hohe Fertigungsqualität. Als sie in den 90. Jahren noch aus Japan kamen, schien es auch aufgrund der räumlichen Nähe auf Messen, Ausstellungen usw. zu AriaPro Gitarren, die eine ähnliche Fertigungsqualität aufwiesen, als stammten diese Produkte aus einem Hause .
    Obwohl heute auch günstige Gretsch Gitarren im Preissegment unter 1000€
    angeboten werden, besteht noch immer die Sehnsucht bei professionellen – und Hobbygitarristen, eine echte (teure) Gretsch zu besitzen.
    Die Signaturgitarren von Duane Eddy, Eddy Cochran, usw. haben erstaunlicher Weise Singlecoil PUs. Da verzichtet Gretsch auf die “Geheimwaffe” Electromatic PUs. ,die doch so charakteristisch wie erfolgreich waren,
    Insgesammt war die Darstellung zum 140. Firmenjubiläum sehr umfassend und interessant für Gitarrenfans.

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  3. Ich vermisse in dem Artikel, den Namen Malcolm Young😥

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    1. Genau das dachte ich auch…

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  4. Hallo zusammen,
    und damit meine ich die Gruppe der GRETSCH Gitarrenspieler, -besitzer und -sammler dieser edlen Instrumente.
    Der Vorschlag, ein Sonderheft, wie es auch bei GIBSON und FENDER der Fall gewesen war, ist mit Sicherheit für diese Gruppe von Menschen hilfreich und sowohl beim Verkauf, als auch beim Ankauf eine wesentliche Entscheidungshilfe. Dasselbe gilt auch für RICKENBACKER-Guitars, da es mit Sicherheit viele Sammler/Spieler aus der Top-Zeit dieser Instrumente gibt und die sich damit ein Stück Erinnerung an eine “lacy-Time” und einen “endless-Summer” zurückholen. Noch heute gilt deshalb noch immer, ebenso wie damals, der Spruch “for ever Young”. In diesem Sinne ” best regards” und in Gedanken an 1964 bis 1975! – ERIC

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  5. Sehr informative und kurzweilige Firmenchronik eine sehr bekannten Gitarrenherstellers,der schon längst ein Gitarre & Bass-Sonderheft verdient hätte!
    Ich finde Gretsch Gitarren generell sehr schön,aber auch andere berühmte Gitarrenfirmen wie B.C.Rich/U.S.A. und die Manufakturen der Gitarrenbauer Hoyer,sowie Hopf aus Germany sollten bitte jeweils ein Sonderheft bekommen!

    Die G&B-Sonderhefte über die Fender,Gibson und Ibanez Gitarrenhersteller besitze ich ja schon.

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