Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: PRS SE Custom 22 & 24

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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PRS SE Custom 22 und 24

Ja, ich gestehe, dass auch ich jahrelang die PRS-SE-Modelle nicht beachtet habe. Grund dafür war eine – frei nach der BBC-Sendung Top Gear – Angst vor dem „Porsche-Boxster-Effekt“: Man will sich zwar mit einer edlen Marke schmücken, hat aber nicht die Kohle dafür, und greift verschämt zur erschwinglichen Variante.

Was wiederum den ewigen Rechtfertigungsmodus („aber der bietet echt viel Porsche für das Geld, auch wenn er kein 911er ist“) auslöst, obgleich man vielleicht gar nicht darauf angesprochen wurde, oder sich das auch nur selbst einredet.

Ich selbst hatte bei der SE Custom 24 vor einigen Jahren mein persönliches Erweckungserlebnis, als ich die SE Multifoil testete (Ausgabe 04/2018). Ei verbibbsch, dachte ich mir, was für eine tolle Gitarre. Und mittlerweile bin ich stolzer Besitzer von nicht nur einer, sondern gar zwei SE Custom 24 Modelle. Ja, auch das gestehe ich gern. Ganz ohne Rechtfertigung.

PRS SE Custom 22
PRS SE Custom 24

VON KOREA NACH INDONESIEN

Die ersten etwa 15 Jahre der Firmengeschichte von PRS waren ganz und gar auf die Fertigung in den USA fokussiert. Es dauerte aber nicht lange, bis asiatische Hersteller wie z. B. Fenix in den 1990er-Jahren anfingen, das mittlerweile beliebte und etablierte Design zu kopieren – mit Erfolg, denn wer damals eine PRS wollte, musste sehr tief in die Tasche greifen. Genau wie zuvor auch Fender beschloss man bei PRS, diesen „Einsteiger“-Markt nicht den Kopisten zu überlassen und schuf die „Student Edition“ – die SE. Hersteller war zunächst WMI mit dem Werk in Korea.

In den ersten Jahren traute sich PRS jedoch nicht, die koreanischen Modelle zu ähnlich zu den US-Modellen zu gestalten. So findet man auf den frühen SEs zum Beispiel nicht die berühmten „Bird Inlays“ – das Markenzeichen von PRS schlechthin. Zudem haben sie flache Decken und kein PRS-Logo auf der Kopfplatte. Diese restriktive Modellpolitik wurde jedoch inzwischen verworfen – Birds, gewölbte Decke und Logo gibt es nun auch auf den SEs.

Da die Fertigungskosten in Korea enorm gestiegen sind, stellt mittlerweile Cor-Tek (Cort) in Indonesien die SEs her. Qualitätsunterschiede gibt es im direkten Vergleich so gut wie keine, lediglich der auf koreanischen SEs damals verbaute Toggle-Switch kommt etwas wertiger daher als der auf neueren SEs übliche, in Norddeutschland würde man sagen, etwas „plünnige“ Klingenschalter.

QUALITÄT

Ehrlich gesagt war’s das auch schon mit jeglicher Kritik an den SE Custom 22s und 24s. Denn der Rest der Gitarre unterliegt den extrem hohen Anforderungen von PRS an Fertigungsqualität und Setup aller Gitarren, die das Firmenlogo tragen. Klar muss man immer nochmal nach persönlichen Vorlieben kleinere Einstellungen vornehmen. Aber erstens ist das auch bei hochpreisigen Gitarren so, und zweitens hält es sich (für meinen Geschmack) bei PRS SEs direkt aus dem Karton in erstaunlich engen Grenzen. Einen wütenden Gang zum örtlichen Gitarrentechniker hielte ich ehrlich gesagt für übertrieben.

Und ja, mir ist die in Gitarristenkreisen zirkulierende Kritik am angeblich fehlenden Charakter von PRS-Gitarren bekannt. Das mag daran liegen, dass unsere Ohren von Jahrzehnten der klassischen Fender- und Gibson-Sounds so geeicht sind, dass sie mit dem relativ „neutralen“ (und damit an sich ja doch wieder eigenen) Sound einer PRS wenig anfangen können. Ich empfinde aber diese weiße Leinwand, auf der man frei seine eigenen Soundvisionen ausleben kann, als geradezu erfrischend.

Dazu kommt, dass eine PRS – und die SE ist da keine Ausnahme – einfach unglaublich leicht zu bespielen ist und dabei absolut zuverlässig ihren Dienst verrichtet. Beispiel gefällig? Selbst spontanes Umstimmen im Bandraum auf DADGAD oder Ähnliches macht die PRS SE als so gut wie einzige Gitarre mit Vibrato aus meinem Fuhrpark mit sofortiger neuer Stimmstabilität mit.

PREISE

Warum die SE in diese Rubrik gehört? Weil sie auf den einschlägigen Gebrauchtmärkten für unfassbar kleines Geld zu bekommen ist. Gerade eben habe ich eine Custom 22 für schlappe 377 Euro ergattert – das muss man sich mal geben. Die Preise liegen je nach Modell und Ausstattung meist zwischen überschaubaren 400 bis 800 Euro.

Das liegt zum einen an dem überbordenden Angebot, aber auch ein bisschen daran, dass es sich mal wieder nicht um eine Hype-Gitarre handelt. Eher um eine, sagen wir, „Vernunftgitarre“, und damit auch nicht um einen Boxster (denn auch den kann man nicht als Vernunftauto bezeichnen, seien wir mal ehrlich), sondern also um den VW unter den Gitarren. Understatement, aber Zufriedenheit pur – den Dieselskandal mal außen vor gelassen.


(erschienen in Gitarre & Bass 06/2021)

Produkt: Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Gitarre & Bass 11/2022 Digital
Im Test: Jackson American Series Soloist SL3 +++ Maybach Little Wing +++ Taylor 514ce V-Class +++ Sandberg California II TT BassTheWorld +++ Blackstar Amped 1 +++ British Pedal Company Dallas Rangemaster +++ Ashdown ABM 600 & 410H +++ Höfner 500/1 63 Artist +++ Source Audio Atlas

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich kann den Erfahrungen nur zustimmen. Habe selbst eine PRS SE Custom 24, eine Santana SE und eine wunderschöne SC 245 Tiger/Black als US Original.
    Die SE Modelle sind wie im Artikel beschrieben mit ein “klein-wenig” Modulation individuell noch besser bespielbar als im Auslieferungszustand, aber im Preis/Leistungsverhältnis finde ich persönlich diese Gitarren auf einem Top Niveau..!..sehr zu empfehlen..! Wirklich stimmstabil und ich spiele die SE Santana am liebsten..:-) aber alles halt Geschmackssache…

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  2. Ich habe mir vor ca. 4 Jahren meine erste PRS SE Carlos Santana gekauft, inzwischen ist noch eine SE Mark Tremonti und eine SE 24 Limited dazu bekommen. Die vierte, diesmal ein SE Kingfisher Bass ist unterwegs. Gegen den PRS Virus gibts keine Impfung!

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  3. Ich besitze eine PRS SE Dave Navarro, die ich gebraucht mit Gibson Pickups erstanden habe, GOLDEN HARDWARE – in wunderschönem Weiß, kommt sehr edel daher und klingt auch so. Sie kann mit den teureren Instrumenten aus meiner kleinen Sammlung, Gibson Les Paul Standard und Fender Parallel Universe, Godin Partisan und Washburn A 20 Schritt halten, als Schnäppchen kann ich ich sie allerdings auch nicht bezeichnen. Ich bin auch froh, dass der Vorbesitzer die Gibson Pickups eingebaut hat.

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  4. Hallo, ich habe mir aufgrund des Tests in der Ausgabe 4/18 tatsächlich eine PRS SE Multifoil gekauft. Ich war und bin bis heute begeistert von der Bespielbarkeit, Stimmstabilität, Optik und dem Sound der SE. Sie ist tatsächlich meine Lieblingsgitarre. Von Clean bis Metall kann sie alles! Eine super Gitarre, die sich vor teuren Pendants nicht verstecken muss.

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