Hot Rod Mod

True Bypass, Elektronischer Bypass & Fußschalter-Reparaturen

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Taster
Verschiedene Taster: v. l. n. r. Original Boss, SPST-MO-10-Ersatz für Ibanez 10er-Serie, Original Ibanez-10er-Serie, SPST-MO-9-Ersatz für Ibanez-9er-Serie

Die Effektgeräte von Großserienherstellern wie Boss und Ibanez haben sich tausendfach bewährt und in der Regel eine so gute Qualität, dass sie über Jahrzehnte klaglos funktionieren. Werden sie nicht bewusst oder unbewusst beschädigt – z. B. indem sie einer Überspannung ausgesetzt werden – sind Defekte eher selten. Das einzige, was immer wieder mal für Verdruss sorgt, sind Fußschalter, die erst nicht mehr zuverlässig schalten und dann über kurz oder lang den Dienst komplett quittieren.

normaler verschleiß

Fußschalter sind elektromechanische Bauteile, die naturgemäß einem Verschleiß unterliegen. Theoretisch ist ein Defekt früher oder später fast unvermeidbar. Meist ist die Lebensdauer der Bauteile aber so hoch, dass sich auch 30 oder 40 Jahre alte Effekte noch problemlos umschalten lassen. Ob und wann ein Defekt kommt, hängt erstens von der Qualität des Bauteils und zweitens von seiner Beanspruchung ab: Ein Fußschalter, der regelmäßig unter rauen Bühnenbedingungen benutzt wird, verschleißt natürlich schneller als der Fußschalter eines Pedals, das nur alle Feiertage mal im Wohnzimmer zum Einsatz kommt.

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Bei der Qualität der Bauteile sind die Unterschiede ebenfalls enorm. Bei Boss-Effekten wird seit den 70er-Jahren das gleiche Bauteil verbaut. Und das aus gutem Grund: Ausfälle bei Boss-Pedalen sind sehr selten. Die Boss-Umschaltung ist zuverlässig und langlebig. Bei den beliebten alten Ibanez-Effekten sieht das leider anders aus. War der Schalter der 9er-Serie noch recht problemlos, gilt das Bauteil der 10er-Serie bereits als anfällig. Der Tiefpunkt wird mit den Schaltern der 5er-Serie (Soundtank) erreicht. Das unterdimensionierte Mini-Bauteil passt leider zum Gesamteindruck von Ibanez‘ 90er-Jahre-Billigserie: Plastikgehäuse, wackelige Mini-Potis und Buchsen, die direkt auf der Platine verlötet sind. Schade, denn manch ein Effekt der Serie ist klanglich durchaus interessant. Der Tubescreamer der Baureihe z. B. ist schaltungstechnisch mit dem begehrten TS-9 nahezu identisch. Die Verschlimmbesserungen der 10er-Serie wurden bei den 5ern wieder eingespart. Auf dem Gebrauchtmarkt werden Geräte der 5er-Serie häufig mit einem defekten Fuß- schalter angeboten. Hier kann man dann schon mal ein Schnäppchen machen. Die Reparatur der Umschaltung ist nämlich weder aufwendig noch teuer.

Bypass-Schaltung des TS9
Bypass-Schaltung des TS9: Die aufwendige Umschaltung benötigt jede Menge Bauteile.

taster oder schalter

Bei Boss- oder Ibanez-Effekten ist der Begriff Fußschalter eigentlich nicht korrekt. Die beiden Hersteller verbauen nämlich keine Schalter, sondern Taster in ihren Effektgeräten. Und der von außen zu sehende Taster ist lediglich ein Bauteil einer komplexen Schaltung, mit der die Umschaltung vom Bypass in den Effektbetrieb elektronisch erfolgt. Ein Taster ist ein außerordentlich simples Bauteil, bestehend aus zwei Kontakten und einer Feder. Ohne entsprechenden Druck hält die Feder die Kontakte auf Abstand.

Wird der Taster betätigt, erfolgt gegen die Federspannung ein Schließen der Kontakte. Dabei kann Strom fließen. Der Fußtaster gibt also durch das Drücken einen kurzen Signalimpuls, sodass die nachfolgende Elektronik (v. a. FET-Transistoren) die Umschaltung vornehmen kann.

der true bypass hype

Diese elektronische Umschaltung wurde in den 70er- und 80er-Jahren als Fortschritt gegenüber der mechanische True-Bypass-Schaltung vermarktet, weil sowohl das mechanische Schaltgeräusch als auch das lästige Einschaltploppen, das bei den frühen Effekten mit mechanischen Schaltern oft nervte, durch die elektronische Umschaltung vermieden wurde. Eigentlich ist das Effektgerät bei einer elektronischen Umschaltung immer an – nur der Effekt an sich wird zu- und weggeschaltet. Ein schöner Nebeneffekt dieser Art der Umschaltung ist, dass das schwache Signal der Tonabnehmer wie bei einem Buffer stabilisiert wird – egal ob der Effekt aktiviert oder deaktiviert ist. Leider haben einige schlecht gemachte elektronische Bypass-Schaltungen den Ruf der elektronischen Umschaltungen gründlich ruiniert.

Bei manchen Effekten war (und ist) im Bypass-Modus eine deutliche Verschlechterung des Tons festzustellen, sodass klangbewusste Musiker in den 90er-Jahren nach einem echten Bypass (also True Bypass) verlangten. Die Boutique-Hersteller kamen dem gerne nach und sorgten für die Renaissance der mechanischen Umschaltung. Damals wurden dann auch nicht wenige alte Pedale auf True Bypass umgebaut. Der Trend hält bis heute an und der Begriff True Bypass wird gleichsam als Qualitätsmerkmal für Effektgeräte gebraucht. Die Gleichsetzung von True-Bypass mit guter Qualität bzw. elektronischem Bypass mit billiger Massenware ist natürlich Unsinn. Der elektronische Bypass hat durchaus seine Vorzüge und wer bisher mit dem Sound des Pedals (auch im Bypass) zufrieden war, sollte sich keinen Bedarf auf einen Umbau einreden lassen. Schaltet das Pedal nicht mehr zuverlässig, lohnt sich hingegen eine Reparatur durchaus. Denn meist ist nur der Taster defekt.

kontaktspray

Wie schon gesagt: In der Regel sind die Taster recht zuverlässig und aufgrund ihrer simplen Konstruktion oft sogar langlebiger als mechanische Schalter. Aber natürlich beweisen viele Reparaturanfragen, dass auch bei Tastern Verschleiß oder technische Defekte vorkommen können. Meist sind die Taster nur verdreckt und können mit einer simplen Reinigung wieder repariert werden. Hier bietet sich Kontaktspray an. Besser als WD40 oder einschlägige Sprays des Herstellers Kontakt Chemie ist das etwas teurere Deoxit D5 von Caig. Mit dem Wundermittel habe ich nicht nur bereits zahlreiche Schalter und Taster wieder repariert, sondern auch jede Menge knackende und krachende Potis wieder zum Laufen gebracht. Ein sparsames Einsprühen des unwilligen Bauteils und das mehrmalige Betätigen genügen meist, um das Pedal wieder zum Laufen zu bringen. Das Spray reinigt nicht nur das Bauteil von Staub, Schmutz und Dreck, sondern hinterlässt auch einen Schmierfilm auf den leitenden Teilen des Bauteils, der dafür sorgt, dass der Reinigungseffekt nicht nur ein kurzes Vergnügen bleibt.

Deoxit von Caig
Deoxit von Caig: Das Kontaktspray ist zwar nicht billig, aber sehr gut!

bauteiletausch

Wenn Kontaktspray nicht mehr hilft, muss das defekte Bauteil ausgetauscht werden. Das ist aber in der Regel auch kein großes Problem. Die Suche nach einem Originalbauteil gestaltet sich zwar schwierig, weil Boss und Ibanez keine Ersatzteile liefern, aber meist wird man bei der Ersatzteilsuche im Elektronik-Fachhandel fündig. Neben den üblichen Verdächtigen wie Conrad oder Reichelt, lohnt es sich insbesondere, einen Blick in das Angebot der Pedalspezialisten uk-electronic, musikding und Banzai zu werfen. Einen passenden Ersatz für den defekten TS-5-Taster findet man mit dem SPST-MO-5/7 Switch z. B. bei banzai-electronic für günstige € 1,13 (www.banzaimusic.com). Für knapp € 2,50 wird dort ein Taster für alle Boss-Pedale angeboten (SPST-MO-PS-Switch) und für knapp € 1,50 ein ähnlich aussehender Taster für die Pedale der Ibanez 10er-Serie (SPST-MO-10- Switch). Selbst Besitzern alter Ibanez-Schätzchen aus der TS-808-Baureihe kann bei Kontaktschwierigkeiten geholfen werden – der Austauschtaster schlägt allerdings mit knapp € 30 heftig zu Buche. Dagegen ist die Reparatur eines Pedals aus der 9er-Serie ein richtiges Schnäppchen. Einen entsprechenden Taster gibt es schon für knapp € 0,50.

schalter tauschen

Die Reparatur von Boss-Tastern oder Tastern der Ibanez-10er-Serie ist trivial. Hier sind nur zwei Kabel umzulöten. Der Taster kann nach dem Öffnen der Schaltwippe, die als Batteriefach dient, einfach von Außen mit ein bisschen Hebeln entnommen werden, er ist lediglich gesteckt. Eine Demontage des Pedals ist nicht nötig.

Boss MT10
Der Schaltertausch beim MT10 ist wirklich einfach. Alten Schalter von oben heraushebeln, zwei Kabel umlöten und den neuen Schalter einstecken.

Die Taster der Ibanez-5er-Serie dagegen sind direkt auf der Platine verlötet. Aber auch die Reparatur eines TS-5 ist noch recht einfach.

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Der Schalter des TS5 sitzt auf der Platine. Das winzige Bauteil ist ganz unten mit SW1 beschriftet.

Nach dem Lösen der vier Bodenschrauben auf der Rückseite und Abziehen der Potiknöpfe kommt man ganz bequem an die Platine heran und kann den alten Schalter auslöten und durch den neuen ersetzen. Der Schalter ist auf der Platine ganz unten und mit SW1 beschriftet. Selbst wenn man keinen exakt passenden Schalter findet, kann man mit ein bisschen Basteln meist auch erfolgreich sein. Der Schalter in dem SC10 (siehe Foto) ist eigentlich nicht für das Pedal vorgesehen. Er wurde einfach mit einer Unterlegscheibe fixiert und macht seinen Job nun schon seit einigen Jahren gut. Also keine Scheu und ran ans Werk! Ein defekter Fußschalter ist kein Grund, sein Pedal nicht mehr lieb zu haben oder gar herzugeben. [3388]

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Rechts der SF10 mit dem Originaltaster. Links ein SC10 mit einem Ersatzteil. Eigentlich ist der Taster nicht dafür gedacht. Mit ein bisschen gutem Willen und einer Unterlegscheibe passt er aber trotzdem. Ganz rechts: Ein Geheimtipp? Klanglich top, aber die Verarbeitung und die Bauteilequalität sind leider Low Budget. Ein typischer Kandidat für eine Reparatur des Fußschalters.

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2018)

Produkt: Gitarre & Bass 2/2024
Gitarre & Bass 2/2024
IM TEST: Charvel Pro-Mod So-Cal HSS +++ Engl E670FE Special Edition +++ Ortega Guitars Tour Player +++ Ampeg Venture V3, VB112 und VB115 +++ Ibanez Iceman IC420FM +++ Walrus Audio Fable +++ Meta Guitars Veil Bass +++ Fender CS Early 55 Strat Trem & Hardtail +++ Lakland Skyline Decade

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